EU-Wettbewerbshüter billigen deutsche Beihilfen für Steinkohleausstieg

„Entschädigungen für Braunkohlekraftwerke sind noch zu prüfen“

Die Europäischen Kommission hat die beihilferechtliche Genehmigung für weite Teile des Kohleausstiegsgesetzes erteilt, berichtet des Bundesumweltministerium am 25.11.2020 in einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium. Das wettbewerbliche Ausschreibungssystem bei der Steinkohle sei somit vereinbar mit den beihilferechtlichen Vorgaben und dem europäischen Binnenmarkt. Die Genehmigung komme damit rechtzeitig vor dem Zuschlagstermin der ersten Ausschreibungsrunde im Dezember und ermögliche die planmäßige Stilllegung von Steinkohlekraftwerkskapazitäten in Höhe von 4 Gigawatt noch in 2020, heißt es.

Kohlekraftwerk Schkopau – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die erste Ausschreibungsrunde für Steinkohle, die im August 2020 über die Bundesnetzagentur durchgeführt wurde, könne damit wie geplant beendet und bezuschlagt werden. Beim Komplex Steinkohle habe es eine Anpassung gegeben, die das Jahr 2027 betreffe. Die letzte Ausschreibungsrunde für die Stilllegung von Kapazitäten im Jahr 2027 solle entfallen, um ein durchgehend hohes Wettbewerbsniveau in den Ausschreibungen zu gewährleisten. Die Stilllegung von Steinkohlekraftwerkskapazitäten erfolge somit ab 2027 nach ordnungsrechtlichen Vorgaben.

Bei der Braunkohle werde die Europäische Kommission aller Voraussicht nach ein sogenanntes förmliches Prüfverfahren eröffnen. Damit werde für alle Beteiligten mehr Rechtssicherheit erreicht. Die Europäische Gerichtsbarkeit habe in der Vergangenheit wichtige beihilferechtliche Genehmigungen der EU-Kommission aufgehoben, weil diese auf förmliche Prüfverfahren verzichtet hatte. Anders als bei der Steinkohle sei bei der Braunkohle aufgrund der geringen Anzahl von Marktteilnehmern keine wettbewerbliche Ermittlung der Entschädigungen über eine Ausschreibung möglich. Deshalb – und auf Empfehlung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ – sei eine Verhandlungslösung mit Entschädigungszahlungen und der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit den betroffenen Unternehmen vorgesehen. Ein Prüfverfahren würde dieses Vorgehen nicht in Frage stellen.

Der Kohleausstieg komme ohne zeitliche Verzögerung. Die Prüfung habe keinen Einfluss auf die Stilllegung von Braunkohlekraftwerkskapazitäten in Deutschland. Der Stilllegungspfad, der eine erste Kraftwerksabschaltung bereits zum 31.12.2020 vorsehe, gelte nach wie vor und werde umgesetzt.

„Deutsche Entschädigungsregelungen mit EU-Beihilfevorschriften im Einklang“

Die Europäische Kommission habe den von Deutschland eingeführten Marktmechanismus zur Stilllegung von Steinkohlekraftwerken genehmigt. Mit den Ausschreibungen werde die Entschädigung auf das erforderliche Minimum begrenzt und eine übermäßige Wettbewerbsverzerrung vermieden. Eine beihilferechtliche Prüfung der Entschädigungszahlungen für die Stilllegung von Braunkohlekraftwerken stehe noch aus. Hier würden die Zahlungen zwischen der Bundesregierung und den jeweiligen Betreibern vereinbart, heißt es weiter in der Pressemeldung der deutschen Vertretung der Europäischen Kommission vom 25.11.2020.

„Die Pläne Deutschlands, Anreize für die frühzeitige Stilllegung solcher Kraftwerke zu bieten und im Rahmen von Ausschreibungen ausgewählten Unternehmen eine Entschädigung für ihren Marktaustritt zu gewähren, stehen mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang“, erklärte die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager am 25.11.2020 in Brüssel.

