Mit Enzymreaktionen verwandtes Katalyse-Verfahren entwickelt

Methode der Universität Bonn ermöglicht nachhaltige Oxidationen

Acetale sind wichtige chemische Verbindungen, die etwa bei der Herstellung bestimmter medizinischer Wirkstoffe eingesetzt werden. Mit einer neuen Methode lassen sie sich – einer Medienmitteilung der Universität Bonn vom 18.01.2021 zufolge – künftig einfacher und umweltschonender synthetisieren. Chemiker der Universität Bonn haben das nachhaltige Katalyse-Verfahren u.a. mittels modernster Computersimulationen entwickelt und optimiert. Die Reaktion basiert auf einem Mechanismus, der auch in der Natur vorkommt, aber bislang in der chemischen Synthese selten genutzt wurde. Die Ergebnisse erschienen in Angewandte Chemie.

Computergenerierte Struktur des Katalysator-Komplexes mit dem reduzierten Titan im aktiven Zentrum – © AG Prof. Grimme, Fabian Bohle, Universität Bonn

Ein zentraler Schritt bei der Herstellung von Acetalen ist die Bindung von zwei Sauerstoffatomen an ein Kohlenstoff-Atom. Chemiker erreichen diese Anordnung oft durch Oxidationen. Um sie zu bewerkstelligen, werden normalerweise starke Oxidationsmittel eingesetzt. Diese geben bei der Reaktion ein Sauerstoff-Atom ab. Der Rest des Oxidationsmittels muss nach der Synthese entsorgt werden.

Acetale sind chemische Verbindungen mit zwei Alkoxy- oder Aryloxygruppen (–OR) am selben Kohlenstoff-Atom. Damit zählen sie zu den geminalen Diethern. Die Bezeichnung für diese Stoffgruppe geht auf Acetaldehyddiethylacetal zurück, das anfangs einfach Acetal genannt wurde. Acetale leiten sich formal von Aldehyden bzw. Ketonen ab, wobei ursprünglich zwischen den aus Aldehyden gebildeten Diethern (mit einem H-Atom) und den aus Ketonen gebildeten Diethern (Ketalen) unterschieden wurde. Heutzutage werden nach IUPAC Ketale meist als Unterklasse der Acetale betrachtet. Bei der Bildung von Acetalen entstehen als Zwischenprodukte die Semi- bzw. Halbacetale, die in Anwesenheit von Säuren weiter zu Acetalen reagieren. Acetale bilden sich bei Umsetzung von Aldehyden oder Ketonen mit Alkoholen. Die Reaktion erfolgt in der Regel säurekatalysiert unter Abspaltung von Wasser (de.wikipedia.org/Acetale)

„Wir beschreiben in unserer Studie jedoch einen Weg, den man als atom-ökonomisch bezeichnet – das heißt, bei ihm entsteht kein Abfall“, erklärt Prof. Andreas Gansäuer vom Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn. „Dabei ist im Ausgangsmolekül selbst bereits das Sauerstoff-Atom enthalten, das für die Oxidation benötigt wird. Durch die von uns entwickelte Katalyse wird dieser Sauerstoff einfach im Molekül verschoben, wodurch das Acetal entsteht.“

Das Ausgangsmolekül enthält dazu eine sogenannte Epoxid-Gruppe – das ist eine Art „Dreieck“, bei dem zwei Ecken von Kohlenstoff-Atomen und die dritte von einem Sauerstoff-Atom gebildet werden. Solche Dreiringe stehen unter großer Spannung und brechen daher leicht am Sauerstoff-Atom auseinander. Epoxide speichern dabei wie eine gespannte Feder die nötige Reaktionsenergie.

Katalyse nach dem Vorbild der Natur

Dazu benötigt sie aber einen passenden Katalysator. Sauerstoffatome verfügen bildlich gesprochen über zwei „Ärmchen“, mit denen sie Bindungen eingehen können. Beim Bruch des Epoxid-Rings wird einer dieser Arme frei. An ihn bindet nun temporär der Katalysator. Dadurch wird eine Abfolge von molekül-internen Umlagerungen in Gang gesetzt. An ihrem Ende lässt das Sauerstoff-Atom den Katalysator wieder los und bindet stattdessen an den gewünschten Kohlenstoff. „Wir bezeichnen diesen Schritt als Oxygen Rebound“, sagt Gansäuer.

Bei chemischen Synthesen wird dieser Mechanismus bisher nur selten genutzt – ganz anders als in der Natur: Die Leber etwa baut mit Hilfe des „Oxygen Rebounds“ unter anderem Giftstoffe ab. Auch sie benötigt dazu Katalysatoren, die sogenannten P450-Enzyme. In ihrem aktiven Zentrum sitzt ein Eisen-Atom. „Auch das Herz unseres Katalysators besteht aus einem häufig vorkommenden und ungiftigen Metall, nämlich Titan“, erklärt Prof. Stefan Grimme vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn.

Katalysator-Tuning am Rechner

Das Titan nimmt bei der Acetal-Synthese zunächst ein Sauerstoff-Atom auf und gibt es dann wieder ab (auf die Oxidation folgt also eine sogenannte Reduktion). Das funktioniert nur dann effektiv, wenn es den Sauerstoff stark genug an sich bindet, ohne aber zu sehr zu „klammern“. Um seine Sauerstoff-Affinität passend einzustellen, bindet man das Titan an bestimmte Moleküle, seine Liganden. Je nach Bindungspartner wirkt das Metall dann etwas stärker oxidierend oder lässt sich leichter reduzieren. Die Wahl der am besten geeigneten „Tuning-Moleküle“ erfolgt heute am Computer. Die Arbeitsgruppe um Prof. Grimme ist auf

Im oxidierten Zustand ist Titan rot (links), im reduzierten blau (rechts) – Bild © AG Gansäuer, Pierre Funk, Universität Bonn

diese Aufgabe spezialisiert: Sie hat in den letzten Jahren Algorithmen entwickelt, die sehr schnelle Simulationen von Katalysator-Eigenschaften erlauben.

In ihrer Studie konnten die Wissenschaftler dadurch ihren Katalysator so optimieren, dass er den Ausgangsstoff komplett zum gewünschten Acetal umsetzt. „Das Ergebnis dokumentiert sehr schön, wie nützlich eine enge Kooperation zwischen Experiment und Theorie ist, um nachhaltige Katalyse-Methoden zu entwickeln“, betont Gansäuer.

Andreas Gansäuer und Stefan Grimme sind Mitglieder des transdisziplinären Forschungsbereichs (TRA) „Bausteine der Materie und grundlegende Wechselwirkungen“ der Universität Bonn. In sechs verschiedenen TRAs kommen Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Fakultäten und Disziplinen zusammen, um gemeinsam an zukunftsrelevanten Forschungsthemen der Exzellenzuniversität zu arbeiten.

->Quelle und Publikation:

  • uni-bonn.de/neues/017-2021
  • Pierre Funk, Ruben B. Richrath, Fabian Bohle, Stefan Grimme, Andreas Gansäuer: Oxidizing under Reductive Conditions: From Benzylic Ethers to Acetals with Perfect Atom-Economy by Titanocene(III)-Catalysis, in: Angewandte Chemie, DOI: 10.1002/anie.202013561