Carbon2Chem – von CCS zu CCU

Robert Schlögl im Solarify-Selbst-Gespräch
„Ich möchte einen Beitrag leisten, dass wir über die Energiewende nicht immer nur reden, sondern endlich etwas tun.“

Freut sich über Carbon2Chem-Start – Robert Schlögl – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (MPI CEC) in Mülheim an der Ruhr hat am 27.06.2016 im Landschaftspark Duisburg-Nord gemeinsam mit dem BMBF, der Thyssen AG und 16 weiteren Partnern ein Projekt eingeweiht, das einen entscheidenden Schritt von der umstrittenen CCS (Carbon Capture and Storage) hin zur CCU (Carbon Capture and Utilization, bzw. Use) unternimmt. Robert Schlögl, Gründungs-Direktor am MPI CEC und Direktor Anorganische Chemie am Fritz-Haber Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin, erklärt im Solarify-Selbst-Gespräch, was es mit „Carbon2Chem“ (=“Carbon to Chem“) auf sich hat, und warum er das macht.

Also, wenn Sie mich fragen… warum Carbon2Chem?

Wir haben uns lange überlegt, wie können wir CO2 als Rohstoff einsetzen und es nicht einfach in die Luft blasen oder als Abfall behandeln? Ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft wollen wir die Natur nachahmen – denn die kennt ja auch keinen Abfall, sie verwendet alles wieder. Es ist Zeit, aus dem umstrittenen CCS, also der Verpressung von Kohlendioxid in unterirdischen Kavernen (das ja auch in der Bevölkerung auf Ablehnung stößt) überzugehen zu CCU. Wir wollen weltweit zum ersten Mal im industriellen Maßstab beweisen, dass man CO2 aus einem Stahlwerk nutzbar machen kann, indem wir den Kohlendioxid-Kreislauf schließen. Das geschieht in der Natur durch die Photosynthese, in der CO2 in Zucker umgewandelt wird. Diesen Prozess bauen wir jetzt anorganisch chemisch nach. Wir überführen CO2 aus der Stahlherstellung und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen in eine Palette von Kraftstoffen und Chemikalien – bilden daraus aber nicht Zucker, sondern Methanol. Auf diese Weise wollen wir Hüttengas, also die Abgase von Hochöfen, in Vorläufer für Kraftstoffe, Kunststoffe oder Dünger umwandeln.

Carbon2Chem zielt auf den Transfer grundsätzlich bekannter chemischer Technologien in einen Verbund zur chemischen Energieumwandlung. Dadurch wird in den Anwendungsbereichen dieser Produkte fossiles CO2 eingespart. Zudem wird eine nennenswerte elektrische Last zur Regelung von erneuerbarer, elektrischer Energie geschaffen. Das Projekt widmet sich besonders der Entwicklung des Gesamtsystems aus Stahlwerk, elektrischer Energieerzeugung und chemischer Energieumwandlung.

Warum Hochöfen und nicht Kohlekraftwerke – und wo liegen die Schwierigkeiten?

Kohlekraftwerke werden im Zuge der Energiewende vielleicht irgendwann abgeschaltet. Zur Stahlproduktion braucht es aber Kohle – weltweit stammen sieben Prozent der CO2-Emissionen aus Stahlwerken. Wenn die nun alle mit dem Carbon2Chem-Prozess arbeiten würden, könnte man schon halb so viel CO2 einsparen, wie die gesamte EU ausstößt.

Das System besteht zwar aus Prozessen, die wir alle kennen, aber im Zusammenwirken ergeben sich enorme Herausforderungen für jeden einzelnen Schritt, weil der Gasstrom variiert und erneuerbare Energien nicht permanent zur Verfügung stehen, das Ganze aber immer funktionieren muss. Wir reden hier allein bei Carbon2Chem von 20 Millionen Tonnen CO2. Deshalb müssen alle einzelnen Schritte darauf überprüft werden, ob sie für einen zeitlich variablen Betrieb in dieser Größenordnung geeignet sind. Und wenn das geschehen ist, haben wir noch eine übergeordnete Herausforderung – die Kosten: Denn das Ganze muss am Ende ohne Zuwendungen etwa aus Steuermitteln gehen. Das gibt uns einen starken Deckel und kann darunter nur funktionieren, wenn alle Einzelschritte optimiert sind. Wir sind im Moment noch weit weg vom Optimum – die Projektförderung durch den Bund ermöglicht aber nun die entscheidenden Schritte dorthin.

Welche Rolle spielt dabei die Max-Planck-Gesellschaft, bzw. die Grundlagenforschung?

Das MPI CEC verantwortet Echtzeitanalyse und Langzeitbeobachtung der molekularen und partikulären Spurenkomponenten des Einsatzgases. Wir müssen herausfinden, wo das Optimum für den Prozess liegt. Dafür werden wir zunächst die Risiken aufzeigen und in allen Schritten nach verborgenen Schwierigkeiten und entsprechenden Lösungen suchen. Wir sind zum Beispiel für die Gasreinigung zuständig: Ein wesentliches Problem solcher Prozesse besteht darin, dass Hüttengas alle möglichen unbrauchbaren  Substanzen enthält, nämlich etwa 500 Spurenkomponenten, deren Zusammensetzung sich zudem laufend ändert. Dazu wurde ein mobiler Messcontainer mit modernsten analytischen Instrumenten und einem Transfersystem für die Hüttengase entwickelt. Vor Ort können damit zusätzliche Komponenten der Gasaufbereitung und der katalytischen Folgeprozesse unter analytischer Beobachtung in Echtzeit getestet werden. Zudem müssen wir jetzt völlig neuartige Spektrometer entwickeln, um die Spurenkomponenten zu identifizieren, aber nicht direkt am Hochofen, weil das gefährlich wäre. Deshalb wollen wir das Hüttengas synthetisch nachbauen. Um zu berücksichtigen, wie die einzelnen Komponenten untereinander reagieren, werden wir ein zentrales Labor einrichten, in dem wir realitätsnah komplexe Gasgemische mit schwankender Zusammensetzung erzeugen können, die allen Partnern zur Verfügung stehen werden. Dieses „PLANCK-Labor“ genannte Wunderwerk der Technik wird eine ganze Halle füllen. Dann werden wir nach Möglichkeiten suchen, die Verbrennungsgase effektiv zu reinigen.

Folgt: Stichwort Methanol-Synthese – warum ist das der „Technologie-Brüller“?