Wie gelingt das Gemeinschaftswerk?

Die Energiewende gemeinsam gestalten – aber wie? Diskussionsforum des Akademienprojekts ESYS

2011 bezeichnete die Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ die Energiewende als „Gemeinschaftswerk“, seitdem hat sich der Begriff in diesem Zusammenhang eingebürgert – doch die Gemeinschaft hat noch viel zu tun. Mindestens 80 Prozent weniger CO2-Ausstoß gegenüber 1990, 60 Prozent Erneuerbare am Energiebedarf, Halbierung des Energieverbrauchs gegenüber 2008: Um diese Ziele bis zum Jahr 2050 zu erreichen, müssen alle gesellschaftlichen Gruppen einen Beitrag leisten. Damit beschäftigte sich die zweitägige Jahresveranstaltung des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS – s. auch: solarify.eu/esys).

esys-jahresveranstaltung-2016-in-der-berliner-leibniz-niederlassung-foto-gerhard-hofmann-agentur-zukunft-fuer-solarifyAuch die Bürgerinnen und Bürger sind gefordert, damit etwa der Netzausbau vorankommt und mehr Gebäude gedämmt werden. Doch wo fördert Mitsprache die Akzeptanz, wo behindert sie die Entscheidungsfindung? Was hilft den Verbrauchern beim Energiesparen, welche Maßnahmen bevormunden sie? Was kann die Wissenschaft beitragen, wen kann sie einbinden? Diesen Fragen widmete sich das Diskussionsforum „Energie.System.Wende.“ der ESYS-Jahresveranstaltung am 29. und 30.09.2016 in Berlin.

Erste Fragerunde: Schlögl-Hatt

Moderator Jörg Thadeusz befragte zu Beginn den Direktoriumsvorsitzenden von ESYS II, Robert Schlögl (Max-Planck-Gesellschaft, Foto, re.) und Hanns Hatt, Präsident der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Auf Thadeusz‘ launige Provokation: Akademien – bedeute das nicht Gelehrtentum, „aber Geschwindigkeit, das können die nicht“? widersprach Hatt, gerade das Beispiel ESYS belege das Gegenteil, der gemeinsame Ausschuss für Politik- und Gesellschaftsberatung, dort müssten alle zusammen arbeiten: „Jeweils drei Leute; die machen solche Projekte wie hier, ESYS“. Nachfrage Thaddeusz: „…weil das meiste Geld da ist. oder weil der größte Druck ausgeübt wird?“ Hatt: „Von beidem ein bisschen. Die Energiesysteme nehmen schon eine zentrale Position ein, auch vom Geld her“.

Schlögl, von Thadeusz gefragt, ob sein Eindruck zutreffe, die Energiewende könnte „schief gehen, wenn wir uns nicht anstrengen“, meinte, er sei „nicht negativ eingestellt, aber das Energiesystem ändert sich ständig. Es wurde ein Impuls gesetzt, das ist, wie wenn man am Steuerrad dreht, und der Dampfer fährt woanders hin, sie wissen aber nicht wohin – jetzt müssen wir das Ziel klären.“ Ob das denn schwer sei? Schlögl: „Wollen Sie eine ehrliche oder eine politische Antwort? Die politische: Es ist die Aufgabe von Akademien, interdisziplinär Erkenntnisse zu fördern, wir haben inzwischen gelernt, aufeinander zuzugehen, heute sind wir viel weiter und offen… – die ehrliche Antwort: Manchmal ist es schon schwer…“ ESYS berate die Politik, und Politikberater sei ein schwerer Job – ob er, Schlögl, denn beleidigt sei, wenn sein Rat nicht befolgt werde? Die Vorstellung, die Energiewende muss dahin oder dorthin gehen sei falsch, dafür sei das Problem zu komplex. Es sei „ein Verhandlungsprozess, alle wissen, worauf sie sich einstellen“. Besser sei immer, drei Möglichkeiten anzubieten, „und die haben dann folgende Konsequenzen…; es ist aber schlecht, wenn die Politik das einfach alles in den Müll wirft; aber die Politik hört schon ein bisschen zu“. Schlögl wünscht sich, dass alle motiviert mitarbeiten; von Seiten der Beratungsempfänger wünscht er sich „etwas mehr Zeit – ich bin aber eigentlich zufrieden.“ Der gebürtige Allgäuer Hatt zitiert einen alten bayerischen Spruch: „Wer zahlt schafft an. Das aber soll bei diesem Prozess nicht so sein; er ist offen, frei und unabhängig. Das Ergebnis könnte vielleicht gar nicht so opportun für die Politik sein.“

Folgt:  Bürger mitnehmen – Dialogprozess