EU-Parlament: Strengere Klimaziele für Autos bis 2030

Neue Autos müssen dann 40 % weniger CO2 ausstoßen – E-Mobility-Quote soll auf 35 % steigen

Das europäische Parlament hat sich am 03.10.2018 dafür ausgesprochen, den CO2-Ausstoß von Neufahrzeugen bis 2030 um 40% zu senken und den Marktanteil emissionsarmer, bzw. -freier Autos zu erhöhen. In dem Gesetzentwurf schlagen die Abgeordneten vor, die Emissionen der Flotte neuer Personenkraftwagen bis 2030 stärker zu senken als von der Kommission vorgeschlagen.

Die Kommission hatte eine Reduzierung um 30% (bis 2021), die Abgeordneten eine Kürzung um 40%, mit einem Zwischenziel von 20% bis 2025, gefordert. Ähnliche Ziele sollen für neue leichte Nutzfahrzeuge gelten. Die Abgeordneten wollen, dass Hersteller, deren durchschnittliche CO2-Emissionen diese Ziele überschreiten, eine Geldbuße in die EU-Kasse zahlen müssen; die soll für die Weiterbildung von Arbeitnehmern verwendet werden, die von Veränderungen im Automobilsektor betroffen sind. Die Automobilhersteller müssten auch sicherstellen, dass der Anteil von emissionsfreien und emissionsarmen Fahrzeugen – die weniger als 50 g/km CO2 ausstoßen – deutlich steigt. So sollen 20% aller Neuzulassungen 2025 in diese Kategorie fallen, und 35% im Jahr 2030.

Die Abgeordneten wollen den Marktanteil von Elektroautos bis 2030 auf 35% erhöhen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

CO2-Emissionstests im realen Fahrbetrieb bis 2023

Das Parlament fordert die EU-Kommission auf, innerhalb von zwei Jahren Pläne für eine Prüfung der CO2-Emissionen im wirklichen Fahrbetrieb mit einem tragbaren Gerät vorzulegen, wie es kürzlich für die Messung von NOx eingeführt wurde. Bis dahin müssen die CO2-Emissionen auf der Grundlage von Daten aus den Kraftstoffverbrauchszählern der Fahrzeuge gemessen werden. Die Abgastests unter Bedingungen des realen Fahrbetriebs müssen ab 2023 durchgeführt werden, so die Abgeordneten.

Soziale Auswirkungen der Dekarbonisierung

Die MdEP betonten vor allem die Sozialverträglichkeit des Übergangs zu emissionsfreier Mobilität – der erfordere Veränderungen in der gesamten automobilen Wertschöpfungskette, mit potenziell negativen Auswirkungen auf Bürger und Regionen in allen Mitgliedstaaten, betonen die Abgeordneten. Die EU solle daher Maßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene zur Neuqualifizierung, Weiterqualifizierung und Umschulung von Arbeitnehmern sowie Initiativen in Bezug auf Bildung und Stellensuche in betroffenen Gemeinden und Regionen unterstützen. Das Parlament forderte auch die Unterstützung der europäischen Batterieherstellung.

Verbrauchsdaten und Lebenszyklusemissionen

Bis Ende 2019 muss die EU-Kommission Rechtsvorschriften vorschlagen, die den Verbrauchern zuverlässige und vergleichbare Daten zum Kraftstoffverbrauch sowie zu den CO2– und Luftschadstoffemissionen der in Verkehr gebrachten neuen Personenkraftwagen liefert. Ab 2025 müssen die Automobilhersteller die nach einem harmonisierten Unionsverfahren ermittelten Lebenszyklus-CO2-Emissionen der von ihnen ab diesem Datum in Verkehr gebrachten Fahrzeugtypen melden.

