„Zwei-Grad-Grenze“: Aufmerksamkeit schwindet

Zeppelin-Universität: Debatte zur Klimapolitik verliert „Zwei-Grad-Obergrenze“ aus dem Blick

Bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 verständigte sich die internationale Staatengemeinschaft auf das globale Klimaschutzziel der „Zwei-Grad-Obergrenze“. Es sollen Maßnahmen ergriffen werden, die durchschnittliche Erwärmung der Erde unter zwei Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu halten. Die „Zwei-Grad-Obergrenze“ wurde daraufhin zum Leitthema der gesellschaftlichen Debatte über den Klimawandel. Fünf Jahre danach jedoch spielt sie praktisch keine Rolle mehr. Welche Ursachen, welche Folgen hat das? Das hat Prof. Dr. Markus Rhomberg, Inhaber des Lehrstuhls für Politische Kommunikation an der Zeppelin Universität (ZU), im Auftrag des Umweltbundesamts untersucht.

Rhomberg analysierte gemeinsam mit seinem Doktoranden Jonas Kaiser dazu die Medieninhalte von sechs Tageszeitungen (die tageszeitung, Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Bild) und vier Wochenmagazinen (Die Zeit, Focus, Der Spiegel, Stern). Dabei zeigte sich, dass die Häufigkeit der Berichterstattung nach einem Hoch während des Klimagipfels in Kopenhagen im Dezember 2009 bis heute langsam, aber stetig abnimmt. Spiegelbildlich zeige sich dies auch im Zuge der Energiewende-Debatte, so die Forscher. Dort werde vor allem diskutiert, wie die Wende gestaltet werden soll. Rhomberg: „Warum eine Energietransformation notwendig ist und welche Rolle die ,Zwei-Grad-Obergrenze‘ dabei spielt, ist kaum Thema.“

Zwar könnte man nach Ansicht Rhombergs argumentieren, dass die Häufigkeit der Berichterstattung kein aussagekräftiger Indikator für die Wichtigkeit eines Themas für die Politik ist. „Zumindest bedeutet dies aber“, befindet Rhomberg, „dass das Thema nach und nach aus der Wahrnehmung der Öffentlichkeit verschwindet.“ Dies auch mit dem Nebeneffekt, dass die Politik durch dieses Defizit an Aufmerksamkeit auch nicht unter starken Handlungsdruck gerate und stehe.

Die Politik zieht sich zurück

Innenpolitisch, so die Wissenschaftler, werde die Zwei-Grad-Obergrenze in den Jahren 2009 bis 2014 zumindest nur wenig diskutiert: Die Bundestags-Fraktionen hätten sich kaum zum Thema geäußert. Und wenn sich dazu die Politik in den Medien äußere, dann vor allem durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und das Bundeskanzleramt. Hingegen seien deutsche Politiker mit Aussagen zur Zwei-Grad-Obergrenze rund um die Vertragsstaatenkonferenzen der UN-Klimarahmenkonvention, der Rio+20-Konferenz sowie dem Bericht der Arbeitsgruppe 1 zum 5. IPCC-Sachstandsbericht in den Medien präsent. Spätestens ab dem Jahr 2012 übernahmen in den führenden deutschen Medien aber wissenschaftliche Akteure die Hauptrolle in der Debatte um die Einhaltung der Zwei-Grad-Obergrenze.

In diesem Zusammenhang ist für Rhomberg und Kaiser auch der Befund interessant, dass sich die Debatte vom Politikteil der Zeitungen in die Wissenschaftsteile verlagert hat: „Die Zwei-Grad-Obergrenze ist vom Politikthema zum Wissenschaftsthema geworden.“

Liegt das am Fehlen durchschlagender Verhandlungserfolge? Schiebt die Politik ihre Verantwortung ab? Ist dies ein Indiz für Resignation in der Klimapolitik? „Was sich deutlich zeigt, ist, dass die durchaus optimistische politische Grundstimmung, die bis zum Jahr 2010 erkennbar war, in der Medienanalyse immer mehr einer gewissen Indifferenz für das Thema weicht“, stellen die Wissenschaftler fest.