Forschungsministerin Schavans Haushaltsrede 2012

Solarify dokumentiert die Haushaltsrede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, zum Haushaltsgesetz 2013 vor dem Deutschen Bundestag am 22. 11. 2012 in Berlin:

Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren!

Der größte Anteil der Wertschöpfung in Deutschland basiert auf Forschung. Es ist die erste Leitlinie für Forschungs- und Innovationspolitik in Deutschland, Sorge dafür zu tragen, dass diese Politik konzeptionell so angelegt ist, dass dieser Anteil stark ist, sich weiterentwickeln kann und dass damit auch in Zukunft Grundlagen für wirtschaftliches Wachstum vorhanden sind. Die Zukunftschancen der jungen Generation zu sichern, gehört zu den vornehmsten Aufgaben einer Gesellschaft.

Die zweite Leitlinie für unsere Bildungs- und Forschungspolitik ist, beim Thema Zukunftschancen stark zu sein und Sorge dafür zu tragen, dass junge Menschen in Deutschland gute Chancen bekommen.

Wissenschaftssysteme überall in der Welt werden immer stärker auf Internationalisierung ausgerichtet. Eine Wissenschaftsnation, die etwas auf sich hält, trägt Sorge dafür, dass der eigene Wissenschaftsstandort für die anderen starken Wissenschaftsstandorte attraktiv ist. Die dritte Leitlinie unserer Bildungs- und Forschungspolitik ist, dafür zu sorgen, dass Deutschland ein starker, relevanter Forschungsstandort ist, an den Forscher und Forscherinnen aus aller Welt kommen.

Diese drei Leitlinien – die Basis für künftige Wertschöpfung, die Signale an die junge Generation und die Internationalisierung, um attraktiv zu sein – haben diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen in dieser Legislaturperiode verfolgt. Davon zeugt dieser Haushalt. Davon zeugen insgesamt vier Haushalte. Das sagt Ihnen jeder in der Szene. Das wissen Sie auch; manchmal sind Sie sogar dabei, wenn das gesagt wird. Das wird überall in der Welt gesagt. Das führt bei uns überhaupt nicht dazu, dass wir uns irgendwie selbstgerecht zurücklehnen. Die Arbeit ist viel zu spannend, als dass wir, die Union oder die FDP, sagen würden: Wir haben jetzt alles getan, was man tun muss. – Vielmehr wissen wir längst, was die nächsten Schritte sind. Wir diskutieren darüber. Sie allerdings lamentieren, unentwegt.

Ich kann das ja verstehen. Es ist gar nicht schlimm. Das kann man in der Opposition. Das fällt kaum auf. Es stört auch keinen. Es stört überhaupt nicht. Aber ich finde das schon bedauerlich. Wir stehen jetzt zehn Monate vor einer Bundestagswahl, und die SPD ist vollkommen im Wahlkampfmodus, bei allem. Sie haben einfach umgeschaltet. Statt jetzt zur Kenntnis zu nehmen, dass in solch schwierigen Zeiten, wie wir sie haben – in Europa, aber auch global; ich denke nur an das Thema „Zukunftschancen der jungen Generation“. – Immer wenn Sie mir geholfen haben, habe ich das auch gesagt. Das war gar kein Problem. Aber was ich heute hier gehört habe, ist für eine kreative bildungs- oder wissenschaftspolitische Diskussion nicht gerade geeignet.

Ich nehme das alles jetzt so zur Kenntnis. In der GWK, der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, gibt es auf der A-Seite kluge Minister und Ministerinnen, die mir unter vier Augen sagen: Wir würden das gerne machen. Sie haben ja recht. Es ist wichtig, dass wir den Artikel 91 b Grundgesetz ändern. Es ist wichtig, dass wir die Lehrerausbildung wechselseitig anerkennen und mit der Qualitätsoffensive beginnen können. Es ist wichtig, dass das, was vorgeschlagen wurde, durchgeführt werden kann. Aber wir befinden uns in einem Prozess, aus dem wir nicht ausbrechen dürfen. Wir müssen dies alles erst einmal ablehnen. Das ist nicht gut für das Land und nicht klug in der politischen Auseinandersetzung. Das merken die Menschen.

Also, Sie sind im Wahlkampfmodus, spielen Verweigerung auf ganzer Linie. Ich nehme das zur Kenntnis. Wir werden die offenen Punkte überall ansprechen. Ich komme jetzt zum Artikel 91 b Grundgesetz. Das länderoffene Gespräch hat stattgefunden. Es sind vier Prüfaufträge vergeben worden: zwei für die Länder, zwei für den Bund. In der letzten Woche habe ich im Vorfeld der GWK auf die Frage, wie es mit der Prüfung auf der Ebene der Länder aussieht, nur die Antwort bekommen: Wir waren bei den beiden Prüfaufträgen nicht sicher, was wir da prüfen sollten. Es braucht alles noch Zeit. – Auf meine Frage, auf was sich die Länder, auf was sich die A-Seite und die B-Seite einigen könnten, gab es die Antwort: Sie wissen ganz genau, dass es keine Einigung auf der Ebene der 16 Länder gibt. Die einzig mögliche Einigung ist, dass der Bund Steuerpunkte abgibt und sich ansonsten heraushält. – Das kommt nicht infrage, weil das nichts mit Kooperation zu tun hat.

