Wie fliegen wir klimaneutral?

Sogar mit fossilen Treibstoffen (und CCS)

Eine klimaneutrale Luftfahrt ist möglich, schreibt Fabio Bergamin am 13.01.2020 auf der Internetseite der ETH Zürich. Dabei dürften auch in Zukunft Flugzeuge mit fossilen Treibstoffen betrieben werden. Klimaschutz und Verwendung von fossilen Treibstoffen schließen einander nicht aus – wenn das ausgestoßene CO2 konsequent im Untergrund gespeichert wird.

Vor Abflug in Barcelona – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Aus Klimaschutzgründen notwendig und inzwischen auch politisch unbestritten sei, dass unsere Volkswirtschaft so schnell wie möglich klimaneutral wird. Das gilt auch für den Flugverkehr. Technisch machbar ist das, und es gibt zahlreiche Möglichkeiten, es zu erreichen. ETH-Professor Marco Mazzotti und sein Team haben die Möglichkeiten, deren Umsetzung kurz- und mittelfristig am einfachsten erscheint, miteinander verglichen und sie unter anderem nach ihrer Wirtschaftlichkeit bewertet.

Das Fazit der ETH-Forschenden: Am günstigsten ist es, für Flugzeuge auch in Zukunft fossile Treibstoffe zu verwenden, jedoch das ausgestoßene CO2 in Abscheidungsanlagen der Atmosphäre zu entnehmen und dauerhaft im Untergrund zu speichern (CCS). „Die entsprechende Technologie ist schon bereit. Und in der Nordsee und anderswo sind seit Jahren unterirdische Lagerstätten in Betrieb“, sagt Viola Becattini, Postdoc in Mazzottis Gruppe und Erstautorin der in Industrial & Engineering Chemistry Research publizierten Studie „Role of Carbon Capture, Storage, and Utilization to Enable a Net-Zero-CO2-Emissions Aviation Sector“.

„Der Ansatz kann zu einer kostengünstigen Lösung für eine klimaneutrale Luftfahrt werden, wenn zum Beispiel eine CO2-Lenkungsabgabe oder ein Handel mit Emissionszertifikaten auf fossile Flugzeugtreibstoffe eingeführt wird, oder wenn Regierungen finanzielle Anreize für den Einsatz von CCS und das Erreichen von Klimazielen schaffen würden“, so Mazzotti.

Direkt oder indirekt aus der Luft

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, CO2 abzuscheiden: entweder direkt aus der Luft oder indirekt an einem Ort, an dem organisches Material verbrannt wird, zum Beispiel in einer Müllverbrennungsanlage. „Der Kohlenstoff des in einer Müllverbrennungsanlage verbrannten Mülls stammt grob gesagt zur Hälfte aus fossilen Quellen, wie zum Beispiel Plastik, das aus Erdöl produziert worden ist. Bei der anderen Hälfte handelt es sich um organisches Material wie Holz oder daraus produzierte Stoffe wie Papier und Karton“, erklärt Mazzotti.

Für den Anteil des Kohlenstoffs aus fossilem Ursprung ist die Abscheidung und Lagerung aus Klimaschutzperspektive ein Nullsummenspiel: Kohlenstoff aus dem Untergrund wird dorthin zurücktransportiert, wo er herkommt. Für den Anteil aus organischen Quellen gilt: Pflanzen haben diesen Kohlenstoff ursprünglich aus der Luft als CO2 aufgenommen. Scheidet man diesen Kohlenstoff ab und lagert ihn, so hat man unterm Strich CO2 aus der Luft entfernt. CCS eignet sich daher, um Kohlenstoff aus fossilen Flugtreibstoffen wieder in den Untergrund zu verfrachten. Der Flugverkehr kann damit effektiv klimaneutral werden.

In ihrer Studie konnten die ETH-Wissenschaftler zeigen, dass die indirekte Kohlenstoffabscheidung aus Müllverbrennungsabgasen bezüglich der Kosten deutlich besser abschneidet als die technisch ebenfalls bereits machbare direkte Abscheidung von Kohlenstoff aus der Luft (Direct Air Capture – DAC, s. solarify.eu/direct-air-capture-dac).

Synthetischer Treibstoff teurer

Als weitere Option untersuchten die Wissenschaftler die synthetische Herstellung von Flugtreibstoff aus CO2, das direkt oder indirekt aus der Luft abgeschieden wird (CCU). Allerdings ist CCU rund dreimal teurer als CCS. Weil die chemische Synthese von Treibstoff aus CO2 energieintensiv ist, ist dieser Ansatz in jedem Fall weniger wirtschaftlich als die Verwendung von fossilem Treibstoff und CCS. CCU sei aus Klimaschutzperspektive aber nur dann interessant, wenn praktisch ausschließlich Strom aus klimaneutralen Quellen verwendet werde. „Trotz dieser Einschränkung und den grundsätzlich hohen Kosten gibt es möglicherweise Weltregionen, in denen CCU sinnvoll ist. Zum Beispiel dort, wo sehr viel Erneuerbarer Strom produziert wird und keine geeigneten CO2-Speicherstätten vorhanden sind“, sagt Becattini.

Die ETH-Forschenden berechneten die Kosten der verschiedenen Möglichkeiten einer klimaneutralen Luftfahrt nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Zeit bis 2050. Sie erwarten, dass die CCS- und CCU-Technologien mit dem technischen Fortschritt sowie Skaleneffekten günstiger wird. Der über Lenkungsabgaben erhobene Preis für CO2-Emissionen dürfte steigen. Wegen diesen beiden Entwicklungen rechnen die Forschenden damit, dass sich CCS und CCU je länger desto mehr lohnen werden.

Infrastruktur nötig

Die Forschenden betonen, dass es noch weitere Möglichkeiten gibt, den Flugverkehr klimaneutral zu gestalten. So laufen beispielsweise Forschungsanstrengungen für Flugzeuge, die entweder mit Strom oder mit Wasserstoff betrieben werden. Diese Anstrengungen seien ernstzunehmen, sagt Mazzotti. Die Ansätze hätten aber auch Nachteile. So dürften elektrisch betriebene Flugzeuge wegen des hohen Gewichts von Batterien für Langstrecken eher ungeeignet sein. Und für die Nutzung von Wasserstoff als Treibstoff müssen Flugzeuge und Versorgungsinfrastruktur von Grund auf neu entwickelt und aufgebaut werden. Weil diese Ansätze derzeit noch im Entwicklungsstadium sind und entsprechend noch viele Fragen offen sind, haben die ETH-Wissenschaftler diese nicht in ihre Analyse einbezogen und sich auf Flüssigtreibstoffe fokussiert.

Für CCS brauche es aber auch eine Infrastruktur, betonen die Forschenden. Die Orte, an denen CO2 effizient abgeschieden werden kann, und die Lagerorte für CO2 seien unter Umständen weit voneinander entfernt, weshalb es auch eine Transportinfrastruktur für CO2 brauche. Wissenschaft, Industrie und Politik müssten sich in den kommenden Jahren anstrengen, um diese Infrastruktur zu planen und aufzubauen – nicht nur für das CO2 der Luftfahrt, sondern auch für jenes anderer CO2-intensiver Branchen wie der chemischen Industrie oder der Zementindustrie.

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