Solarworld stellt Insolvenzantrag

„Paukenschlag“ – Überraschende Adhoc-Erklärung

Die Bonner Solarworld AG, größter europäischer und nahezu letzter deutscher Photovoltaik-Produzent,  wird Insolvenz anmelden. Das Unternehmen begründete die Entscheidung mit dem „aktuellen Geschäftsverlauf“ und „weiter voranschreitenden Preisverwerfungen“ auf dem Markt für Solarmodule. Der Vorstand um Frank Asbeck sei zu der Überzeugung gelangt, dass „keine positive Fortbestehensprognose mehr bestehe, die Gesellschaft damit überschuldet sei und somit eine Insolvenzantragspflicht bestehe“.

Keine Chance gegen Billigkonkurrenz aus Asien 

PV-Dach in Asbecks Heimat Bonn – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Solarworld kämpft laut einem Bericht der Deutschen Welle einerseits schon länger mit der zunehmenden Dumping-Konkurrenz aus Asien und sieht sich von einer Klage in den USA bedroht. 2016 habe das seit Jahren defizitäre Unternehmen mit knapp 92 Millionen Euro Verlust tiefrote Zahlen geschrieben. Der Solarkonzern hatte noch Ende März angekündigt, man wolle mit einem scharfen Sparprogramm bis 2019 wieder aus der Verlustzone kommen. Mit dem Abbau von 400 Stellen und zahlreichen Einzelmaßnahmen sollten die Kosten um ein Fünftel verringert werden. Ein Sozialplan wurde an den deutschen Standorten in Arnstadt (Thüringen) und Freiberg (Sachsen) bereits verhandelt.

„In der globalen Solarindustrie bestehen seit Jahren gewaltige Überkapazitäten“, analysiert das Handelsblatt und nennt die Pleitenachricht einen „Paukenschlag in Bonn“. Die Preise stünden enorm unter Druck: „Allein zwischen 2009 und 2015 sind die Preise für Paneele nach Berechnungen der Erneuerbaren-Energien-Agentur Irena um 80 Prozent gesunken. Was Verbraucher freut, ist ein Alptraum für Modulhersteller wie Solarworld. Unternehmensgründer und Ökopionier Frank Asbeck hat bis zuletzt versucht, seine Firma irgendwie zu retten. Er wollte den Konzern gesundsparen, indem er mehr als jede zehnte der 3000 Stellen des Konzerns streicht.“

Im Wortlaut – SolarWorld AG: Insolvenz
Der Vorstand der SolarWorld AG ist nach umfassender Prüfung heute zu der Überzeugung gelangt, dass im Zuge des aktuellen Geschäftsverlaufs und der weiter voranschreitenden Preisverwerfungen keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht, die Gesellschaft damit überschuldet ist und somit eine Insolvenzantragspflicht besteht. Für die Tochtergesellschaften der SolarWorld AG wird vor diesem Hintergrund die jeweilige Insolvenzantragspflicht geprüft.
Der Vorstand wird vor diesem Hintergrund unverzüglich einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht (Insolvenzgericht) stellen.

Solarworld war schon länger angeschlagen: Sechs Jahren in Folge schrieben die Bonner PV-Hersteller Verluste. 2016 war der Umsatz auf 803 Millionen Euro zwar leicht angestiegen, doch der Verlust hatte sich gleichzeitig beinahe verdreifacht. „Im Tagesgeschäft verdiente Solarworld schon lange kein Geld mehr, der Konzern verbrannte es. Allein 2016 sind die liquiden Mittel der Firma um 100 Millionen Euro abgeschmolzen – auf kaum mehr als 80 Millionen Euro“, so Franz Hublik im Handelsblatt. Die Nettoverschuldung von Solarworld sei gleichzeitig von 217 auf 302 Millionen Euro in die Höhe geschossen. Nun stehe fest: Die Solarworld Aktiengesellschaft ist überschuldet.

Das Bonner Amtsgericht hat am 14.05.2017 Horst Piepenburg (Kanzlei Piepenburg-Gerling) zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Solarworld AG, der Tochtergesellschaften Solarworld Industries Sachsen GmbH, Solarworld Industries Thüringen GmbH, Solarworld Industries Deutschland GmbH und der Solarworld Innovations GmbH bestellt. Die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften haben im Zuge der Insolvenz der Muttergesellschaft am 12.05.2017 ihrerseits jeweils einen Insolvenzantrag gestellt.
Piepenburg habe sich mit den Geschäftsführern der Tochtergesellschaften sowie den Arbeitnehmervertretern in Verbindung gesetzt und die Mitarbeiter am Standort Bonn in einer Belegschaftsversammlung über den aktuellen Stand des Verfahrens informiert, heißt es in einer Mitteilung. Man werde sich darum kümmern, dass Löhne und Gehälter für die Monate Mai, Juni und Juli über die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes sichergestellt werden.

Zu klein – nicht mehr konkurrenzfähig – aber auch eigene Fehler

Asbecks Mannen sahen keinen anderen Ausweg mehr, denn das Geschäftsmodell von Solarworld war nicht mehr konkurrenzfähig; das Unternehmen war mit 1.500 MW Produktionskapazität im Jahr zu klein, um der Mega-Konkurrenz Paroli zu bieten. Chinesische Konkurrenzfirmen produzieren das Zigfache der Bonner. Die 1988 gegründete Solarworld, die Asbeck schon 1999 an die Börse brachte, wurde später als grüner Börsenstar gefeiert und war zwischendurch als einer der weltgrößten Hersteller von Photovoltaik-Modulen mehr als 4,6 Milliarden wert – Firmengründer Asbeck, zu besseren Zeiten auch „Sonnenkönig“ genannt, brachte es sogar zum Titelhelden einer ARD- Fernsehdokumentation unter gleichem Titel. Ende 2012 erwarb er von Thomas Gottschalk für mehr als 5 Millionen Euro das Schloss Marienfels bei Remagen.

