Reaktionen auf Klimaschutzplan 2050

„Kleines Karo“

Klimaschutzplan 2050 - Beitrag UBA April 2016 - Titel © UBADas „Klimschutzplänchen“ der Bundesregierung stößt auf gemischte Echos. Den einen (DENEFF) fehlen Strategien, anderen erscheint das „Langfristziel für 2050 widersprüchlich“ (Germanwatch), wieder andere sehen Geschenke“ an Industrie und Kohle-Lobby (BUND) – der allgemeine Tenor ist „Mehr Schatten als Licht“ (WWF Deutschland) oder „Klimaschutz light“ (BEE). Viele bezweifeln, dass die Bundesregierung damit ihre CO2-Minderungsziele bis 2020 überhaupt erreicht. Solarify dokumentiert die Erklärungen.

Statement von BEE-Geschäftsführer Dr. Hermann Falk: „Die Einigung beim Klimaschutzplan 2050 ist ein spätes, aber wichtiges Signal für den internationalen Klimaschutz. Wir begrüßen, dass Bundesumweltministerin Hendricks nun mit einem nationalen Klimaschutzplan nach Marrakesch fährt. Die Beschlüsse beinhalten jedoch allenfalls einen Klimaschutz light. Für die Umsetzung des Weltklimavertrags von Paris kann der Plan nur ein erster Schritt sein. Positiv zu bewerten ist, dass der Plan konkrete Ziele für die einzelnen Sektoren festschreibt. Diese sind jedoch bei weitem noch nicht ambitioniert genug, um unsere verbindlichen Klimaschutzziele zu erreichen.“

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kommentiert die Einigung zum Klimaschutzplan 2050 und dessen finale Inhalte: Nachdem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Dienstagabend (8.11.2016) in letzter Minute sein Veto gegen die Verabschiedung des Klimaschutzplans 2050 eingelegt hat, erfolgt nun eine Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Die Treibhausgasziele für die einzelnen Sektoren entsprechen nicht deren wirtschaftlichem Potenzial. Sie sind, vor allem für die Bereiche Verkehr und Energieeffizienz, nicht mit wirksamen Maßnahmen hinterlegt. Die Sektoren Industrie, Energie und Landwirtschaft konnten zudem weitere Reduzierungen ihrer Verpflichtungen zur [[CO2]]-Minderung erreichen.“

Aus der Kommission, die in Vorab-Versionen des Klimaschutzplans unter anderem noch die „Vollendung der Energiewende“ im Namen hatte, ist eine „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung“ geworden. Sie wird beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt sein und arbeitet unter Einbindung weiterer Ressorts, sowie von Ländern, Kommunen, Gewerkschaften, betroffenen Unternehmen und Branchen sowie regionalen Akteure. Sie soll bis Ende 2018 einen Instrumentenmix erarbeiten, „der wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel, Sozialverträglichkeit und Klimaschutz zusammenbringt“. Die DUH fordert zusätzlich die Einbindung der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, der Vertreter von Zukunftstechnologien und von Umweltverbänden. Die Kommission sollte außerdem beim, für den Klimaschutz zuständigen Ministerium, dem Bundesumweltministerium angesiedelt sein und sich inhaltlich klar an den Zielen des Klimaschutzes orientieren. Vor allem: das zentrale Thema der Zukunft der Kohle darf nicht ausgeklammert, sondern muss mit der klaren Zielsetzung, die Kohleverstromung auslaufen zu lassen, einbezogen werden. Insgesamt hält die DUH den Klimaschutzplan in seiner jetzigen Fassung für absolut unzureichend, da in allen Bereichen überzeugende Maßnahmen zur [[CO2]]-Reduktion und Energieeffizienz fehlen. Die betrifft vor allem die Sektoren Verkehr und Wärme.“