Wir haben ein Angebot gemacht, Herr Röspel. Das betrifft die Änderung des Artikels 91 b. – Natürlich heißt das: für alle Hochschulen. Seit wann sind bei Bundesprogrammen Hochschulen von vornherein ausgeschlossen? Das ist Ihr schwaches, von Ihnen immer wieder wiederholtes Argument. Sie können noch so oft in Deutschland über Exzellenz wettern. Der Standort Deutschland braucht Exzellenz, sonst wird er irrelevant in der Welt. Sie wissen außerdem, dass Zentren für islamische Studien, Gesundheitsforschungszentren und vieles andere überhaupt nichts mit Exklusivität zu tun haben, sondern dringend notwendige Impulse in unserem Wissenschaftssystem setzen. Das Etikett, dass ich nur eine Vorliebe für die Elite habe, habe ich schon so lange, dass es mich immer weniger stört. Wenn Sie sich den Haushalt anschauen – damit komme ich zum zweiten großen Projekt –, dann wissen Sie, dass er nicht mit Eliteprojekten bestückt ist. Die Position Hochschulpakt enthält zum Beispiel für das Jahr 2013 Mittel in Höhe von 1,8 Milliarden Euro – 1,8 Milliarden Euro in einem einzigen Jahr zur Schaffung von Studienplätzen. Es sind, dieses Jahr einbezogen, in den vergangenen Jahren 500.000 neue Studienplätze an Hochschulen und insbesondere an Fachhochschulen entstanden. Nie war die Lust aufs Studieren so groß wie heute. Niemals zuvor hat eine Bundesregierung mit Unterstützung der sie tragenden Fraktionen so viel Geld in die Breite der Hochschulen, in die Grundfinanzierung der Hochschulen gegeben wie diese Bundesregierung. Nur, das Problem der Hochschulen ist doch nicht der Bund. Das Problem der Hochschulen ist, dass nahezu kein Land nachweisen kann, wie es die Kofinanzierung aufbringen will. Wenn Sie den Hochschulen und den Studierenden in Deutschland etwas Gutes tun wollen, dann machen Sie Ihren Landesregierungen klar, dass sie die Gelder für die Hochschulen nicht kürzen dürfen, sondern erhöhen müssen, und zwar in dem Maße, wie es der Bund macht. Tatsache ist – da brauchen Sie sich gar nicht so zu echauffieren –, dass wir ein eindeutiges Verfahren zwischen Bund und Ländern vereinbart haben. Ende des Monats gibt es die Schnellmeldung.

Dann wissen wir, wie viele junge Leute tatsächlich im Wintersemester ihr Studium begonnen haben. Dann werden sich die Staatssekretäre treffen und ausrechnen, was das mit Blick auf bislang Geplantes bedeutet und ob eventuell zugelegt werden muss.

Auch an dieser Stelle gibt es keinen graduellen, sondern einen fundamentalen Unterschied: Immer dann, wenn Schnellmeldungen ergeben haben, dass die Zahlen größer sind als prognostiziert, hat der Bund bei den Mitteln zugelegt, und zwar jedes Jahr. Allein im Haushaltsjahr 2013 gibt es gegenüber der ursprünglichen Planung ein Plus von 660 Millionen Euro. Der Bund hat jedes Jahr zugelegt, die Länder aber nicht, und das ist schlecht, Herr Hagemann. Wenn die Länder bei den Mitteln nie zulegen, dann führt das halt zu schwierigen Situationen an den Hochschulen. Verweigerung führt zu gar nichts.

Wir hätten in Deutschland eine Supersituation, wenn jeder in dem Bereich, in dem er Verantwortung trägt, dafür sorgt, dass das, was vereinbart wurde, auch eingehalten wird. Es gibt viele Länder, in denen Sie Verantwortung tragen. Deutschland könnte ein Bildungsparadies sein, wenn die Länder in diesem Bereich so viel wie der Bund tun würden. Kümmern Sie sich also darum!

Über die Zukunftschancen der jungen Generation haben wir in der letzten Debatte gesprochen. Sie wissen, dass wir in Deutschland die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit haben. Sie wissen, dass andere Länder unsere duale Ausbildung übernehmen wollen. Sie wissen um die Reduzierung im Übergangssystem. Alle Zahlen sind bekannt.

Jetzt zur Zukunft. Meine Partei wird in 14 Tagen einen Bundesparteitag abhalten. – Was ich jetzt sagen will, könnte Sie schon interessieren, Frau Ziegler. Hören Sie mir doch einfach bis zum Ende des Satzes zu. – Dieser Bundesparteitag wird einen Beschluss fassen, in dem es heißt: Auch in Zukunft plus fünf Prozent für die Forschungsorganisationen in Deutschland. Von Ihnen höre ich dazu überhaupt nichts. Die einen sagen: maximal drei Prozent. Andere sagen wiederum: Das ist alles sowieso viel zu anstrengend. – Lieber Herr Röspel, es zählen die Fakten, und es zählt die Akzeptanz. Politik besteht immer aus Sachgerechtigkeit und Akzeptanz. Über beides können wir uns nicht beklagen.

Wir haben eine Aufbruchsstimmung am Wissenschaftsstandort Deutschland. Es zeigt sich eine deutliche Verbesserung der Zukunftschancen der jungen Generation. Das ist ein wunderbares Fundament, um genau in dieser Konstellation in Deutschland weiter Politik zu machen.
->Quelle: www.bundesregierung.de