Energiewende als Vorbild?

Deutschland schiebt bei „Low Carbon“ an

„Wenn es Deutschland nicht kann – wer dann?“ fragte „Welt-Ökonom“ Jeffrey Sachs rhetorisch am 04.03.2014 in seinem Eröffnungs-Statement zu einer Podiumsdiskussion über die Energiewende in Berlin unter dem Titel: „Die deutsche Energiewende im globalen Kontext: Lehren und Fallstricke für die kohlenstoffarme Transformation„. Der Chef des im vergangenen Jahr gegründeten Sustainable Development Network und Direktor seines Earth Institute an der Colimbia University war voller Bewunderung: „Wir glauben, dass Deutschland es kann“ – Atom und CCS blieben zwar wichtig, aber er hoffe, dass Deutschland zeigen werde, dass es ohne gehe.

Zu einer Podiumsdiskussion mit Sachs und der Energie-Expertin Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung „Energie , Verkehr, Umwelt “ am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in die Adenauer-Stiftung nach Berlin eingeladen. Weiter auf dem Podium: Udo Niehage (re.), Senior Vice President bei Siemens, Leiter Government Affairs und Unternehmens-Repräsentant für die Energiewende sowie Nebojsa Nakicenovic (li.), stv. Direktor am  International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), Professor für Energiewirtschaft an der TU Wien und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU) – die Moderation hatte Dirk Messner (re.), Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) und Ko-Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU).

Energiewende: weltweit Modell für die kohlenstoffarme Transformation?

In Deutschland stehe die Energiewende ganz oben auf der politischen Agenda. Allerdings habe sie noch einen langen Weg vor sich, wenn sie weltweit Modell für die kohlenstoffarme Transformation werden soll. Was wird von der deutschen Energiewende erwartet? Ist die Energiewende in erster Linie eine technische oder eine gesellschaftspolitische Herausforderung? Und wie kann die internationale Gemeinschaft gemeinsame Lehren für technische und politische Lösungen einer nachhaltigen Transformation ziehen?So der Fragenkatalog in der Einladung.

Dirk Messner nannte die Energiewende in seiner Anmoderation die dritte industrielle Revolution. Das weltweite Interesse sei daher enorm. „Dabei geht es nicht allein um den verstärkten Einsatz von Erneuerbaren Energien, sondern um die Schaffung eines regulatorischen Systems und damit einen großangelegten politisch-wirtschaftlichen Prozess, wenn wir vorankommen wollen.“

„Zynismus, Ignoranz und Trägheit der großen Politik“

Sachs betonte, Deutschland komme bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zu, weil es zu den wichtigsten Wirtschaften zähle. Die Grenze für den Temperaturanstieg von maximal zwei Grad sei richtig, doch das hielten namhafte Wissenschaftler lediglich für einen Minimalansatz, um Schlimmeres zu verhüten. Der US-Forscher James Hansen halte schon ein Grad für ein Problem. Leider kümmerten sich nur wenige Politiker mit Nachdruck darum: „Zynismus, Ignoranz und Trägheit der großen Politik bei diesem Thema machen mir Angst, denn es gibt nur wenige Regierungen, die überhaupt ein eigenes Ziel zur Temperatur-Begrenzung formuliert haben.“

Nur noch 21 Monate Zeit

Europa sei zwar weit voraus, aber der Rest hinke hinterher, so Sachs. Es müsse aber schnell gehen, nur noch 21 Monate verblieben bis zur Pariser Klimakonferenz. Viele Regierungen der Welt hätten keinerlei Strategien, dabei gehe das Problem tiefer, als viele Weltenlenker merkten. Die für die Energiewende nötigen Maßnahmen seien nicht von heute auf morgen umzusetzen, denn dafür müssten wir unsere Lebensweisen grundsätzlich umstellen. „Deutschland sollte deshalb in den internationalen Verhandlungen darauf hinwirken, dass alle Länder konkrete Pläne entwickeln und schnellstmöglich umsetzen.“

Handlungssdruck wächst

Laut Nakicenovic sind 2,5 Milliarden Menschen auf feste Energieträger angewiesen. Gleichzeitig erhöhe der weltweit wachsende Energiebedarf ständig den Handlungsdruck. „Um die 2°C-Grenze einzuhalten, brauchen wir bis Mitte des Jahrhunderts eine Halbierung der Emissionen trotz gleichzeitiger massiver Steigerung des Energiebedarfs. An einer radikalen Steigerung der Effizienz wird daher kein Weg vorbeiführen“.

Imageproblem der Energiewende“

Claudia Kemfert diagnostizierte „ein zunehmendes Imageproblem der Energiewende“. „Eine der großen Schwierigkeiten sind die Überkapazitäten, denn neben alten und neuen Kohlekraftwerken gibt es immer noch Atomkraftwerke und zunehmend mehr Erneuerbare Energien. Das führt dazu, dass die Preise sinken und viele Kraftwerke nicht mehr wirtschaftlich arbeiten“.Sie forderte verstärkten Bau intelligenterer Netze zum Ausgleich von Bedarfsschwankungen und neue Speicherformen.

Kritisch sahen Kemfert und Sachs den Emissionshandel und seinen Preisverfall. „Diese Zertifikate müssen teurer werden, entweder durch einen höheren Preis oder durch höhere Standards für Kohlekraftwerke.“ Sachs erklärte, die Idee zum Zertifikatehandel sei ursprünglich von den Neo-Cons unter Clinton gekommen – er hielt nichts davon. Aber „Plan“ sei in den USA ein Schimpfwort („Four-Letter-Word“) – „wir dürfen nicht planen“.

Verantwortung der Industrie

Niehage sah in der Energiewende aus Sicht der Industrie nicht eine Gelegenheit, sondern eine Pflicht. Denn heute säßen alle führenden Unternehmen für Erneuerbare Energien in Europa und diese Vorreiterrolle gelte es zu verteidigen. „Deutschland muss der Welt beweisen, dass ein Land, dessen Bruttoinlandsprodukt zu 22 Prozent von der Industrie erwirtschaftet wird, diese Energiewende schafft und gleichzeitig über eine zuverlässige Energieversorgung verfügt und wirtschaftlich wettbewerbsfähig bleibt“, so der Head of Government Affairs der Siemens AG. Dafür müssten schrittweise die Subventionen für Erneuerbare Energien hierzulande zurückgefahren werden, um anderen Ländern zu zeigen, dass dieser Weg wirtschaftlich machbar ist.
->Quelle(n): kas.de; die-gdi.de; Gerhard Hofmann