Umstrittenes Budget

NZZ: CO2-„Restmenge“ wird „klimapolitischer Zankapfel“

Klimawissenschaftler erdachten vor einigen Jahren das Konzept des Kohlenstoffbudgets, um die Herausforderungen der Klimapolitik zu verdeutlichen. „Jetzt wird der Vorwurf laut, das Konzept sei politisch nutzlos“, schreibt Sven Titz in der Neuen Zürcher Zeitung. Dabei bestehe – nicht nur in Fachkreisen – eigentlich breite Übereinstimmung darüber, dass der Treibhausgas-Ausstoß drastisch sinken müsse, wenn ein eine übermäßige Erderwärmung verhindert werden soll. Nur, fragt Titz, „auf welche Weise, mit welchen Zahlen soll das vermittelt werden?“ Das CO2-Budget in der Kritik – und ein Artikel von Oliver Geden (SWP).

Das „Kohlenstoffbudget“ gibt an, wie viel CO2 die Menschheit noch in die Atmosphäre entlassen darf, bis eine bestimmte Grenze – zum Beispiel zwei Grad Celsius oder 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau – überschritten wird.

Braunkohlekraftwerk – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Zwei-Grad-Grenze erstmals erwähnt (Hervorhebung: Solarify)

Aus der 2-Grad-Grenze wurde (im Deutschen) über die Jahre ein 2-Grad-Ziel. Unter Ziel verstehen wir aber gemeinhin etwas Erstrebenswertes, für dessen Erreichung oder Überschreitung im Sport sogar Medaillen winken. Es geht aber um die Vermeidung einer Katastrophe, die nach Überzeugung von Experten schon bei 1,5 Grad anfängt. Die keineswegs als radikal-ökologisch verschriene IEA rechnet dagegen in ihrem am 12.11.2012 veröffentlichten World Energy Outlook mit einer „langfristigen mittleren globalen Erwärmung um 3,6°C“.
Der Wissenschaftsjournalist Christopher Schrader besteht mit anderen ebenfalls darauf, dass es sich um eine Grenze, kein Ziel, handelt: „…die sogenannte Zwei-Grad-Grenze (und es ist eine Grenze, kein Ziel)“.

Doch das Konzept ist nicht unumstritten. So schreibt etwa Glen Peters, Forschungsdirektor am Klimainstitut „Cicero“ in Oslo, in einem Kommentar für das Fachmagazin nature geoscience (letztes Update 31.05.2018): „Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Berechnungen des Kohlenstoffbudgets ergeben sich aus vielen bekannten Unterschieden in den Annahmen der Studien, etwa hinsichtlich der Art des verwendeten Modells und der damit verbundenen Mängel, des Ausmaßes der bereits seit vorindustrieller Zeit stattgefundenen Erwärmung, der Definition des Pariser Temperaturziels, der vorübergehenden Überschreitung negativer Emissionen, der Behandlung menschenverursachter Klimaeinflüsse außer CO2 und der Darstellung von Unsicherheiten.“ Peters argumentiert, CO2-Budgets könnten eher verwirren als klären und „dass sie – angesichts des Missverhältnisses zwischen ihrer globalen Dimension und der Entscheidungsfindung auf Länderebene – nicht so relevant für die Politikgestaltung sind, wie es ursprünglich den Anschein hatte. Es gibt nicht eine magische Zahl, um die Herausforderung zu beschreiben. Anstatt zu sehr zu vereinfachen, sollte die wissenschaftliche Gemeinschaft versuchen, die anhaltenden Unsicherheiten zu diskutieren und hervorzuheben.“ Auf der Basis diverser in letzter Zeit erschienenen Studien, gibt Peters für die „noch erlaubte“ CO2-Menge eine riesige Spanne an: Sie reicht von negativen Werten bis zu fast 900 Milliarden Tonnen CO2.

Wissenschaftliche Theorie und politische Praxis

Oliver Geden von der Berliner Stiftung „Wissenschaft und Politik“ empfiehlt in der gleichen nature geoscience-Ausgabe, bei der Kommunikation des Kohlenstoffbudgets stärker darauf zu achten, auf welche Weise Politiker mit solchen Zahlen in der Praxis umgingen (siehe unten). Myles Allen von der Oxford University, einer der Initiatoren des Kohlenstoffbudgets, räume auf Nachfrage der NZZ zwar einen Teil der Kritikpunkte von Peters ein, verteidige das Konzept aber energisch. Was als Ungewissheit denunziert werde, seien oft nur Unterschiede in den, verschiedenen Definitionen des Kohlenstoffbudgets zugrunde gelegten, Annahmen – die tatsächliche wissenschaftliche Ungewissheit sei viel kleiner.

