Erfolg für „Saubere Luft“ in Aachen

Deutsche Umwelthilfe erzielt richtungsweisendes Urteil für Diesel-Fahrverbote ab 01.01.2019

Das Verwaltungsgericht Aachen hat mit dem Urteil vom 08.06.2018 (AZ 6 K 221 1/15) faktisch beschlossen, dass Diesel-Fahrverbote ab 01.01.2019 in Aachen umgesetzt werden müssen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wertet das in einer Medienmitteilung als Erfolg ihres Einsatzes für die „Saubere Luft“. Dieses erste Urteil nach dem Grundsatzbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig ist für die Klageverfahren der DUH in 27 weiteren, unter dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) leidenden Städten richtungsweisend. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt die Klagen für „Saubere Luft“ der DUH.

„Clean air is essential for a healthy life. More than 400,000 early deaths are caused each year by air pollution in Europe. We are all affected but some, especially children and older people, are more vulnerable than others.“ (ClientEarth)

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung kritisierte das Gericht die auf Verzögerung ausgerichtete Politik von Land und Stadt massiv. Eine Grenzwerteinhaltung selbst bis 2020 sei zu spät. Das Verwaltungsgericht hat das Land dazu verurteilt, dass die NO2-Grenzwerte in Aachen spätestens zum 01.01.2019 zwingend einzuhalten sind. „Es ist aktuell nicht erkennbar, dass dies ohne Diesel-Fahrverbote gelingen wird“, sagte der Vorsitzende Richter Peter Roitzheim in der heutigen mündlichen Verhandlung. Und weiter: „Es müssen die Maßnahmen zum 1. Januar 2019 ergriffen werden“.

Jürgen Resch in BPK – Foto – Solarify

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch forderte nach dem Urteil „die für die Luftreinhaltung zuständigen Landesregierungen dazu auf, nun unmittelbar für alle Städte und Gemeinden in Deutschland, die ebenfalls unter Grenzwertüberschreitungen beim Dieselabgasgift NO2 leiden, entsprechende Diesel-Fahrverbote umzusetzen. Andernfalls wird die DUH Stadt für Stadt die ‚Saubere Luft‘ gerichtlich durchsetzen. Wir hoffen insbesondere, dass der mit Aachen privat verbundene Landeschef Achim Laschet nun einsehen wird, dass die Fahrverbote segensreich für die Lebensqualität in seiner Stadt und gleichzeitig verhältnismäßig sind, was er bisher einfach nicht einsehen wollte. Das örtliche Verwaltungsgericht hat ihm dies nun ins Aufgabenheft geschrieben.“

Regierung muss Recht und Gesetz gegen kriminelles Kartell der Dieselkonzerne durchsetzen

Die DUH forderte die NRW-Landesregierung auf, das Urteil schnellstmöglich umzusetzen, um weitere Erkrankungen oder vorzeitige Todesfälle durch das Dieselabgasgift NO2 in Aachen zu verhindern. „Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für Kanzlerin Angela Merkel und dem Vertreter der Autokonzerne im Bundeskabinett Andreas Scheuer. Spätestens mit der Aachener Entscheidung weiß die Bundesregierung, wie auch die 27 weiteren Klagen der DUH für ‚Saubere Luft‘ in Deutschland ausgehen werden. Wann wagt es diese Regierung, Recht und Gesetz auch gegen die in einem kriminellen Kartell zusammengeschlossenen Dieselkonzerne durchzusetzen? Diese haben über zehn Millionen Diesel-Pkw mit auf der Straße nicht funktionstüchtiger Abgasreinigungstechnik verkauft. Merkel muss die technische Nachrüstung der Betrugsdiesel auf Kosten der Hersteller endlich durchsetzen“, so Resch weiter.

DUH-Diesel-Fahrverbot – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die DUH hält die komplette Nachrüstung aller circa zehn Millionen Diesel-Pkw der Abgasstufe Euro 5 und 6 mit neuen Katalysatoren für unverzichtbar. Nur wenn als Ergebnis einer solchen Nachrüstung das jeweilige Fahrzeug den Euro 6 Grenzwert auch auf der Straße einhält, ist dieses von den Diesel-Fahrverboten ausgenommen. „Eine Nachrüstung der Dieselflotte mit wirksamer Hardware könnte verhindern, dass zahlreiche Menschen ihr Fahrzeug nicht mehr in den Innenstädten nutzen können. Dazu muss sich der Bundesverkehrsminister Scheuer endlich durchringen und die Hersteller in die Pflicht nehmen“, so Resch.

