Das EEG-Umlage-Märchen

Verzerrung Nr. 2:

Die Preisgebote an der Strombörse richten sich nach den Grenzkosten (variable Kosten) der Erzeugungsanlagen, was letztendlich die Brennstoffkosten und CO2-Kosten der verschiedenen Energieträger sind. Welche Brennstoffkosten und CO2-Kosten haben Erneuerbare Energien? Keine! Allenfalls Wartungskosten. Die grenzkostenbasierte Strombörse ist somit per se kein Modell, das zu brennstoff- und CO2-freien Erneuerbaren Energien passt! Durch das Vermarkten des EEG-Stroms an der Strombörse wurden die Erneuerbaren Energien ab 01.01.2010 schlagartig massiv entwertet, sie müssen seitdem per Verordnung quasi verramscht werden. Dies ist etwa gleichbedeutend, als würde ein Unternehmen, das ein Produkt bislang zu regulärem Preis in einem Geschäft verkauft hat, über Nacht per Dekret dazu gezwungen werden, sein Produkt ab sofort nur noch auf dem Flohmarkt zu Centbeträgen anzubieten!

Verzerrung Nr. 3:

Die niedrigpreisigen Erneuerbaren Energien verschieben die Angebotskurve automatisch permanent nach rechts, umso stärker, je mehr die Sonne scheint oder der Wind weht. Der Schnittpunkt mit der Nachfragekurve, was dem Börsenpreis entspricht, sinkt dadurch entsprechend synchron (Merit Order-Effekt). Dazu kommt, dass die CO2-Zertifikatspreise aufgrund der Lobbyarbeit und maßgeblicher Unterstützung durch Wirtschaftsminister Rösler, der stets die angeblich hohe EEG-Umlage beklagt, nicht erhöht wurden, sondern sanken. Das führt zu einer weiteren Absenkung des Börsenpreises und damit zu einer Erhöhung der EEG-Umlage (da die EEG-Umlage ja seit 2010 grob gesagt dem Vergütungspreis minus Börsenpreis entspricht).

Entscheidendes Verzerrungsmoment: Nur kleiner Teil an Strombörse gehandelt

An der Strombörse wird nicht der gesamte Strom des Strommarktes gehandelt, sondern nur ein kleiner Teil, derzeit ca. 20-25%. Die Entwicklungen an der Strombörse sind kein Abbild des gesamten Strommarktes. Der EEG-Strom muss zu 100% an der Strombörse vermarktet werden, abgesehen von dem Teil, der direkt vermarktet wird; der konventionell erzeugte Strom wird hingegen hauptsächlich am Terminmarkt gehandelt oder sein Preis in individuellen Verträgen vereinbart.

Dadurch, dass die brennstoffkostenfreien preissenkenden Erneuerbaren Energien aufgrund der Vorgaben der neuen Verordnung überproportional am Spotmarkt der EEX vertreten sind, ist die permanente Absenkung des Börsenpreises durch den Merit-Order-Effekt und damit synchron verlaufende Erhöhung der EEG-Umlage nochmals umso ausgeprägter.

Ein immer größerer Anteil der Erneuerbaren Energien wird seit EEG 2012 direkt vermarktet, diese Kosten muss man im Ausgabenblock zusätzlich mit berücksichtigen (Pos. 1a im Ausgabenblock des EEG-Kontos). Dadurch, dass sich die Marktprämie aber ebenfalls anhand der EEG-Vergütungen und eines monatlichen Durchschnittspreise an der Börse berechnet, ist bei genauer Betrachtung auch dieser Kostenpart der Ausgabenseite nicht frei von den bereits beschriebenen Verzerrungsmechanismen.

Strombörse hat nichts mehr mit aktueller Marktentwicklung zu tun

Was an der Strombörse passiert, hat somit so gut wie nichts mehr mit der aktuellen Marktentwicklung zu tun. Eine Umlage, die jährlich die tatsächliche Zubau-Situation widerspiegeln würde, bliebe normalerweise konstant, wenn es keinen weiteren Zubau mehr gäbe. Das ist hier nicht der Fall. Was an der Strombörse und somit der weiteren Entwicklung der EEG-Umlage passiert, hat eben nicht nur mit den Neuanlagen zu tun. Hier wirkt sich jede EEG-Anlage aus. Die Altanlagne von 2008 oder 2005 ebenso, wie selbst die von 1990 – und das grundsätzlich, sobald die Sonne scheint oder der Wind weht. Entsprechend stark sinkt der Börsenpreis und steigt die EEG-Umlage. Was in keinem direkten Zusammenhang mehr mit dem tatsächlichen Zubau und der dadurch bedingten Erhöhung der eigentlichen EEG-Kosten steht.

Und so kommt es, dass sich die eigentlichen EEG-Kosten in Form der ausbezahlten EEG-Vergütungen an alle Anlagenbetreiber seit Beginn der christlich-liberalen Koalition durch den stattgefundenen Anlagenzubau real nur etwa um Faktor 1,6 erhöht haben und mittlerweile stagnieren (s. eeg-kwk.net), die EEG-Umlage sich aber stattdessen mehr als vervierfacht hat und weiter explodiert.

Die Situation ist wahrlich paradox: Der grüne Strom macht den Börsenpreis billiger, doch der Strompreis insgesamt steigt. Das liegt an der EEG-Umlage: Ihre Höhe errechnet sich nämlich aus der Differenz zwischen einer festgesetzten Vergütung und dem Börsenpreis. Beträgt letzterer zum Beispiel 5 Cent, während man einem Windenergieanbieter die Abnahme seines Stroms zu einem Festpreis von 13 Cent versprochen hat, so werden die 8 Cent Differenz auf den Strompreis umgelegt. Sie sind die Basis, aus der die Umlage berechnet wird. Die Kosten, die durch diese Vergütung entstehen, berechnen sich zum einen aus der Menge des produzierten Ökostroms, die mit dem Betrag aus der Differenz des für die einzelnen Energieformen unterschiedlichen Festpreises und dem Börsenpreis – den 8 Ct aus unserem Beispiel- multipliziert wird. Zum anderen werden diese Kosten dann gegen Effekte aufgerechnet, die aus zahlreichen Ausnahmeregeln entstehen, z.B. Einnahmen, die aus dem Direktverkauf von Strom oder durch vermiedene Netzentgelte entstehen. Erst aus dieser Rechnung ergeben sich die eigentlichen Differenzkosten, die sich dann als EEG-Umlage im Endkundenpreis wiederfinden. Sinkt nun der Börsenpreis, dann erhöht sich die Umlage. (Aus dem jüngsten Buch von Claudia Kemfert: „Kampf um Strom“)

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