Allen hatte im Herbst letzten Jahres gemeinsam mit seinem Kollegen Richard Millar (re.) einen Budgetwert von ungefähr 800 Milliarden Tonnen CO2 für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze errechnet und ebenfalls in „nature geoscience“ veröffentlicht. Dies entspricht 19 Jahren mit jeweils 41 Gigatonnen. Oder fast 40 Jahren, wenn die Emissionen in diesem Zeitraum linear von 41 auf null sinken. Demnach ist die Lage entspannter als bisher. 1,5 Grad seien einhaltbar, wenn sich die Staaten zu deutlich ambitionierteren CO2-Reduktionen verpflichteten. Andere Experten widersprachen: Etwa Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und seine Kollegen; es gebe „große Unsicherheiten über das Budget“. Je nach Rechenmodell und den gemachten Annahmen liege das Budget zum Erreichen der Pariser Klimaziele zwischen 150 und 1050 Gigatonnen.

Während Peters und Geden den politischen Nutzen des Kohlenstoffbudgets generell infrage stellen, beharrt Allen darauf, das Konzept habe bereits großen Einfluss gehabt, denn auf seiner Basis würden inzwischen „null Emissionen“ angestrebt. Es reiche aber nicht, lediglich ein Jahr vorzugeben, wann das erreicht werden solle. Entscheidend sei die Summe der Emissionen – genau die Zahl des Kohlenstoffbudgets. Peters hält den Budgetansatz dann für sinnvoll, wenn über einen globalen Rahmen diskutiert wird – vorausgesetzt, dass die Definitionen und die Terminologie vereinheitlicht werden. Wenn man über die klimapolitischen Anforderungen in einzelnen Ländern spreche, greife dieser abstrakte Ansatz jedoch zu kurz.

Oliver Geden: „Politisch fundierte Beratung für Klimaschutzmaßnahmen“

Oliver Geden schreibt im Maiheft 2018 von nature geoscience, „nach oben gerichtete Schätzungen für die CO2-Budgets dürften nicht zu einer handlungsorientierten Klimapolitik führen. Klimaforscher müssen Prozesse und Anreize in Politik und Politik verstehen, um effektiv zu kommunizieren“. Inzwischen sei weitgehend akzeptiert, dass die bisherige im Fünften Sachstandsbericht (AR5) des IPCC vorgestellte Schätzung mit dem Ergebnis größerer CO2-Budgets aktualisiert werden musste. „Dennoch sind die Besonderheiten der Neuberechnung und damit das Ausmaß der Erweiterung in der Klimabranche umstritten. Ebenso umstritten ist die angenommene Wirkung der Erstveröffentlichung auf die Politik. Das Autorenteam diskutierte nicht nur mögliche klimapolitische Implikationen in dem Papier, sondern verfolgte vor allem eine eigene Kommunikationsstrategie, die zu einer weltweiten Medienberichterstattung auf hohem Niveau führte – und zu sofortiger Unzufriedenheit unter Kollegen.“

Millars These, die 1,5 °C-Grenze sei geophysikalisch noch ohne Berücksichtigung solarer Geotechnik möglich, löste laut Geden bei kritischen Klimawissenschaftlern Besorgnis über politisch problematische Botschaften aus, die eine so weitgehende Anpassung auslösen könnte: Klimaskeptiker hätten die Korrektur sofort als Beweis dafür genommen, „dass die Klimawissenschaft es falsch gemacht hat“, indem sie die Erwärmungstendenzen überschätzt habe. Die Kritiker befürchten zudem, dass die Verunsicherung der politischen Entscheidungsträger dadurch gefördert werde, wenn eines der zentralen Ergebnisse des IPCC AR5 infrage gestellt würde, und dass das den politischen Nutzen des Budgets untergraben könnte.