BUND: „‚Kleines Karo‘ statt Fahrplan für Klimaschutz“

Der heute vereinbarte Klimaschutzplan 2050 ist für Hubert Weiger, den Vorsitzenden des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), „Klimaschutz von Gnaden der Industrie und Kohle-Lobby“. Diese hätten sich in den letzten Stunden noch zahlreiche Geschenke hineinverhandelt. „Die Bundesregierung hat ganz kleines Karo geliefert anstatt des notwendigen Fahrplans zur Umsetzung des Pariser Klima-Abkommens“, sagte Weiger. Zwar sei die Bundesregierung noch knapp an einer Totalblamage vorbeigeschrammt, die anvisierten Klimaziele seien jedoch „viel zu schwach und nicht mit ausreichend wirksamen Maßnahmen unterlegt“.

„Das groteske Geschacher des Wirtschaftsministers und der Union um den Klimaschutzplan 2050 hat dem Ziel eines effektiven Klimaschutzes schwer geschadet. Gemessen an den Verpflichtungen von Paris ist der Klimaschutzplan nicht der notwendige Schritt nach vorn. Damit wird Barbara Hendricks in Marrakesch in Erklärungsnot geraten. Leider nahmen es Minister Gabriel und die Unionsfraktion in Kauf, alle relevanten Ziele und Maßnahmen zu verwässern“, sagte Weiger.

Die Klimaziele für die Industrie seien um vier Prozentpunkte abgeschwächt worden, auch der Energiesektor müsse weniger leisten als in früheren Versionen vorgesehen. „Das sind schwache Vorzeichen für die nun erst ab 2018 geplante Kommission zum Energiesektor. Eine Kommission, die über alles Mögliche verhandelt, nur nicht über den Kohle-Ausstieg, wäre reine Zeitverschwendung. Die Sektorziele zeigen aber, am Kohleausstieg geht kein Weg mehr vorbei“, so Weiger. Prioritär müssten die Erneuerbaren Energien stärker ausgebaut werden, sonst würden die Klimaziele nicht erreicht. Energieeffizienz brauche weiterhin klare Ziele und konkrete Maßnahmen. „Der Klimaschutzplan 2050 bleibt energiepolitisch weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Das Nachschärfen der Ziele ist oberste Pflicht einer neuen Bundesregierung. Die nächste Bundesregierung muss zuerst das Ende der Kohle einleiten, sozial verträglich, aber konsequent“, sagte der BUND-Vorsitzende.

Sektorziele für den Verkehr und die Landwirtschaft seien zwar ein Anfang, sie müssten aber rasch mit Maßnahmen unterlegt werden. Bei der Landwirtschaft habe sich Agrarminister Christian Schmidt leider für den größtmöglichen Stillstand eingesetzt. Weiger: „Ein Weiter-So beim Klimaschutz in der Landwirtschaft geht überhaupt nicht. Minister Schmidt muss endlich seinen Kopf aus dem Sand ziehen und wirksame Maßnahmen für mehr Klimaschutz auflegen. Dringend erforderlich sind die deutliche Reduzierung der Tierbestände, das Ende der Überdüngung und 20 Prozent Ökolandbau bis zum Jahr 2030.“

Die Minderungsstrategie im Verkehr setze zu sehr auf die Beibehaltung alter Mobilitätsformen mit neuen Antrieben, statt konsequent eine echte Verkehrswende einzuleiten: „Bis heute wurde im Verkehrsbereich noch kein Treibhausgas eingespart, im Flugverkehr wachsen die Mengen schädlicher Klimagase weiterhin enorm an. Um gegenzusteuern hätte die Bundesregierung noch viel deutlicher auf alternative Mobilität setzen müssen. Mit einem Minderungsziel von 40 Prozent CO2 bis 2030 kommt zwar endlich auch dem Verkehrssektor eine angemessene klimapolitische Gewichtung zu, der Weg zu einer nahezu vollständig dekarbonisierten Mobilität ist aber noch weit und muss auch den Schiffs- und Flugverkehr mit strengen Klimazielen in die Pflicht nehmen“, so der BUND-Vorsitzende.

