Exxon wusste schon vor fast 40 Jahren vom Klimawandel

Großangelegte Desinformation über Jahrzehnte

Eine neue Untersuchung von Inside Climate News zeigt, dass die Ölgesellschaft die wissenschaftlichen Erkenntnisse verstanden hatte, bevor sie zu einem öffentlichen Thema wurden und schon lange Millionen ausgab, um Fehlinformationen fördern, schreibt Shannon Hall im Scientific American. Das Wissen des Unternehmens über den Klimawandel stammt aus dem Juli 1977, als sein leitender Wissenschaftler James Black dem Vorstand eine ernüchternde Nachricht zum Thema übermittelte.

Esso-Tankstelle, USA, vor 50 Jahren – Foto © Bannon Morrissy auf Unsplash

Exxon war sich laut der aktuellen Untersuchung bereits elf Jahre, bevor er zum Thema wurde, des Klimawandels bewusst. Dieses Wissen hinderte das Unternehmen (jetzt als Exxon Mobil das weltweit größte Öl- und Gasunternehmen) nicht daran, sich Jahrzehnte hindurch zu weigern, den Klimawandel öffentlich anzuerkennen und sogar Klima-Desinformation zu fördern.

Blacks Meldung an den Exxon-Vorstand lautete: „In erster Linie besteht allgemeine wissenschaftliche Einigkeit darüber, dass die wahrscheinlichste Art und Weise, wie die Menschheit das globale Klima beeinflusst, durch die Freisetzung von Kohlendioxid aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe erfolgt“. Ein Jahr später warnte er Exxon, dass die Verdoppelung des CO2s in der Atmosphäre die globalen Durchschnittstemperaturen um zwei oder drei Grad erhöhen werde – eine Zahl, die mit heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmt. Er warnte weiterhin davor, dass „gegenwärtigem Denken folgend der Mensch ein Zeitfenster von fünf bis zehn Jahren habe, bevor die Notwendigkeit harter Entscheidungen über Veränderungen in den Energiestrategien entscheidend werden könnte“. Mit anderen Worten, Exxon musste handeln.

Familie eines Exxon-Wissenschaftlers prangert Haltung des Ölriesen zum Thema Klimawandel an
Im Rahmen der Exxon-Hauptversammlung im Mai 2016 bekam der damalige CEO Rex Tillerson eine Frage von einer frisch gebackenen Chemie-Absolventin gestellt, deren Großvater James F. Black vor fast 40 Jahren erstmals Führungskräfte des Ölmultis vor den Risiken des Klimawandels warnte. Anna Kalinsky fragte Tillerson, ob Exxon seine Mitgliedschaft in Organisationen wie dem American Legislative Exchange Council (ALEC)  überprüfen werde, die der Forschung ihres Großvaters und anderer Exxon-Wissenschaftler im Laufe der Jahre widersprochen hatten. Tillerson sagte nein, aber in Zusammenarbeit mit ClimateTruth.org (heute Oil Change US) und Cater Communications konnte Anna den Erdölriesen bloßstellen und den Wert der wissenschaftlichen Forschung in den Medien wie BBC, Grist, Dallas Morning News, Reuters und Democracy Now unterstreichen.
Schon Annas Mutter und James Blacks Tochter Claudia Black-Kalinsky hatte mit ClimateTruth.org und Cater Communications zusammengearbeitet, um einen Bericht für den Guardian („My father warned Exxon about climate change in the 1970s. They didn’t listen“) zu schreiben, in dem sie argumentierte, dass das Unternehmen endlich seine Warnungen beachten und Finanzgruppen stoppen sollte, die Klimaforschung und Klimaschutzpolitik ablehnen. „Anstatt die Öffentlichkeit über den Klimawandel zu täuschen“, schrieb sie, „sollte Tillerson die unglaublichen Ressourcen des Unternehmens – einschließlich seiner Wissenschaftler und Lobbyisten – zur Lösung nutzen.“ Der Artikel wurde mehr als 4.000 Mal online geteilt, unter anderem von Elon Musk auf Twitter, und generierte mehr als 400 Kommentare (siehe catercommunications.com/2016summergallery).

Ein Ansatz, den viele mit den verbreiteten Lügen der Tabakindustrie in Bezug auf die Gesundheitsrisiken des Rauchens vergleichen. Beide Branchen waren sich bewusst, dass ihre Produkte nicht profitabel bleiben würden, wenn die Weltöffentlichkeit einmal die Risiken verstanden hätte – so sehr, dass sie die gleichen Berater nutzten, um Kommunikationsstrategien für den Umgang mit der Öffentlichkeit – d.h. deren Täuschung und Irreführung – zu entwickeln.

Experten zeigen sich jedoch nicht sonderlich überrascht. „Bei weitem war es noch nie plausibel, dass sie die Wissenschaft nicht verstehen sollten“, sagt Naomi Oreskes, Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Harvard University. Aber wie sich herausstellt, hat Exxon eben nicht die Wissenschaft nicht verstanden, sondern das Unternehmen hat sich aktiv mit ihr beschäftigt. In den 70er und 80er Jahren beauftragte es Top-Wissenschaftler, um die Angelegenheit zu prüfen und startete ein eigenes ehrgeiziges Forschungsprogramm, das empirisch Kohlendioxid untersuchte und rigorose Klimamodelle konstruierte. Exxon selbst gab mehr als eine Million Dollar für ein Tankerprojekt aus, das herausbringen sollte, wie viel CO2 von den Ozeanen absorbiert wird. Das war eine der größten wissenschaftlichen Fragen der Zeit, was bedeutet, das Exxon wirklich beispiellose Forschungsvorhaben zum Thema unternahm. (Mehr auf scientificamerican.com)

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