Geden: „Ich argumentiere, dass sowohl Millar et al. als auch ihre Kritiker in der Klimawissenschaft die Bedeutung der Größe der verbleibenden Kohlenstoffbudgets für Klimaschutzmaßnahmen ernsthaft falsch einschätzen. Wenn sie über die politische Relevanz ihrer Arbeit nachdenken, wenden sich Klimaforscher eher an imaginäre als an tatsächliche Entscheidungsträger. Sie gehen fälschlicherweise von einem hohen Maß an Problemlösungsorientierung und dem Streben nach Konsistenz zwischen Gespräch, Entscheidung und Handeln aus. Im Gegensatz dazu sind die meisten Politiker und politischen Führer nicht darauf bedacht, Unsicherheiten abzubauen und Unklarheiten zu beseitigen – sie sind eine Quelle politischer Flexibilität.“

Von der Politik könne man eben nicht erwarten, dass sie, weil es jetzt etwas weniger unrealistisch erscheine, die 1,5 °C nicht zu überschreiten, die Verlängerung der aus den CO2-Budgets resultierenden Fristen „als willkommene Gelegenheit zur Intensivierung der Klimaschutzmaßnahmen nutzt. Vielmehr bestärkt eine solche Verlängerung die seit langem vertretene Ansicht, dass es immer ‚fünf Minuten vor Mitternacht‘ sein wird, obwohl die globalen Emissionen immer noch nicht zurückgehen.“

Vermeiden, den Politikern zu versichern, dass alles noch in Ordnung ist

So erlaubten die jüngsten Erweiterungen des Kohlenstoffhaushalts „mehr davon“ – auch dann, wenn Millar et al. auf ein revidiertes Budget für 2 °C verzichtet hätten, für die Politik in den Industrieländern nach wie vor das wichtigere Ziel. Geden: „Um ein neues Kapitel in der Klimapolitik aufzuschlagen, brauchen wir daher einen Ansatz, der es vermeidet, den Politikern zu versichern, dass alles noch in Ordnung ist.“

Wenn das Ziel des IPCC, nach „politischer Relevanz“ zu streben, die Unterstützung strenger Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels bedeutet, dann müssen Klimaforscher nicht nur ein viel besseres Verständnis von Politik und Politik erlangen, sondern auch die Art und Weise, in der sie ihre Ergebnisse kommunizieren, verändern.

Bewusste Inkonsistenz – konstruktive Zweideutigkeit

Der Klimawandel als Bestandsproblem sei zwar genauer als die Fokussierung auf Endpunkt-Reduktionsziele für 2030, 2050 oder 2100. Dass aber die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) nicht auf einen globalen Kohlenstoffhaushalt habe reagieren, geschweige denn darüber entscheiden wollen, habe schließlich zu einer problematischen Ausweitung des Budget-Konzepts geführt – „einem Schuldenmechanismus, bei dem die Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre im Laufe des Jahrhunderts eine erste Überschreitung des Budgets ermöglicht. Mit dieser Erweiterung haben die Klimaforscher den von den meisten Regierungen verfolgten Standardansatz übernommen, anstatt sie zu disziplinieren: riesige Defizite laufen zu lassen und auf Rückzahlung durch zukünftige Generationen zu wetten.“

Etwas bissig formuliert Geden, dass, betrachte man die 25 Jahre des UNFCCC-Prozesses, „so scheint die Annahme, dass die Klimapolitik nach Konsistenz streben könnte, weit hergeholt“. Er spießt den leicht „bevormundenden Diskurs über wissenschaftliche Ratschläge für die Politik“ auf, der überzeugt sei, Regierungen versuchten zwar, ihre Versprechen einzulösen, schafften dies aber nicht und bräuchten deshalb „eine helfende Hand“.

Gedens Vorschlag Nr. 1

Geden: „Stattdessen schlage ich vor, dass Regierungen und supranationale Institutionen weiterhin ehrgeizige Minderungspfade fordern, ohne das dargestellte Wissen umzusetzen, da sie ein Interesse an anhaltender Inkohärenz haben. In der Praxis werden Gespräche, Entscheidungen und Handlungen nicht konsequent aus vereinbarten Problembeschreibungen abgeleitet, da die politischen Entscheidungsträger immer mit insgesamt widersprüchlichen Forderungen verschiedener Stakeholder konfrontiert sind. Aus ihrer Sicht ist die effizienteste Art, mit diesen Spannungen umzugehen, die Ansprache einiger Interessengruppen durch Gespräche, Entscheidungen und Aktionen.“ Und zwar über die engen Grenzen der Klimapolitik hinaus gleichberechtigt in allen Regierungsbereichen. Allerdings erwarteten Klimawissenschaftler stets, dass die Politik die Kernelemente ihrer Ziele klarer definiere, „aber die Regierungen kennen den praktischen Wert der Ungenauigkeit. Je genauer ein politisches Ziel definiert ist, desto größer ist das Risiko eines Scheiterns. Umgekehrt hilft konstruktive Zweideutigkeit beim Abschluss zwischenstaatlicher Verhandlungen, und eine ungewisse Wissensbasis erfordert mehr Studien und erlaubt ein breiteres Spektrum an Interpretationen.“