Nach dem deutschen Kohleausstiegsgesetz soll die Verstromung von Kohle in Deutschland bis Ende des Jahres 2038 auf null reduziert werden. Deutschland hat beschlossen, die frühzeitige Stilllegung von Steinkohlekraftwerken mithilfe einer im Rahmen von Ausschreibungen gewährten Stilllegungsprämie, dem „Steinkohlezuschlag“, zu fördern. Dieser Mechanismus soll auch eine geordnete Stilllegung der Kohlekraftwerke ermöglichen, um die Energieversorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten.

Der deutsche Ausschreibungsmechanismus

Die deutsche Energieregulierungsbehörde wird zwischen 2020 und 2023 sieben Ausschreibungen für die Stilllegung von Steinkohlekraftwerken und kleinen Braunkohlekraftwerken (unter 150 MW) veröffentlichen, die dann jährlich bis 2026 stattfinden werden. Die erfolgreichen Bieter werden von der Energieregulierungsbehörde auf der Grundlage transparenter Zuschlagskriterien ausgewählt. Die Ausgestaltung des Ausschreibungsmechanismus dürfte Deutschland eine größtmögliche Emissionsminderung zu geringsten Kosten ermöglichen und gleichzeitig eine Schließung der Kraftwerke verhindern, die für die Netzstabilität benötigt werden.

Die Kommission stelle in ihrem Beschluss nicht abschließend fest, ob die Maßnahme den betroffenen Betreibern einen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern verschafft und somit eine staatliche Beihilfe darstelle. Sie habe jedoch die Vereinbarkeit der Maßnahme mit Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV geprüft und sei dabei zu dem Schluss gekommen, dass die Maßnahme in jedem Fall mit dem EU-Binnenmarkt vereinbar wäre, heißt es in der Pressemeldung weiter. Insbesondere habe sie festgestellt, dass mit einer Reihe von Vorkehrungen sichergestellt werde, dass die Ausschreibungen wettbewerbsorientiert seien und die Entschädigung somit auf das erforderliche Minimum beschränkt werde. Da der Beitrag der Maßnahme zu den EU-Umwelt- und Klimaschutzzielen eindeutig schwerer wiege als etwaige beihilfebedingte Verfälschungen von Wettbewerb und Handel, habe die Kommission die Maßnahme nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt.

Hintergrund

Im europäischen Grünen Deal wurde anerkannt, dass die weitere Dekarbonisierung des Energiesystems entscheidend ist, um die Klimaziele in den Jahren 2030 und 2050 zu erreichen. 75 % der Treibhausgasemissionen der EU entstehen durch die Erzeugung und den Verbrauch von Energie in allen Wirtschaftszweigen. Daher muss ein Energiesektor entwickelt werden, der sich weitgehend auf erneuerbare Energiequellen stützt; dies muss durch den raschen Ausstieg aus der Kohle und die Dekarbonisierung von Gas ergänzt werden.

Braunkohle-Beihilfen werden voraussichtlich förmlicher Prüfung unterzogen

Neben dem Ausschreibungsmechanismus für die Beschleunigung des Steinkohleausstiegs sehe das deutsche Kohleausstiegsgesetz auch eine Maßnahme für den Ausstieg aus der Verstromung von Braunkohle vor. Diese Maßnahme sei jedoch nicht Gegenstand dieses Beschlusses (mit Ausnahme kleiner Braunkohlekraftwerke mit einer Nennleistung von weniger als 150 MW), wie die Deutsche Vertretung der Europäischen Kommission berichtet. Die Entschädigungszahlungen für die Stilllegung von Braunkohlekraftwerken würden nicht über einen Ausschreibungsmechanismus festgelegt, sondern zwischen der Bundesregierung und den jeweiligen Betreibern vereinbart. Die Kommission stehe in dieser Angelegenheit mit den deutschen Behörden in Kontakt und gehe davon aus, dass in Kürze eine förmliche Anmeldung dieser Maßnahme eingehen werde, so dass sie die Maßnahme nach den EU-Beihilfevorschriften prüfen könne.

Nach den der Kommission im Vorprüfverfahren vorliegenden Informationen werde in dieser Sache voraussichtlich die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens gerechtfertigt sein. In dem Fall erhielten Deutschland und Beteiligte Gelegenheit, zu der Maßnahme Stellung zu nehmen. Die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens greife dem Ergebnis der Untersuchung der Kommission in der Regel nicht vor.

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