Wie die „dunklen Flauten“ überbrücken?

ESYS-Diskussionsforum: Energie.System.Wende. Wie bleibt unsere Versorgung sicher?
Die Verbindung von Zentralität und Dezentralität

Bis zum Jahr 2050 soll die Stromversorgung in Deutschland überwiegend auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Doch wie überbrückt man die „dunklen Flauten“ – jene Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? Wie sicher wäre ein dezentral organisiertes Energiesystem, das über das Internet gesteuert wird? Und woher kommen die metallischen Rohstoffe für Netzausbau und Stromspeicher? Diese und weitere Fragen waren Thema beim Diskussionsforum Energie.System.Wende. am 11.06.2015 in Berlin. Unter dem Motto „Wie bleibt unsere Versorgung sicher?“ stellten sich Mitglieder des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) der Diskussion mit Fachleuten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Das Diskussionsforum war Teil der zweitägigen Jahresveranstaltung des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“, der gemeinsamen Initiative von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Gastgeber waren Reinhard F. Hüttl, acatech Präsident und Vorsitzender des ESYS-Kuratoriums, Jörg Hacker, Präsident der Leopoldina und Günter Stock, Präsident der Akademienunion.

Hüttl verwies in der Eingangsdiskussion der drei Präsidenten darauf hin, dass „das Akademienprojekt ESYS auf der Basis aller relevanten Fachgebiete wissenschaftlich basierte Optionen für eine sichere Energieversorgung der Zukunft“ erarbeite. Hacker nannte es einen „Vorteil der Akademien, dass sie unabhängig von Fördermitteln agieren und schnell Forschungsgruppen zusammenstellen können“ – und zwar interdisziplinär und international, nicht umsonst sei „das Wort Energiewende bereits, wie Kindergarten und Rucksack, in andere Sprachen eingegangen“. Stock erläuterte es als Ziel des Akademienprojekts, komplexe Sachverhalte verständlich zu machen; die Bundesregierung sie da schon kreativ gewesen, wir müssten juristisch, technisch denken, hochkomplex, „wir müssen weitergehen“. Akzeptanz als Begriff reiche nicht – „wir müssen höher springen – aber die sozialen Medien werden es nicht sein“.

Schütte: Handlungsoptionen, Kopernikus und Forschungsforum

Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im BMBF, nannte in seinem Grußwort zur Eröffnung die inzwischen eingerichteten Adhoc-Gruppen einen neuen Ansatz der Politikberatung, dafür sei man im BMBF „richtig dankbar“. Die sogenannten Kopernikus-Projekte hätten „neues Förderhandeln konstituiert“; längerfristige Forschungs-Korridore bis 2050 seien eröffnet worden. Man sei gespannt auf die Handlungsoptionen – eine erste zum Thema Flexibilität und Speicher werde vorgestellt.

Aus Schüttes Rede: „Die Rolle des Akademienprojektes bei den Kopernikus-Projekten
‚Kopernikus-Projekte für die Energiewende‘ sind technologieorientierte Forschungsprojekte mit systemischem und transdisziplinärem Ansatz. Das Ziel dieser Projekte ist es, für die Umsetzung der Energiewende relevante Technologien zu identifizieren und bis zur großtechnischen Anwendung zu entwickeln. Dabei steht nicht die Förderung einer Einzeltechnologie im Vordergrund sondern der systemische, integrative Ansatz eines Themas. Es ist eine Förderung von bis zu zehn Jahren vorgesehen. Die Projekte weisen einen Prozesscharakter auf, der eine dynamische Nachsteuerung von Projektzielen ausdrücklich beinhaltet.
Die Konsortien sind aufgefordert, ein Beteiligungsmodell aufzuzeigen, bei denen neben Wissenschaft und Wirtschaft, auch zivilgesellschaftliche Gruppen und regionale Expertise berücksichtigt wird. Es sollen nicht nur technologische Aspekte betrachtet, sondern z.B. auch die Bedürfnisse und Erwartungen der Bevölkerung reflektiert werden.
Kopernikus-Projekte bedeuten aber nicht, dass wir wieder bei null anfangen. Ein besonderes Anliegen ist uns, auf das Wissen aufzubauen, das wir bereits haben und das über die aktuellen Laufzeiten hinaus gezielt und langfristig weiterzuentwickeln. Außerdem sollen Kopernikus-Projekte nicht die bisherige Förderstruktur ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen.
Die derzeit erarbeiteten fünf Kopernikus-Projekte adressieren die folgenden zentralen Fragen der Energiewende.

  • Neue Netzstrukturen
  • Flexiblere Nutzung erneuerbarer Ressourcen
  • Stoffkreisläufe für die Energiewende
  • Ausrichtung von Industrieprozessen an eine volatile Energieversorgung
  • Energieerzeugung

Im weiteren Verfahren werden die möglichen Inhalte und Ideen weiter ausgearbeitet. Dabei sprechen wir kontinuierlich mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Wir streben an, zeitnah die Förderbekanntmachung auszuschreiben. Bis Ende des Jahres sind die Projektkonzepte einzureichen. Die Projektkonzepte werden durch ein Evaluationspanel begutachtet. Die erfolgreichen Konsortien werden anschließend in einer zweiten Phase zur Abgabe vollständiger Projektanträge aufgefordert. Die Aufforderung zum Vollantrag soll spätestens Anfang 2016 erfolgen, sodass die Kopernikus-Projekte im ersten Quartal 2016 starten können.“

Das Forschungsforum Energiewende stellte Schütte besonders heraus – den Dialog zwischen Wissenschaft, Bund und Ländern, den Input aus den gesellschaftlichen Gruppen in die Wissenschaft – die Dialogqualität habe sich ständig verbessert. „Die Wissenschaft stellt ihre Dialogfähigkeit zunehmend unter  Beweis.“

Schütte abschließend: „Eine erfolgreiche Energiewende bedarf nicht nur neuer technologischer Ideen und innovativer Lösungen. lm gesamten Energiesystem müssen wir vielmehr zahlreiche Teilaspekte in Einklang bringen: technische Machbarkeit, wirtschaftliche Umsetzung, ökologische Auswirkungen, gesellschaftliche Akzeptanz und energiepolitische Bedingungen. Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis darüber, was erreicht werden soll, kann und muss. Dazu müssen wir alle im Dialog bleiben.“

Folgt: Meeres-Bodenschätze-Abbau