Eine der Budget-Berechnungen: Wenn Deutschland entsprechend seinem Anteil an der Weltbevölkerung dazu beitragen würde, die 1,5-Grad-Grenze aus dem Klimaschutzabkommen von Paris einzuhalten, dürfte rein rechnerisch seit Sonntag, dem 20.05.2018 überhaupt kein CO2 mehr ausgestoßen werden. Das haben Charlotte Loreck und Lukas Emele im Blog des Öko-Instituts vorgerechnet. Für die Begrenzung der Klimaerhitzung auf maximal 2 Grad gelte: Wenn die Emissionen hierzulande weiterhin so hoch blieben wie bisher, wäre der deutsche Anteil nach globaler Pro-Kopf-Verteilung im Jahr 2027 aufgebraucht. Die Staatengemeinschaft hat sich 2015 in Paris dazu verpflichtet, den globalen Temperaturanstieg „deutlich unter 2 Grad Celsius“ zu halten. Zusätzlich wollen die Staaten alle Anstrengungen unternehmen, um die Erderhitzung sogar auf 1,5° C zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sie ihre zukünftigen globalen Treibhausgasemissionen stark senken. Insgesamt dürfen die Emissionen aus allen menschlichen Aktivitäten auf dem Planeten ein bestimmtes Emissionsbudget nicht überschreiten: ab Januar 2015 noch 890 Milliarden Tonnen CO2.

Erfolg oder Scheitern

Weil sich nun aber politische Organisationen um mehr Legitimität und externe Unterstützung bemühten, weil Parteien und Politiker bei Wahlen konkurrieren und Erfolge erzielen müssten, nicht nur für ihr eigenes Wohlergehen, sondern auch um Politik gestalten zu können – Kategorien, die Berater aus der Wissenschaft gerne  vernachlässigten – seien Erfolg und Misserfolg wichtige politische Kategorien. Beim politischen Ziel, „gefährliche anthropogene Eingriffe in das Klimasystem“ zu vermeiden, „geht es in erster Linie darum, Misserfolge zu vermeiden oder die Schuld zumindest erfolgreich zu verlagern“.

Das weise einer veränderten Schätzung des verbleibenden CO2-Budgets hohe politische Bedeutung zu, da sie die Erfolgs-Chancen zu verschieben in der Lage sei. Angesichts knapper Budgets, zum Teil gar inklusive großer Mengen negativer Emissionen, könnte jede Veränderung nach unten gleichzeitig das Ende ehrgeiziger Klimaziele bedeuten. Das würde das Scheitern von mehr als 20 Jahren UN-Klimaverhandlungen bedeuten.

Unterschied zwischen Wissenschaft und Politik

Von Wissenschaftlern für unerreichbar erklärte Ziele könnten nicht Gegenstand von Politik sein, ebenso wenig offensichtlich unlösbare Probleme. Da helfe eine erhebliche Ausweitung des Kohlenstoffhaushalts ein solches Dilemma zu vermeiden und trage zur Stabilisierung der seit langem etablierten klimapolitischen Vorgehensweise bei: „Es ist fünf Minuten vor Mitternacht, aber wir können es noch schaffen, wenn wir jetzt anfangen zu handeln“.

Für Politiker spielt es laut Geden keine Rolle, warum die Weltuntergangsuhr zurückgesetzt wird – es gehe darum, eine Erklärung endgültigen Scheiterns zu vermeiden. Politikberatende Wissenschaftler könnten denken, es bedeute keinen großen Unterschied, wenn der „Make-or-Break“-Punkt ein oder zwei Jahrzehnte in die Zukunft verschoben werde. Geden: „Sie unterschätzen jedoch die Auswirkungen einer fließenden Beteiligung an der Politik und der Fähigkeit der Entscheidungsträger, Verantwortung zu verbreiten. Für die Minister, die jetzt an den Verhandlungen über die Folgen des Pariser Abkommens beteiligt sind, machen 10 bis 20 weitere Jahre den Unterschied aus; und ihre Nachfolger im Jahr 2030 werden sicherlich nicht bereit sein, die Schuld für die von früheren Regierungen verpassten Chancen in den entscheidenden Jahren nach Paris zu übernehmen.“