„Jetzt geht es darum, aus dieser schwachen Klimaplanung spätestens nach der Bundestagswahl 2017 einen tatsächlich wirksamen und lebendigen Fahrplan zur Dekarbonisierung der Wirtschaft bis Mitte dieses Jahrhunderts zu machen“, sagte Weiger.

Germanwatch: Große Blamage für Deutschland gerade noch abgewendet – Nächste Bundesregierung muss dringend nachbessern

Ein ambivalentes Urteil fällt Germanwatch über den heute gefundenen Kompromiss zum Klimaschutzplan 2050. Eine große Blamage Deutschlands beim Klimagipfel in Marrakesch und zur im Dezember beginnenden G20-Präsidentschaft konnte aus Sicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation gerade noch abgewendet werden, aber der Plan sei insgesamt zu wenig ambitioniert. Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: „Leider ist dieser Klimaschutzplan so nicht geeignet, die Klimaziele des Paris-Abkommens in Deutschland umzusetzen. Immerhin steht Deutschland nun aber nicht völlig als Kaiser ohne Kleider da. Die Bundesregierung sollte während ihrer G20-Präsidentschaft ab Dezember die anderen G20-Staaten auffordern, bis 2018 ambitionierte Klimaschutzpläne vorzulegen. Dies wäre ohne einen eigenen Plan schwierig.“ Konkret kritisiert Germanwatch, dass das gesetzte Langfristziel für 2050 widersprüchlich ist. Einerseits wird mit gutem Grund für die EU ein Emissionsziel von 95 Prozent unter dem Niveau von 1990 verlangt. Für Deutschland aber, das wegen seiner überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Emissionen und der starken Wirtschaftskraft ambitionierter vorgehen müsste, deutet man nur in der Präambel die Bereitschaft an, über die alte Bandbreite von 80 bis 95 Prozent hinauszugehen. Bals: „Das ist unehrlich und stärkt die Illusion bei manchen CO2-Emittenten, dass sie im Großen und Ganzen so weitermachen können wie bisher.“

Der größte Fortschritt des Klimaschutzplans sind aus Sicht von Germanwatch die darin enthaltenen Sektorziele. Sie sorgen für Planungssicherheit etwa für die Industrie sowie den Wärme- und Landwirtschaftssektor. Sie zwingen auch bisherige Problembereiche wie den Verkehrssektor zu eigenen Dekarbonisierungsstrategien.

Aus Sicht von Germanwatch bleibt aber eine der größten Leerstellen des Plans, dass der notwendige Kohleausstieg nicht konkret benannt wird. „Der Klimaschutzplan handelt auch vom Kohleausstieg, nennt ihn aber nicht beim Namen. Ein konsequenter Ausstiegspfad, der den Aufbau neuer Perspektiven für Beschäftigte und betroffene Regionen ermöglichen würde, wird verweigert. Dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel noch in letzter Minute weitere Verwässerungen durchgesetzt hat und noch weitere einbringen wollte, macht deutlich, welch destrukiven Einfluss die Kohlelobby in Deutschland und in Teilen der SPD noch hat“, so Bals.

Germanwatch fordert die Parteien auf, die dringend nötige Nachbesserung des Klimaschutzplans im Rahmen eines Klimaschutzgesetzes zur Aufgabe der nächsten Bundesregierung zu machen. „Wir werden die Parteien daran messen, ob das in ihren Wahlprogrammen auftaucht“, sagt Christoph Bals.

