INSM mit neuer Kampagne gegen Energiewende

Fakt 8: „Der Netzausbau hinkt hinterher“
Richtig ist vielmehr: Zunächst stimmt die Feststellung zwar so, wie sie dasteht. Aber die INSM behauptet: „Schon heute kann Strom aus Sonne, Wind und Biomasse oft nicht ins Netz eingespeist werden, weil die Leitungen überlastet sind.“ Der Grund dafür (wie bei Fakt 7): Zu viel billiger Kohlestrom. Einer der Hauptgründe für den stockenden Netzausbau liegt in der Blockadehaltung Bayerns. Mit der jetzt möglichen Erdverkabelung könnte sich der Netzausbau bessern. Doch die Frage bleibt, wie viel wir davon überhaupt brauchen: Solange der Kohlestrom noch einen Löwenanteil am Mix hat, dient Leitungsausbau mehrheitlich der Vorbereitung von mehr Kohlestromeinspeisung und weniger dem Transport des Windstroms von Nord nach Süd. Erst nach dem dringend nötigen (sozial verträglichen) Kohleausstieg dient der Leitungsausbau nicht mehr der Kohle, sondern dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bundesnetzagentur und Netzbetreiber arbeiten nach dem Prinzip des „marktgetriebenen Kraftwerkseinsatzes“ mit der Grundfrage: Welche Kraftwerke haben die geringsten Grenzkosten (variable Kosten)? Wenn dafür neue Leitungen gebraucht werden, gehen die Kosten nicht in die Planung ein; diese zahlen die Verbraucher. Auf Wunsch der Netzbetreiber ist festgeschrieben worden, dass der Ausbau wirtschaftlich zumutbar sein muss. Das steht im Gegensatz zum gesetzlichen Einspeisevorrang. Der Stromexport hat sich im Vergleich zu 2011 vervierfacht. Ein Ziel der Energiewende – Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen durch  verminderten Einsatz fossil befeuerter Kraftwerke – wird damit allerdings konterkariert.

Fakt 9: „Engpässe im Stromnetz kosten gut eine Milliarde Euro jährlich“
Richtig ist vielmehr: Auch hier gilt wieder, dass zu viel Kohlestrom im Netz ist. Der gegenwärtig paradoxen Abregelung könnte mit flexibleren Kraftwerken über konsequenten Speicherausbau bis hin zum Demand-Side-Management, das den Verbrauch mit dem Angebot in Einklang bringt, abgeholfen werden. Allerdings werden sich die Kosten (selbst nach den Zahlen der Bundesnetzagentur, die sich an den völlig unzulänglichen Ausbauzielen der Bundesregierung orientieren) für die Eingriffe ohnehin kaum erhöhen: Die Bundesnetzagentur ermittelte im Januar 2017 gemeinsam mit den Übertragungsnetzbetreibern im Rahmen einer sogenannten Langfristanalyse den zur Gewährleistung der Systemstabilität des Übertragungsnetzes voraussichtlich erforderlichen Redispatchbedarf für den Winter 2022/2023 (wenn alle AKW vom Netz sind). Es zeichnete sich eine Größenordnung von 11 bis 12 GW ab (2016/17 waren es 10,1 GW). Trotz aller Unkenrufe (Gabriel: „4 Milliarden, wenn wir nichts tun“) wird sich also der Bedarf in den kommenden Jahren  – trotz Energiewende – nicht wesentlich verändern. Zudem kann mit dem EEG 2017 Strom aus Erneuerbaren Energien, der bislang abgeregelt wurde, künftig für den Wärme- und Mobilitätssektor genutzt werden.