Änderung des Framings

Wissenschaftler könnten die Verwendung von Beweismitteln einschränkende Kernmerkmale des politischen Entscheidungsprozesses nicht verändern, wie z.B. zeitliche Beschränkungen, Pfadabhängigkeiten, eingeschränkte Fähigkeit, neue Informationen zu verdauen,einflussreiche Industriezweige und konkurrierende Werte. Ebenso wenig könnten sie politische Entscheidungsträger dazu zwingen, Inkonsistenzen zwischen Gesprächen, Entscheidungen und Aktionen zu überwinden: „Aber sie können ihren Teil dazu beitragen, Inkonsistenzen in der Klimapolitik abzusichern.“

Gedens Vorschlag Nr. 2

Geden stellt ein Gedankenexperiment a und schlägt vor, eine Nuance üblicher Erklärungen zu verändern: Anstatt „ja, das Erreichen des 1,5 °C-Ziels ist noch machbar, aber nur wenn A, B und C passieren“, sollte es besser heißen „nein, das Erreichen des 1,5 °C-Ziels ist derzeit nicht plausibel, es sei denn, die Regierungen setzen A, B und C um“. Obwohl der Unterschied gering und wissenschaftlich gesehen beide Versionen wahrscheinlich gleichwertig seien, ändere sich die klimapolitische Perspektive erheblich. Im ersten Fall kann sich die Politik auf den „großen Preis“ konzentrieren, das geschätzte langfristige Ziel, das noch in Sicht ist, das Erreichen des Ziels wird bereits angenommen, ein üblicher Weg, um die Zukunft für die heutigen politischen Errungenschaften zu nutzen. Im zweiten Fall übergeben die Klimaforscher den „großen Preis“ nicht frühzeitig an die Politik, sondern halten ihn zurück und definieren auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse klare Anforderungen, um ihn erneut ins Spiel zu bringen.

Geden: „Eine solche Mitteilung würde dazu beitragen, die Aufmerksamkeit aller zu verlagern, von Gesprächen und Entscheidungen zu Taten und von der fernen Zukunft in die nächsten 5 bis 10 Jahre. Eine Verlagerung der Kommunikation von einem ‚Ja, wenn…‘- zu einem ‚Nein, es sei denn…‘-Rahmen würde die Klimaforschung und -beratung daran hindern, die Uhr immer wieder neu einzustellen. Stattdessen übt sie den Druck dort aus, wo er hingehört – auf die Regierungen.“

Politisch fundierte Beratung – Gedens Vorschlag Nr. 3

Das Konzept vom CO2-Budget präge die Sichtweise der breiten Öffentlichkeit auf den Kern des Klimaproblems von heute, diagnostiziert Geden. Aber die CO2-Budgets hätten lediglich das klimapolitische Gespräch beeinflusst, nicht die Entscheidungen, geschweige denn das Handeln. Mit anderen Worten, das Konzept ist nicht besonders „umsetzbar“. Das IPCC beschreibe sein Hauptziel als „Bereitstellung von politikrelevanten, aber nicht politikverordnenden Informationen „: „Aber angesichts einer sich abzeichnenden globalen Klimakrise sollte die Relevanz wissenschaftlicher Expertise über die bloße Beeinflussung der politischen Diskussion hinausgehen. Dies wird nur möglich sein, wenn Klimaforscher, darunter die Mehrheit der Sozialwissenschaftler, mehr über reale politische Entscheidungsprozesse erfahren und dieses Wissen bei der Beratung von Politikern berücksichtigen. Eine auf Evidenz basierende Politikgestaltung im engeren Sinne wird eine Illusion bleiben, aber um eine evidenzinformierte Politikgestaltung Wirklichkeit werden zu lassen, brauchen wir politisch fundierte Beratung. Dies ist nicht zu verwechseln mit ‚Politik spielen‘ oder als ‚politische Unternehmer‘ handeln, ganz im Gegenteil. Wissenschaft basiert auf dem Prinzip der intellektuellen Konsistenz, und Klimaforscher sollten alles tun, um diese Grundlage ihrer Arbeit zu erhalten. Politisch fundierte Beratung kann ein wirksamer Ansatz zur Absicherung von Inkonsistenzen sein – indem sie die Erkenntnisse so kommuniziert, dass es für die Klimapolitiker schwieriger wird, sich den praktischen Folgen der Wissensbasis zu entziehen.“

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