Widerstand aus der Autoindustrie und von rechts

Die Autohersteller dagegen schlagen Alarm: Die abgestimmten „extrem aggressiven“ Ziele zwängen die Industrie zu einer „dramatischen Umwandlung in Rekordzeit“, erklärte der europäische Herstellerverband Acea. Arbeitsplätze seien in Gefahr. Außerdem fehlten bislang die Voraussetzungen für so viele Autos mit Batterieantrieb.

[note „Wir sind nach wie vor besonders besorgt über die äußerst aggressiven CO2-Reduktionsziele und die Einführung von Verkaufsquoten für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge. Die heutige Abstimmung droht sich sehr negativ auf die Arbeitsplätze entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Automobilindustrie auszuwirken“, sagte ACEA-Generalsekretär Erik Jonnaert. „Sie würde die Branche in Rekordzeit zu einem dramatischen Wandel zwingen.“ Die ACEA nehme auch zur Kenntnis, dass es bei einigen wichtigen Themen eine sehr knappe Mehrheit gegeben habe. „Es gibt keine Garantie dafür, dass wir über den richtigen Rahmen verfügen, um diesen plötzlichen Übergang zur Elektromobilität zu erleichtern.“ Derzeit fehle es stark an einer Aufladung der Infrastruktur, und die Anreize für die Verbraucher, die teureren Elektrofahrzeuge zu kaufen, sind in der gesamten EU noch nicht harmonisiert. „Die Verbraucher könnten nicht gezwungen werden, Elektroautos zu kaufen, ohne die notwendige Infrastruktur oder Anreize“, erklärte Jonnaert – und: „Wir können nur hoffen, dass die nationalen Regierungen etwas Realismus mitbringen, wenn sie nächste Woche ihren gemeinsamen Standpunkt zu den künftigen CO2-Zielen festlegen.“]

Aus Sicht von Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), setzt das EU-Parlament völlig unrealistische Ziele. Es ignoriere die technische und wirtschaftliche Machbarkeit: „Die Ziele werden in diesem Zeitraum nicht umsetzbar sein. Schon der sehr ambitionierte Vorschlag der EU-Kommission würde die Erreichung der EU-Klimaziele sicherstellen.“

Starke Worte

Die Abgeordneten setzten sich über Bedenken der Konservativen und einiger Liberaler hinweg, die im Sinn der Automobilindustrie argumentiert hatten. Die deutsche FDP-Abgeordnete Gesine Meissner sprach von „überambitionierten und nicht erreichbaren Zielvorgaben“. Jens Gieseke („ein schlechter Tag für die Autoindustrie – mit dem Totschlagargument versucht man die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen“), der CDU-Mann betreute für die konservative EVP-Fraktion das Thema, sah Arbeitsplätze in Gefahr „ohne nennenswerten Vorteil für Umwelt und Klima“. Für seinen Parteifreund Markus Pieper geht die Entscheidung „über das Machbare für die Industrie“ hinaus: „Wenn (…) gleichzeitig mit Elektroquoten vorrangig nur ein Weg vorgeschrieben wird, nimmt die linke Seite den Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen in Europa in Kauf.“ Der verkehrspolitische Sprecher der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Ismail Ertug, zeigte sich zufrieden. Damit könne das Klima geschützt werden, gleichzeitig könnten aber auch Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Europa behalten werden. Weniger enthusiastisch fällt das Urteil der Grünen aus: „Das Europäische Parlament zeigt sich verhalten ehrgeizig“, erklärt die klimapolitische Sprecherin Rebecca Harms. Auch die Bundesregierung steuere auf Kurs der Autolobby.

Die nächsten Schritte

Der Antrag wurde mit 389 Stimmen angenommen, bei 239 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen. Die EU-Minister werden ihren Gemeinsamen Standpunkt am 09.10.2018 festlegen. Die Verhandlungen mit den Abgeordneten des Europäischen Parlaments über eine Einigung in erster Lesung würden dann am 10.10. beginnen.

[note Solarify: „Machen wir uns nichts vor – das wird noch ein langer Weg; die EU-Staaten sind nämlich auch hier vielstimmig uneins.“]

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