Davor, im Dezember 1979 gehörte er mit Petra Kelly, Gert Bastian, Michael Vesper und anderen zu den Gründungsmitgliedern des ersten grünen Parteiverbandes in Hersel bei Bonn. Danach war er als jüngstes Fraktionsmitglied im Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises aktiv, ehe er sich 1987 aus der aktiven Politik zurückzog. 2007 sponserte er die Fußball-WM in Südafrika (li. beim Interview in Stadionbaustelle in Johannesburg), indem er Fernsehempfänger in den Dörfern auf dem Land aufstellen ließ. Im November 2008 sorgte Asbeck mit dem Plan für Aufsehen, die Adam Opel GmbH aus dem Mutterkonzern General Motors herauszukaufen und in seine Firma Solarworld zu integrieren.

Nach einer existenziellen Krise des Unternehmens wurde im Jahre 2013 eine Sanierung beschlossen, sodass sein Aktienanteil auf etwa ein Prozent sank. Damals konnte Asbeck seine Aktionäre gleichzeitig davon überzeugen, auf mehr als 95 Prozent ihres Kapitals zu verzichten und so die drohende Insolvenz abzuwenden.  Bereits seit 2010 bestand eine Partnerschaft von SolarWorld mit Geldgeber Qatar Solar Technologies.

Kommentare von Franz Alt, Hans-Josef Fell, Felix-Christian Matthes, Carsten König und Frank Asbeck

Franz Alt sah die Verantwortung für die SolarWorld-Insolvenz in erster Linie bei der Politik: „Die Schwindsucht der einst so erfolgreich und optimistisch gestarteten deutschen Solarbranche ist politisch gewollt. Der frühere Wirtschafts-und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) hat wie schon zuvor sein Vorgänger Philipp Rösler (FDP) die Erneuerbaren zuerst gedeckelt und damit den raschen Ausbau der Erneuerbaren und die Energiewende ausgebremst… Das ist eine Katastrophe für das Klima, für Zukunftsarbeitsplätze und Zukunftstechnologien sowie weltweit für das Image Deutschlands als früherer Vorreiter der Energiewende.“

EEG-Mitautor Hans-Josef Fell wies – ebenso wie Felix-Christian Matthes vom Öko-Institut („Solarworld hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt, sie haben versucht, sich abzuschotten, und haben nicht verstanden, dass man damit dieses Rennen nicht gewinnen  kann“ in ZDF-heute am 11.05.2017) in einem Kommentar auch Sonnenkönig Asbeck Schuld zu: „Zum Glück hatten wir rot-grüne Politiker damals das EEG durchsetzen können, gegen den Widerstand großer Teile der Gesellschaft. Es hat den Solarstrom heute zur kostengünstigsten Stromerzeugung gemacht und damit dem Klimaschutz erst wirklich umsetzbare Perspektiven eröffnet – gegen allen Widerstand von konservativer und liberaler Politik und trotz der massiven politischen Fehler von Frank Asbeck, der mit der Insolvenz von SolarWorld heute einen hohen Preis dafür bezahlen muss. Es ist nur ein Treppenwitz der Geschichte, dass Deutschland, wo mit dem EEG die industrielle Revolution der Fotovoltaik auf den Weg gebracht wurde, nun das industriepolitische Nachsehen hat.“

BSW-Solar-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig: „Die Insolvenz von SolarWorld ist bitter. Doch das ist nicht das Ende der Solarenergie in Deutschland, die Energiewende geht weiter. Der globale Wettbewerb ist hart, die Photovoltaik-Preise sind in wenigen Jahren auf ein Bruchteil gesunken. Der Betrieb von Solaranlagen ist dadurch so attraktiv wie schon lange nicht mehr und die Photovoltaik-Nachfrage zieht derzeit spürbar an, im ersten Quartal 2017 um 65 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Die Kehrseite des harten Wettbewerbs: Die Margen einiger Hersteller sind weiterhin stark unter Druck. Deutschland verfügt aber weiterhin über erfolgreiche Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vom Rohstoff Silizium über den Maschinen- und Anlagenbau über die Systemtechnik bis hin zu den Batteriespeichern. Ein attraktiver Heimatmarkt ist eine unverzichtbare Basis für den weiteren Erfolg heimischer Premium- und Systemanbieter. Deutschland hat die Energiewende maßgeblich auf den Weg gebracht. Wir sollten die damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen jetzt nicht anderen überlassen. Bund und Länder sollten sich engagierter für einen Erhalt von Produktions- und Forschungsstruktur einsetzen. Das Tempo der Energiewende muss erhöht und die Solarenergie-Ausbauziele an die Pariser Klimaschutzziele angepasst werden. Die Bremsen müssen jetzt gelöst und bürokratische Hemmnisse für die preiswerte solare Selbst- und Mieterstromversorgung abgebaut werden.

Asbeck selbst in der ARD-Tagesschau: „Man kann lange kämpfen, aber wenn die Politik nicht flankiert, und ganz klar sagt: Hier sind Verstöße gegen internationales Handelsrecht, hier ist Preisdumping, hier sind illegale Praktiken, hier sind Umgehungen – das muss gestoppt werden, dann wird eine Hightech- Branche nach der anderen verschwinden.“

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