Mehr Schatten als Licht

Regine Günther, Generaldirektorin Politik und Klimaschutz beim WWF Deutschland: „Der jetzige Klimaschutzplan ist lediglich ein Fragment dessen, was im Klimaschutz wirklich benötigt wird. Der einzige Punkt auf der Haben-Seite: Die verschiedenen Sektoren erhalten nun konkrete Minderungsziele. Dies begrüßt der WWF. Die Soll-Seite ist aber deutlich länger.  So gibt es keine adäquaten Maßnahmen, um diese Sektorenziele zu erreichen. Auch beim Thema Kohle – eine Leerstelle.  Von einem dringend notwendigen Verbot von Tagebauerweiterungen ist in dem Klimaschutzplan nun nichts mehr zu lesen. Die Kohlekommission soll erst nach der nächsten Wahl 2018 starten. Daneben fehlt ein Mindestpreis für CO2 in dem Kompromisspapier wieder vollständig. Mit diesem Paket haben die Industrie- und Energielobbyisten deutlich machen können, wie stark sie mittlerweile im Wirtschaftsministerium verankert sind. Mit solch einem Plan kann kein anspruchsvoller Klimaschutz betrieben werden.“

DENEFF: Klimaschutzplan setzt auf Energieeffizienz – Strategien fehlen aber

Heute hat die Bundesregierung eine Einigung zum Klimaschutzplan 2050 verkündet. Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF) begrüßt die Einigung als wichtiges Signal zur derzeitigen internationalen Klimakonferenz in Marrakesch. Vorausgesetzt, die Formulierungen zur Energieeffizienz aus der letzte Woche bekanntgewordenen Fassung sind beibehalten worden, schließt sich der Klimaschutzplan dem Bestreben von Bundeswirtschaftsministerium und EU-Kommission an, Energieeffizienz zur energiepolitischen Priorität („efficiency first“) zu machen. Gleichzeitig, bedauert die DENEFF, seien Passagen zu konkreten Strategien und Maßnahmen ersatzlos gestrichen worden. Der geschäftsführende Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V (DENEFF) Christian Noll:

„Der größte Beitrag zur Dekarbonisierung des Energiesektors muss durch Effizienz geleistet werden. Nur wenn wir den Energieverbrauch bis 2050 halbieren, kann unser zukünftiger Energiebedarf nachhaltig, sicher und bezahlbar bedient werden. Mit dem Klimaschutzplan erkennt die Bundesregierung das an. ‚Efficiency First‘ darf aber nicht zur Phrase verkommen. Nach der Verabschiedung müssen konkrete Strategien und Schritte gefasst werden. Nur dann lässt sich etwas mehr Zeit für die Beantwortung schwieriger Fragen wie des Kohleausstiegs gewinnen.“

Bislang sind die konkreten Umsetzungspläne aus Sicht der DENEFF noch „mehr als schwammig“ oder wurden von Entwurf zu Entwurf allgemeiner gefasst. Zuletzt sei der Abschnitt „Entwicklung einer ambitionierten Energieeffizienzstrategie der Bundesregierung“ komplett gestrichen worden, inklusive der Fortschreibung des erst 2014 eingeführten Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz (NAPE) nach 2020. Ebenso gestrichen wurde die Fortsetzung der verbindlichen Maßnahmen der EU-Energieeffizienzrichtlinie, welche in vielen Mitgliedstaaten erst ernsthafte, gemeinsame Energiesparbestrebungen ausgelöst habe, so die DENEFF. Die Einigung der Bundesregierung, sich in Brüssel für ein verbindliches Energieeffizienzziel für 2030 einzusetzen, sei zu loben, ohne konkrete Politiken für effiziente Energieerzeugung, Verteilung und Nutzung jedoch nur begrenzt wirkungsvoll. „Wenn konkrete Strategien für Industrie-, Gebäude- und Verkehrssektor nicht einmal beabsichtigt werden, kann keinerlei Planungssicherheit am Markt entstehen und rücken die Ziele trotz bester Absichten in weite Ferne,“ mahnt Noll. Von Anfang an gefehlt haben außerdem Impulse für die nötige, deutliche Erhöhung der Gebäude-Sanierungsrate. Klare Aussagen zur Weiterentwicklung von Neubauanforderungen wurden erneut vertagt, so der Verband.

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