Dänemark: Eine Energiewende für Strom, Wärme und Verkehr

Kontinuität bei der Umsetzung

Im Herbst 2011 ging die damals neu gewählte sozialdemokratische Regierung noch einen Schritt weiter als in der erst einige Monate zuvor verabschiedeten Energiestrategie 2050; sie legte konkrete Zwischenziele auf dem Weg zur Komplettumstellung fest: Bis 2035 sollten der Strom- und Wärmesektor zu hundert Prozent „erneuerbar“ sein. Überdies wurde von der Regierung der Ausstieg aus der Kohle bis 2030 beschlossen.

Wärmewende in Gang

Die Umsetzung der Wärmewende ist bereits voll im Gang: Seit 2013 dürfen in neuen Gebäuden keine Öl- und Gasheizungen installiert werden, von 2016 an sind neue Ölheizungen auch in Bestandsgebäuden verboten, sofern sie an das Fernwärme- oder Erdgasnetz angeschlossen werden können. Diese Maßnahme ist Teil der Energievereinbarung von 2012, der „Energiaftale 2012“. Dabei handelt es sich um einen Konsens, der parteiübergreifend mitgetragen wird.

Solche Energievereinbarungen sind ein wichtiges In­strument der dänischen Energiepolitik: Sie ermöglichen Kontinuität und stabile Rahmenbedingungen auch bei Regierungswechseln – wichtig in einem Land, in dem Minderheitsregierungen eher die Regel sind. Die Energievereinbarung von 2012 enthält neben den Beschlüssen zur Wärme auch Initiativen zum Ausbau der Windenergie, die Entwicklung einer Smart-Grid-Strategie und eines Smart-Meter-Rollouts – alle Maßnahmen sollen bis 2020 umgesetzt werden.

Auch die Energiebranche selbst arbeitet an Lösungen für die dänische Energiewende. Ähnlich wie in Deutschland stellt sich die Frage nach einem neuen Modell für den Strommarkt. Ein Mehr an Einspeisung von Windstrom lässt hier wie dort die Börsenstrompreise sinken. Das wiederum macht es unattraktiver, in neue Erzeugungsanlagen zu investieren.

Wie muss unter solchen Voraussetzungen der Strommarkt umgestaltet werden, damit mehr flexible Erzeuger und Stromabnehmer ins System kommen, während gleichzeitig stets genügend installierte Erzeugungsleistung bereitsteht? Um Antworten darauf zu finden, hat der dänische Übertragungsnetzbetreiber Energinet.dk einen Prozess ins Leben gerufen, in dem sich die Akteure aus dem Strom- und Wärmesektor gemeinsam mit dem neuen Marktdesign „Markedsmodel 2.0“ beschäftigen. Solche partizipativen Prozesse sind typisch für Dänemark. So hat die Energiebranche 2014 gemeinsame Nachhaltigkeitskriterien für Biomasse an den dänischen Energieminister überreicht.

Bürgerbeteiligung gesetzlich verankert

Die Beteiligung von Bürgern ist bei Windprojekten sogar gesetzlich verankert: Bei Projekten an Land müssen die Entwickler 20 Prozent der Projektanteile an Bürger, die im Umkreis von 4,5 Kilometern der neuen Windanlage wohnen, anbieten. Das Gleiche gilt für Nearshore-Windparkprojekte vor der Küste.

Von zentralen Kohlekraftwerken zu Kraft-Wärme-Kopplung und viel Wind

Noch zu Beginn der 80er Jahre war die dänische Stromversorgung von einem konventionellen Kraftwerkspark auf Kohlebasis geprägt. Über die Jahre wurden zunehmend dezentrale, teils gas- und abfallbetriebene Kraft-Wärme-Kopplungs- und Windenergieanlagen installiert. Dafür wurden finanzielle beziehungsweise  steuerliche Anreize gesetzt, was zugleich zu einer verteilten Struktur der Stromerzeugung geführt hat. So speisen die meisten Kraftwerke inzwischen Wärme in Fernwärmesysteme ein. Entsprechend eng ist die Verschränkung von Strom- und Wärmesektor. Zudem spielt die Fernwärme eine große Rolle: Ungefähr 60 Prozent der Haushalte beziehen ihre Wärme über das Fernwärmenetz. Die Umstellung der zentralen und dezentralen Kraftwerke auf Erneuerbare Energien bedeutet,  dass dort anstelle von Öl, Gas und Kohle künftig Biomasse verfeuert wird – vor allem Holzhackschnitzel, Holz- und Strohpellets. Etwa ein Drittel davon importiert Dänemark.

Bei weiter zunehmenden Anteilen von Windstrom ergibt sich ein interessantes Zusammenspiel von Strom- und Wärmesektor – eines, das  gleichermaßen Chance wie Herausforderung ist. Hierbei geht es insbesondere um die Flexibilisierung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). In Stunden hoher Windstromeinspeisung ist es für das Stromsystem nachteilig, wenn KWK-Anlagen ­aufgrund einer Anforderung zur Wärmelieferung weiterhin Strom produzieren, anstatt aufgrund der niedrigen Strompreise abzuschalten und die Wärmeproduktion einfachen Heizkesseln zu überlassen.

In Deutschland geschieht das bis heute nicht, doch die Dänen reagierten bereits 2005 und setzten Anreize für mehr Flexibilität in der Fahrweise von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Seitdem müssen alle dezentralen KWK-Anlagen mit einer Leistung von mehr als fünf Megawatt ihre Stromproduktion zu Marktpreisen verkaufen. Als Absicherung erhalten diese Anlagen eine Förderung  ungeachtet der von ihnen erzeugten Strommenge. Größere KWK-Anlagen erhalten sogar gar keine Förderung mehr. Und schließlich wurde ein steuerlicher Anreiz für die Nutzung von Elektrokesseln eingeführt, wenn diese stromnetzoptimierend betrieben werden.

Inzwischen produzieren die derart flexibilisierten Heizkraftwerke in Stunden mit niedrigen oder negativen Strompreisen nur noch Wärme über konventionelle Kessel oder nutzen die günstigen Strompreise sogar zur Wärmeerzeugung in Elektrokesseln. Sobald die Strompreise wieder ansteigen – das geht in der Regel mit weniger Windstromeinspeisung einher – produzieren die Anlagen wieder Strom und die Kesselanlagen werden abgeschaltet.

In Zukunft werden Elektrokessel und auch Wärmepumpen in Haushalten und Fernwärmenetzen eine immer größere Rolle zur Integration von Windenergie spielen. Als Vorreiter kann Dänemark hier beispielgebend für viele andere Länder sein. Denn angesichts der europäischen Klima- und Energieziele wird die sektorenübergreifende Energienutzung auch anderswo immer häufiger auf der Tagesordnung stehen – genauso wie integrierte Ansätze zur Flexibilisierung des Gesamtsystems.

Folgt: Integration der Windenergie und Stromaustausch mit den Nachbarländern