AKW Fessenheim vor Stilllegung

Kretschmann in Paris: Atomkraftwerk geht bald vom Netz – Greenpeace: 32 französische Reaktoren mit Mängeln

Das umstrittene französische Atomkraftwerk Fessenheim am Rhein an der Grenze zu Baden-Württemberg wird nach den Worten des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Medienberichten folgend) stillgelegt. Greenpeace teilte unterdessen mit, in 32 französischen Atomreaktoren drohe ein massiver Störfall – verantwortlich seien fehlerhafte Bauteile aus dem Stahlwerk Creusot Forge. Das gelte auch für die Reaktoren in Fessenheim und Cattenom.

Für den Ausstieg gebe es aber noch keinen festen Termin, sagte Kretschmann laut Südkurier nach einem Treffen mit der französischen Umweltministerin Ségolène Royal der Deutschen Presse-Agentur am 29.09.2016 in Paris. „Jedenfalls ist klar, dieses Atomkraftwerk wird stillgelegt“, sei Kretschmanns Resümee gewesen. Über die Sicherheit des ältesten noch laufenden AKW Frankreichs im Elsass wird seit langem gestritten. Zuletzt war 2018 als Termin für die Schließung genannt worden. Dieser hängt laut Kretschmann damit zusammen, wann der neue Druckwasserreaktor in Flamanville am Ärmelkanal ans Netz gehe. Umweltminister Untersteller rechnet für Dezember mit dem Antrag auf Stilllegung Fessenheims. Royal habe signalisiert, dass Fessenheim auch vor der – etwa 2018 erwarteten – Inbetriebnahme von Flamanville stillgelegt werden könnte.

Greenpeace: 32 französischen AKW droht akuter Störfall

AKW Cruas mit spielendem Kind auf dem Kühlturm, Rhone - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftDie Umweltorganisation Greenpeace teilte mit, in 55 Prozent aller französischen Atomreaktoren drohe ein massiver Störfall – verursacht durch fehlerhafte Bauteile aus der Stahlschmiede Creusot Forge. Das gelte auch für die Reaktoren in Fessenheim und Cattenom unweit der deutschen Grenze. Der französische Atomkonzern Areva hatte Unregelmäßigkeiten in Unterlagen zu Hunderten Bauteilen entdeckt, die zum Teil in Atomkraftwerken verbaut sind. Dabei geht es um Dokumente zu etwa 400 Teilen, die seit 1965 im Schmiedewerk Creusot Forge hergestellt wurden (s.a. solarify.eu/751-erneut-unregelmaessigkeit-in-akw-fessenheim).

Ein aktuelles Gutachten des Londoner Ingenieurbüros John Large im Auftrag von Greenpeace kommt zu dem Ergebnis, dass insgesamt 107 Bauteile an 14 französischen AKW-Standorten gravierende Probleme mit mangelhaftem Stahl aufweisen. „Die französische Atomaufsicht muss sofort handeln und die betroffenen Meiler vom Netz nehmen“, sagt Greenpeace-Atomexpertin Susanne Neubronner. „Frankreichs AKW sind eine akute Gefahr für Millionen Europäer.“

Large hat eine umfassende Dokumentation der französischen Atomaufsicht ASN ausgewertet. Sie beschreibt Mängel an Dampferzeugern und anderen AKW-Bauteilen aus der Stahlschmiede Creusot Forge des französischen Areva-Konzerns. Der verwendete Stahl weist eine zu hohe Kohlenstoffkonzentration auf, die bei starker Beanspruchung zu einem Bersten des Materials führen kann. Diese Kohlenstoff-Anomalien an den Dampferzeugern sind bei 19 Reaktoren festgestellt worden. Das ist besonders riskant, denn auch nach Ansicht der französischen Sachverständigen-Organisation Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire (IRSN) kann das Versagen eines Dampferzeugers eine Kernschmelze verursachen. Derzeit sind lediglich vier Reaktoren wegen weiterer Untersuchungen vom Netz, darunter Fessenheim. Die restlichen 15 AKW laufen ungedrosselt weiter.

Fehlerhafte Bauteile müssen umgehend ausgetauscht werden

Erstmals wurden beim AKW-Neubau in Flamanville im Jahr 2014 Mängel am verbauten Stahl des Reaktordruckbehälters festgestellt. Daraufhin veranlasste die ASN weitere Untersuchungen, die enthüllten, dass hunderte Produktionsunterlagen für Bauteile der Stahlschmiede Creusot Forge unvollständig und fehlerhaft waren. Kontrollen der betreffenden Bauteile deckten die normwidrigen Anormalitäten des Stahls auf.

AKW Tricastin an der Rhone, Frankreich - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft -20150711Der Large-Report kritisiert, dass die derzeitigen Untersuchungsmethoden von Areva und des AKW-Betreibers EdF bei weitem nicht ausreichen. Einzige Konsequenz müsse sein, so Large, die AKW stillzulegen und die betroffenen Bauteile umgehend auszubauen. Dies hätte jedoch zur Folge, dass mehr als die Hälfte aller französischen Atomreaktoren auf unbestimmte Zeit keinen Strom produzieren könnten. „Frankreich hat die Energiewende verschlafen, daher klammert sich der Staat an einen Weiterbetrieb seiner Atomkraftwerke um jeden Preis. Ein Preis, den die Menschen in benachbarten Ländern wie Deutschland nicht mehr bezahlen wollen“, sagt Neubronner.

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