Klima wie Norditalien

Interview mit Ernst Rauch, Munich RE: „Brandenburgs Bauern sollten Oliven anbauen“

Ernst Rauch, Klimaexperte des Rückversicherers Munich Re, riet den Brandenburgischen Bauern, und nicht nur ihnen, in einem Tagesspiegel-Interview mit Heike Jahberg, sie sollten darüber nachdenken, ob sie langfristig nicht lieber Olivenbäume anpflanzen würden. Das war zwar symbolisch gemeint, aber Deutschland steuert auf ein Klima wie Norditalien zu. Jahberg: „Das hat Konsequenzen.“

Alter Olivenbaum vor südlichem Landhotel – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Rauch konstatierte, „dass in Mitteleuropa die Sommer schon seit langem immer trockener und die Winter immer feuchter werden. Und das wird auch so weitergehen“. Es gebe allerdings keinen zwingenden Beweis dafür, dass das der Klimawandel sei. Aber lau Rauch würden die Auswirkungen des Klimawandels „zu solchen Mustern passen“. Dabei rückten die Klima- und die Vegetationszonen „von Süden nach Norden vor. Das merkt man zum Beispiel auch beim Wein. In Deutschland werden jetzt auch Sorten angebaut, die mehr Sonne und Wärme brauchen.“ (Und es gibt mehr Spätlesen, auch alkoholreichere Weine): „Wenn die Entwicklung so weiter geht, werden wir in Deutschland eine Vegetation haben wie in Norditalien. Die Landwirtschaft muss sich anpassen. Die Brandenburger Bauern werden mittelfristig nicht mehr Getreide anbauen können, sondern müssen dann eher Olivenbäume pflanzen.“

Insgesamt würden die Winter generell wärmer. Weltweit gesehen habe sich die Erde seit gut 100 Jahren um ein Grad erwärmt. Das klinge weniger dramatisch als es es in Wirklichkeit sei: „Es ist ja nicht so, dass nur die Durchschnittstemperatur von 23 auf 24 Grad steigt, sondern auch die Extreme nehmen zu. Es gibt daher viel mehr heiße Tage.“

[note Zusammenhang zwischen Durchschnittstemperatur und Extremwerten: Am häufigsten treten gewöhnliche Temperaturen in der Nähe der Durchschnittstemperatur auf (Mitte der Grafik). Besonders kalte oder heiße Ereignisse (an den Rändern) sind seltener, und deshalb ist die Kurve an den Rändern viel flacher. Diese Verteilung entspricht der sogenannten Gaußschen Normalverteilung (auch Gaußsche Kurve oder Gauß-Glocke). Mit der Erderwärmung rückt die Durchschnittstemperatur in Richtung der wärmeren Werte; die gesamte „Glocke“ verschiebt sich ebenfalls hin zur Hitze. Deshalb werden nicht nur die gewöhnlichen Tage wärmer, sondern die heißen Tage werden noch heißer. Klirrend kalte Tage werden hingegen seltener. (nach wetter.de) – Foto: Meteorologe Sven Plöger erklärt die Verschiebung der Gaußschen Kurve © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify, Mülheim, 19.03.2018]

In Entwicklungsländern erführen die Dorfbewohner oft gar nicht, dass Unwetter heranziehen. Denn Klimapolitik habe zwei Stoßrichtungen: „Wie vermeiden wir den weiteren Ausstoß von Klimagasen? Und wie können sich Staaten an den Klimawandel anpassen? Letzteres ist vor allem in den ärmeren Ländern ein Riesenproblem, hier gibt es extrem hohen Handlungsbedarf. Denn eines ist klar: Selbst wenn die Welt die Emissionen von Klimagasen jetzt sehr schnell zurückfahren würde, würde sich das erst in 100 Jahren bemerkbar machen.“

Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf Null

Das liegt laut Rauch daran, dass sich Treibhausgase wie etwa Kohlendioxid sehr lange in der Atmosphäre halten: „Wenn wir heute sparen, merken die nächsten zwei, drei Generationen davon noch nichts. Im Pariser Klimaabkommen hat man sich ja darauf verständigt, dass die Temperatur weltweit nicht um mehr als zwei Grad steigen soll – und das geht nur, wenn die Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts in weiten Teilen der Welt auf Null sinken“.

Dafür müssten vor allem in den armen Ländern die Information über den Klimawandel verbessert werden. Tropische Wirbelstürme zögen mit einem Vorlauf von mehreren Tagen heran. Im Internet lasse sich das gut verfolgen. Aber viele Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern hätten keinen Zugang zu dieser Information. Wenn der Dorfvorstand oder der Lehrer die Bewohner warnen würden, könnten sie sich in Sicherheit bringen. Es müsste heute kein Mensch mehr durch eine Sturmflut ertrinken.“

Wichtig ist für Rauch, dass die Regierungen der betroffenen Länder ein Interesse daran haben, das Risikomanagement für ihre Bevölkerung zu verbessern. Die Finanzierung gehe dann meist über internationale Hilfsgelder. Heute geschehe das in aller Regel noch immer über Katastrophenhilfe nach einem Ereignis. Wichtig wäre aber, dass Geld auch in die Vorsorge fließe. Einige gute Initiativen, etwa die G7 Insuresilience Initiative, oder das IDF, das Insurance Development Forum, versuchten beispielsweise, gemeinsam mit Regierungen, Entwicklungsbanken und der Privatwirtschaft langfristig wirkende Programme zu starten.

Rauch wies in diesem Zusammenhang besonders auf die von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller ins Leben gerufene „Partnerschaft mit Afrika“. Die zielt ja in diese Richtung. Was für uns von besonderem Interesse ist, sind die im Zusammenhang mit Desertec möglichen neuen Partnerschaften mit Ländern in der Mena-Region, also in Nordafrika und in Nahost.

Am Schluss des Interviews ging Rauch auf die Wüstenstrom-Initiative Desertec ein, zu deren Gründungsmitgliedern einst die Munich Re gehört hatte (solarify.eu/desertec-dii-gmbh): Leider habe sich das „ursprüngliche Projekt nicht umsetzen lassen“. Aber die Gesellschaft sei weiterhin aktiv unter dem Namen Dii Desert Energy (siehe auch: solarify.eu/desertec-reloaded). Sie habe ihren Sitz in Dubai, Gesellschafter seien jetzt der chinesische Stromkonzern China State Grid, aus Deutschland sei Innogy dabei, und die Munich Re begleite das mit ihrer Risikomanagement-Expertise. Es würden Objekte gebaut in Nordafrika, der Türkei und dem Nahen Osten, der sogenannten Menat-Region. Im Kontext der Energiewende und dem Ausstieg aus der Kohle werde die Energiezufuhr aus dem Ausland wichtiger. Wolle man erreichen, bis 2050 rund 80 weniger Kohle zu verfeuern, bräuchte man mehr Erneuerbare Energie, dafür sei die Menat-Region besser geeignet als Europa. „Das wäre eine Chance für ein Desertec 2.0.“.

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