Fakt 10: „Das Fördersystem verhindert Technologie-Wettbewerb“
Richtig ist vielmehr: Die Einspeisevergütung seit 2000 hat gezeigt, dass sie ein extrem hoher Anreiz für Technologieförderung und Innovation ist; denn nicht anders können die rasanten Kostensenkungen des Ökostromes erklärt werden. Zudem machte der Anteil für die reine Ökostromförderung an der EEG-Umlage  2016 nur noch einen Anteil von 42% (2,61 von 6,88 Cent) an der EEG-Umlage aus. Dieser Anteil macht aber transparent, was Erneuerbare Energien tatsächlich kosten – im Gegensatz zu den fossilen Energieträgern, die viele versteckte staatliche Förderungen wie Finanzhilfen, Steuervorteile und anderen Vergünstigungen erhalten. Die durch das EEG-Vergütungssystem bewirkte Massennachfrage hat weltweit eine Zunahme der industriellen Entwicklung, Massenproduktionen und Wettbewerb ausgelöst, mit der Folge, dass die Preise für Solarstrom laut einer aktuellen Analyse von Bloomberg New Energy Finance (BNBF) im Zeitraum von 2009 bis heute im Schnitt um 62 Prozent gefallen sind. Die Effizienzsteigerung der verschiedenen PV-Technologien halten bis heute an.

Fakt 11: „Die Klimabelastung sinkt kaum“
Richtig ist vielmehr: Es ist völlig absurd zu behaupten, die Erneuerbaren Energien leisteten keinen Beitrag zum Klimaschutz. EE-Technologien, die keine Emissionen verursachen, können niemals Schuld an der Klimabelastung sein. Emissionen kommen (neben dem Straßenverkehr) größtenteils aus mit fossilen Energieträgern betriebenen Anlagen.
Dass mehr Kohlendioxid ausgestoßen wird als 2009, lastet die INSM fälschlicherweise dem Atomausstieg an. Den Ausfall der Atomstromproduktion müssten Braunkohlekraftwerke kompensieren, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. In Wirklichkeit ist die CO2-Externalisierung zu billig, entfaltet daher keine Kostenwirkung. Dabei werden jetzt schon 15 GW Leistung aus alten und CO2-intensiven Kohlekraftwerken überhaupt nicht benötigt. Denn sie produzieren vornehmlich für den Export. 15 GW entsprechen beinahe der Hälfte aller deutschen Braunkohlekraftwerke und einem Fünftel der Steinkohlekraftwerke. 2023, wenn alle Atomkraftwerke abgeschaltet sind, werden lediglich maximal 4 GW Reservekraftwerke in sechs Stunden des Jahres benötigt – eher weniger. Viele Kohlekraftwerke könnten also direkt abgeschaltet und müssten nicht als Kapazitätsreserve vorgehalten werden. Diese Reserve hat leider die geplante Klimaschutzabgabe, auch CO2-Steuer genannt, ersetzt – bezahlt vom Steuerzahler. Schließlich hat Bayern vor einem Jahr die geplante steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung blockiert. Ein neuer Gesetzesentwurf ist immer noch nicht im Kabinett. Die Renovierung des ETS (Stichwort Backloading) kommt nicht voran, nach dem jüngsten Beschluss des EU-Parlaments schon gar nicht.
Zudem war in dem von der INSM herangezogenen Referenzjahr (2009) war der Brutto-Inlandsstromverbrauch durch die Finanzkrise und die dadurch ausgelösten wirtschaftlichen Folgen deutlich eingebrochen – entsprechend niedriger fiel natürlich derCO2-Ausstoß aus. Dieser entscheidende Hintergrund zu dem gewählten Referenzjahr verschweigt die INSM.

Solarify fällt auf: „Die Fehler der Energiewende – und warum sie dennoch gelingen kann“ überschreibt die INSM ihre „Fakten“-Sammlung. Doch über die aufgelisteten sogenannten Fehler bei der Energiewende kommt ihr Autor nicht hinaus. Vergeblich sucht der geneigte Leser nach konstruktiven Vorschlägen, warum, oder besser „wie“ sie gelingen könnte. Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Autor: Gerhard Hofmann – durchgesehen von Hans-Josef Fell und Tina Ternus
Quellenhinweis u.v.a.: energiewende.eu