Rechtsanwalt Prof. Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertreten hat, sagt: „Wir werden auch in den noch anhängigen Verfahren auf eine schnelle Entscheidung und Umsetzung des höchstrichterlichen Urteils aus Leipzig drängen. Die heutige Entscheidung hat klargestellt, dass die Grenzwerte spätestens zum 01.01.2019 einzuhalten sind.“

Verwaltungsgericht verpflichtet Bezirksregierung Köln zu weitgehenden Fahrverboten – „Domino-Effekt“

Die Verhandlung am 08.06.2018 war die erste nach der bahnbrechenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 zur Zulässigkeit von Diesel-Fahrverboten (siehe solarify.eu/fahrverbote-koennen-kommen). Das BVerwG hatte mit schriftlichem Urteil vom 18.05.2018 seine in der mündlichen Urteilsbegründung dargelegte Rechtsauffassung nochmals präzisiert und erklärt, dass straßenbezogene Fahrverbote zur Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte auf den Hauptverkehrsstraßen ohne Übergangsfrist für alle Dieselfahrzeuge (bis einschließlich Euro 5) schon jetzt zulässig und erforderlich sind. Dies gilt ebenfalls für Fahrverbote, die in einer gesamten Umweltzone gelten, soweit es alle Dieselfahrzeuge angeht, die schlechter als Euro 5 (insbesondere solche der Euro 4) sind. Das Verwaltungsgericht Aachen ist in seiner Rechtsprechung einem Antrag der DUH auf einstweilige Anordnung gefolgt und verpflichtet die Bezirksregierung Köln, zur schnellstmöglichen Einhaltung des seit 2010 geltenden Luftqualitätsgrenzwertes für NO2 weitgehende Fahrverbote zu verhängen.

ClientEarth-Geschäftsführer James Thornton: „Der Dominoeffekt setzt nun ein. Angesichts der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig sind die regionalen Gerichte nun davon überzeugt, dass Diesel-Fahrverbote möglich und vor allem nötig sind. Auch regionale Behörden erkennen, dass Diesel-Fahrverbote die einzige Lösung sind, die Luftverschmutzung schnell und effektiv zu reduzieren. Wir erwarten ähnliche Gerichtsentscheidungen in den kommenden Monaten. Vor allem die Bundesregierung muss jetzt proaktiv sein. Es braucht jedoch einheitliche Regelungen und keinen undurchsichtigen und verwirrenden Flickenteppich. Dafür braucht Deutschland ein einheitliches System, wie die blaue Plakette. Ohne starke Federführung dauert das Dieseldebakel noch länger.“

Handlungsdruck für Regierungen

Neueste Untersuchungen des Umweltministeriums Nordrhein-Westfalen haben am Beispiel Düsseldorf gezeigt, dass mit Einfahrverboten für Dieselfahrzeuge kurzfristig eine deutliche Annäherung an den seit 2010 verbindlich geltenden NO2-Grenzwert in Höhe von 40 µg/m3 erreicht werden kann. Die Ausgangslage am Aachener Adalbertsteinweg 60 mit 57,3 µg NO2/m3 in 2017 ist mit der Corneliusstraße in Düsseldorf (58 µg NO2/m3) vergleichbar.

Die gewonnenen Klagen der DUH zur Einhaltung der Luftqualitätsgrenzwerte in Düsseldorf, Stuttgart und Aachen zeigen, dass ein Handeln dringend notwendig ist. Wie stark der Handlungsdruck ist, hat auch die EU-Kommission mit ihrer im Mai 2018 eingereichten Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (siehe solarify.eu/abgasklage-der-eu-schallende-ohrfeige-fuer-merkel) wegen anhaltender Überschreitung der NO2-Grenzwerte deutlich gemacht. Die Klage ist ein eindeutiges Signal an die Bundesregierung, die ihre Bemühungen bislang darauf konzentriert hat, der Automobilindustrie keinerlei Lasten aufzuerlegen.

Hintergrund: Derzeit führt die DUH in 28 Städten, in denen der Jahresmittelgrenzwert für NO2 überschritten wird, Klageverfahren für „Saubere Luft“. Im November 2015 hat die DUH Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen anhaltender Überschreitung der NO2-Grenzwerte in Aachen eingereicht. Selbst die seit August 2015 geltende Fortschreibung des Luftreinhalteplans prognostiziert eine Grenzwerteinhaltung erst ab 2020.
2017 wiesen die amtlichen Messungen Überschreitungen des Jahresmittelwertes für NO2 von 40µg/m³ an zwei Messstellen in Aachen auf: 42 µg/m³ am Adalbertsteinweg sowie 46 µg/m³ an der Wilhelmstraße. Messstationen der Stadt haben sogar noch wesentlich höhere Werte registriert. So lagen am Adalbertsteinweg die Werte im Jahresmittel 2017  bei 57,3 µg/m³, an der Jülicher Straße bei 51,0 µg/m³, an der Peterstraße bei 52,4 µg/m³ und an der Monheimsallee bei 51,2 µg/m³. Die bisher umgesetzten Maßnahmen reichen nicht aus, um die Grenzwerte schnellstmöglich einzuhalten.

->Quellen: