„Giftgas: Der unsichtbare Feind”

100 Jahre Giftgaskrieg: Forschung, Einsatz, Folgen chemischer Massenvernichtungswaffen – Internationale Konferenz und Gedenkveranstaltung des Fritz-Haber-Instituts der MPG und des MPI für Wissenschaftsgeschichte

Am 22.04.1915 setzte das deutsche Militär an der Front bei Ypern (Belgien) im Rahmen eines so genannten Blasangriffs 167 Tonnen Chlorgas gegen die britischen und französischen Truppen ein. Dieser erste Großeinsatz chemischer Massenvernichtungswaffen, der schätzungsweise 4.000 Gasverletzte und 1.000 Tote zur Folge hatte, markiert eine welthistorische Zäsur. Vorbereitung und Durchführung des Angriffs wurden auf wissenschaftlicher Seite maßgeblich durch Fritz Haber, den Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem betrieben, der sein Institut während des Ersten Weltkriegs  zu einem Zentrum der Entwicklung chemischer Kampfstoffe machte.

[note Fritz Haber propagierte Chlorgas – Haber hatte bereits Ende 1914 vorgeschlagen, aus Druckflaschen das potentiell tödlich wirkende Chlorgas auf die gegnerischen Stellungen abzublasen. Haber drängte auf Chlor, da es sehr giftig und in ausreichenden Mengen verfügbar war. Die BASF konnte so das in hohen Mengen anfallende Chlorgas, welches ein Abfallprodukt war, gewinnbringend verwerten. Die Tagesproduktion an Chlor betrug zu diesem Zeitpunkt bereits 40 Tonnen. Des Weiteren konnte es gefahrlos transportiert werden. Von einigen Offizieren und Chemikern wurde der Gaseinsatz stark in Frage gestellt, allerdings nicht aus ethisch-moralischen Erwägungen heraus. Kritisiert wurde die Windabhängigkeit beim Abblasen und nicht das Abblasen an sich. Da allerdings kein anderes Verfahren der Anwendung an der Front so ausgereift war wie das Blasverfahren, wurde es trotz des an der Westfront vorherrschenden Westwindes eingesetzt. Der bayerische Kronprinz Rupprecht von Bayern gab außerdem (am 1. März 1915) zu bedenken, dass, „wenn es sich als wirksam erweise, der Feind zum gleichen Mittel greifen würde und bei der vorherrschenden westöstlichen Windrichtung zehnmal öfter gegen uns Gas abblasen könne, als wir gegen ihn“. Man ging aber von fehlenden Produktionskapazitäten der Alliierten, insbesondere Frankreichs, aus. Haber notierte nach einem Test des Chlorabblasens: „Das Gas blies vorschriftsmäßig ab, da plagte uns der Teufel und wir beide ritten, versuchsweise‘ in die abtreibende Gaswolke hinein. Im Augenblick hatten wir in dem Chlornebel die Orientierung verloren, ein wahnsinniger Husten setzte ein, die Kehle war wie zugeschnürt (…) in höchster Not lichtete sich die Wolke und wir waren gerettet.“ nach Wikipedia]

Den hundertsten Jahrestag des ersten Giftgasangriffs nahm die Nachfolgeinstitution des Haberschen Instituts (das Fritz-Haber-Institut der MPG), gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte  zum Anlass für ein Symposium, das die historische Aufarbeitung mit dem Gedenken des Jahrestags verband und sich mit der Geschichte der Forschung über chemische Massenvernichtungwaffen, ihren Einsatz und den zerstörerischen Folgen, die bis in die Gegenwart reicht, auseinandersetzte.

Folgt: „Janusköpfigkeit der Wissenschaft“