Kohleblase bedroht Kapitalmärkte

Investitionsrisiko: Abwertungen bis 50 Prozent möglich

Vermögensverwalter  warnen vor drohenden „gefährlichen Kurskorrekturen an den Aktienmärkten. Der Klimawandel birgt hohe Risiken“, schreibt Markus Frühauf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Und eine Studie der Forscher des Bad Homburger Vermögensverwalters Feri Cognitive Finance Institute und des World Wide Fund for Nature (WWF) unter dem Titel „Carbon Bubble und Dekarbonisierung – Unterschätzte Risiken für Investoren und Vermögensinhaber“ zeigt in der Tat: Anlagen von Firmen mit hohem C02-Ausstoß sind gefährlich.

Der Klimaschutz greife immer mehr in die Finanzmärkte ein: Der Umlauf von Öko-Anleihen („Green Bonds“) habe sich in den vergangenen drei Jahren auf 130 Milliarden Euro vervielfacht. Dennoch spiele der Klimawandel an den Finanzmärkten noch keine entscheidende Rolle. Mit dieser gefährlichen Unterbewertung der C02-bedingten Risiken haben sich Feri  und der WWF beschäftigt. In einer gemeinsamen Studie, die im Internet steht, warnen die Forscher von Feri und WWF vor einem erheblichen Disruptionspotenzial an den Kapitalmärkten.

Dekarbonisierung und Divestment

Ihr Fazit: „Deutsche Investoren unterschätzen das Risiko einer möglichen Carbon-Blase („Carbon Bubble“) für die Kapitalmärkte noch immer deutlich. Die Studie analysiert mögliche Auswirkungen der Dekarbonisierung im Energiebereich, also einer Abkehr von kohlenstoffhaltigen Energieträgern, auf die Kapitalmärkte sowie die daraus folgenden Risiken für Investoren.“

Frühauf: „Die Klimaschutzrisiken können eine sehr deutliche Kurskorrektur nach sich ziehen. Sollten die Klimaziele konsequent verfolgt werden, kann nach einer älteren Studie der Beratungsgesellschaft Mercer der Börsenwert der Öl- und Gasunternehmen bis zum Jahr 2050 um 1,4 Billionen Euro sinken“. Die Folge: Die Divestment-Bewegung wird massiv zunehmen.

Massive Überbewertung von Öl- und Gasreserven

„Industrien und Geschäftsmodelle, die auf fossilen Brennstoffen beruhen, sehen sich derzeit gravierenden Einschränkungen und schärferen Regulierungen durch die Politik ausgesetzt“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Gründer des FERI Cognitive Finance Institute und Initiator der Studie. Im Zuge der UN-Klimaziele veränderten sich Erfolgsaussichten und Risikoprofile von zahlreichen Branchen grundlegend. Speziell die Bewertungen von Öl- und Gasreserven, die sich auch in den Börsenkursen der Unternehmen widerspiegeln, seien vor diesem Hintergrund massiv überhöht. „Dieses Risiko einer Carbon Bubble wird vor allem von Investoren in Deutschland noch stark unterschätzt“, erläutert Rapp.

[note Irland schreibt Divestment vor
Das irische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, mit dem sich erstmals ein ganzer Staat dem Divestment fossiler Energieträger verschreibt: Der irische Staatsfonds versucht mit aktuell rund acht Milliarden Euro zwar, sein Geld so sicher und gewinnbringend wie möglich anzulegen. Die Parlamentarier haben den Fondsmanagern nun aber eine Einschränkung auferlegt: Investitionen in Kohle, Gas und andere klimaschädliche Projekte sind zukünftig nicht mehr erlaubt. Papiere aus diesem Bereich müssen logischerweise zügig verkauft werden.]

Aus dem Executive Summary

Zur Einhaltung des Unter-2 Grad-Limits (mit einer Wahrscheinlichkeit von auch nur 50%) müssen die C02-Emissionen bis 2050 weltweit mindestens halbiert werden. Die Unter-Zwei-Grad-Grenze  erfordere folglich umfassende Dekarbonisierungsprozesse ganzer Volkswirtschaften. Finanzakteure sollten die C02-bedingten Risiken bei ihren Bewertungen von Kapitalanlagen – vor allem die Beschränkungen zukünftig verbleibender Emissionsbudgets für kohlenstoffnahe Sektoren – nicht außer Acht lassen.

2.860 Gigatonnen C02 (Gt C02) sind in den heute bekannten globalen Brennstoffreserven enthalten, 1.41 Gt davon in den Bilanzen börsennotierter fossiler Brennstoffbranchen als Vermögenswerte. Das noch verbleibende Emissionsbudget beträgt ca. 900 Gt bis 2050, nur etwa 75 bleiben für die zweite Jahrhunderthälfte – bei einer Wahrscheinlichkeit von etwa 80%, die Erwärmung nicht über 2 Grad zu erhöhen, Analysen von Carbon Tracker Initiative (CTI) und des Grantham Institutes der London School of Economics folgend.)

Substanzielle „Carbon Risks“ (Kohlenstoffrisiken) für Kapitalanleger, die speziell anhand der Kategorien „Carbon Bubble“, „Stranded Assets“und „Transformationsrisiken“diskutiert werden:

  • Vor allem im fossilen Energiebereich könnten schon in naher Zukunft erhebliche Abwertungsrisiken drohen. Aber mittelbare Entwertungsrisiken betreffen über sogenannte Zweit- und Drittrundeneffekte auch weitere Branchen jenseits des fossilen Energiesektors. Diese erhöhen gegebenenfalls auch bisher nicht erfasste systemische Finanzmarktrisiken. Zwei Szenarien lassen in der Studie nennenswerte Portfolio-Risiken erkennen.
  • Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass Carbon Risks derzeit nur schwer punktgenau quantifizierbar sind und von zahlreichen – vor allem politischen (Trump-Wahl) – Imponderabilien abhängen, dementsprechend sind aus Portfolio-Sicht resultierende Risiken mit traditionellen Methoden nur ansatzweise zu erfassen oder gar zu managen. Carbon Risks sollten deshalb eher als Unsicherheiten aufgefasst werden, deren Charakter als Risiko sich aber jederzeit materialisieren kann. Durch die grundlegende Unsicherheit, sowie als Folge jederzeit möglicher Antizipationseffekte, bestehen auf absehbare Zeit latente, aber erhebliche Disruptionspotenziale an den Kapitalmärkten.
  • Die exakte Messung des klimabedingten Risikos auf Unternehmensebene steckt noch in den Kinderschuhen. Das „green/brown-share“-Verfahren sowie Szenarioanalysen sind der herkömmlichen Messung des C02-Footprints deutlich überlegen. Investoren können durch die Investmentansätze des Negativ- und Positivscreenings auf die Carbon Risks in ihren Portfolios reagieren. Dazu zählen primär Divestment oder Engagement-Strategien. Die Umsetzung entsprechender Investment-Strategien erfordert klare Ziele und ein planvolles Vorgehen. Ein zeitlich differenzierter Umsetzungsfahrplan ist zu empfehlen.
  • Der politische und regulatorische Kalender sollte bis auf Weiteres sehr eng beobachtet werden. Mögliche Maßnahmen zur Transparenz-Erhöhung können gleichbedeutend sein mit einer Materialisation bisher noch latenter Carbon Risks. Zum einen stehen durch die US-Präsidentschaftswahl die Ankündigungen im Raum, die internationalen Klimaschutzvereinbarungen nicht mit zu tragen. Andererseits erhöht eine solche ausbrechende Handlungslinie gerade die Risiken zukünftig strandender Investments, da diese über eine Wahlperiode von vier Jahren hinaus wirtschaftlich sein müssen.

->Quellen: