Neutrinomasse bald bestimmbar?

ECHo-Kollaboration der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg führend

Das künstliche Holmiumisotop mit der Massenzahl 163 steht im Fokus mehrerer großer Kollaborationen. Diese planen, die Neutrinomasse aus Messungen der Energie zu bestimmen, die beim Elektroneneinfang von Holmium-163 ins stabile Dysprosium-163 frei wird. Derzeit ist dabei die von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg aus geleitete ECHo-Kollaboration führend. Die Bestimmung der Neutrinomasse bedingt eine vorgängige präzise Bestimmung der Zerfallsenergie von Holmium-163. In den letzten Jahrzehnten wurden dafür Werte veröffentlicht, die in einem breiten Bereich von 2.400 bis 2.900 Elektronenvolt (eV) liegen, die aber alle aus indirekten Messungen mit unterschiedlichen Methoden stammen. Der in Datentabellen empfohlene Wert rangiert am unteren Ende der Skala. Neuere Resultate liegen jedoch einige 100 Elektronenvolt höher als dieser empfohlene Wert, sodass dieser angezweifelt werden muss.

Da Albert Einsteins berühmte Gleichung E=mc2 die für den Zerfall zur Verfügung stehende Energie mit der Masse der beteiligten Atome verbindet, kann eine hochpräzise Wiegung der beteiligten Atome das Rätsel lösen. Dazu hat sich eine Gruppe aus Physikern, Chemikern und Ingenieuren aus Deutschland, Russland, der Schweiz und Frankreich in der ECHo-Kollaboration zusammengefunden: Während das stabile Dysprosium-163 in der Natur vorkommt, mussten Proben von Holmium-163 erst aus natürlich vorkommendem Erbium durch intensive Neutronenbestrahlung im Hochflussreaktor im Institut Laue-Langevin in Grenoble hergestellt werden. Die Reinigung und Weiterverarbeitung dieser Proben wurde im Paul Scherrer Institut in Villigen in der Schweiz sowie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durchgeführt.

„Um die Massendifferenz von Holmium und Dysprosium zu bestimmen, haben wir die Frequenzen der Kreisbewegungen ihrer Ionen im starken Magnetfeld der Ionenfalle SHIPTRAP am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt gemessen. Dabei wurde die neue Technik der phasenabbildenden Ionen-Zyklotron-Resonanz-Methode angewendet, die Messungen mit höchster Genauigkeit erlaubt“, erklärt Dr. Sergey Eliseev vom Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg. „Diese Kreisbewegung wird auf einen positionssensitiven Detektor projiziert, sodass selbst kleinste Massenunterschiede schneller und genauer bestimmt werden können als mit bisherigen Methoden.“ Die Frequenzen von Holmium-163 und Dysprosium-163 wurden dabei abwechselnd in Intervallen von fünf Minuten mehrere Tage lang gemessen.

Aus den Messdaten erhielten die Forscher einen endgültigen Wert der Zerfallsenergie von 2.833 Elektronenvolt mit einer Unsicherheit von nur wenigen zehn Elektronenvolt. Das bestätigt neuere Ergebnisse und den von der ECHo-Kollaboration vorgeschlagenen Ansatz zur Neutrinomassenbestimmung. „Die erste Phase des ECHo-Experiments, ECHo-1K, wurde kürzlich als Forschergruppe 2202: ‚Neutrino Mass Determination by Electron Capture in Holmium-163‘ in die Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgenommen. In dieser Phase werden wir eine Empfindlichkeit von unter 10 eV/c2 für die Neutrinomasse erreichen, was mehr als einen Faktor zehn unter der jetzigen Obergrenze ist, die in Zerfallsexperimenten mithilfe von Holmium-163 bestimmt wurde“, erklärt ECHo-Sprecherin Dr. Loredana Gastaldo von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. „Künftige Massenmessungen mit der neuen PENTATRAP-Anlage am MPIK werden die Genauigkeit des Werts der Zerfallsenergie um eine Größenordnung verbessern. Das öffnet die Tür zur Erreichung einer Empfindlichkeit unter eV-Niveau,“ fügt Klaus Blaum, Direktor am MPIK, hinzu.

Innerhalb der ECHo-Kollaboration ist die Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Dr. Christoph E. Düllmann vom Institut für Kernchemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zusammen mit Wissenschaftlern am Forschungsreaktor TRIGA der JGU für die Produktion und Präparation der dafür notwendigen Vorräte von Holmium-163 verantwortlich. „Die erfolgreiche Produktion der Proben für diese Messungen sind ein wichtiger Schritt hin zur Probenpräparation für eine empfindliche Messung der Neutrinomasse“, so Düllmann. „Dafür werden wir als weiteren Reinigungsschritt gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Klaus Wendt vom Institut für Physik der JGU eine physikalische Separation im Mainzer RISIKO-Separator durchführen, um so hochreine Proben zur Verfügung stellen zu können, ohne die die Messungen nicht möglich wären.“