„Ohne Bürgerenergie keine Energiewende“

Hauptmerkmale der zehn untersuchten Nutzeneffekte

  1. Integration von Bürgern in nachhaltige Wirtschaftsprozesse
    Mit der Transformation des Energiesystems entstehen Möglichkeiten, Bürger in nachhaltige Wirtschaftsprozesse zu integrieren bzw. diese durch Bürger gestalten zu lassen. Dabei handelt es sich nicht nur um eine wirtschaftliche Beteiligung an Energieprojekten, sondern um die Balance ökonomischer, ökologischer wie auch sozialer Belange, beispielsweise ein zentrales Charakteristikum von Energiegenossenschaften.
  2. Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Anlagen
    Studien im Bereich der Akzeptanz von erneuerbaren Energien zeigen, dass das Gros der befragten Personen sich im Quadranten „Befürwortung“ einordnen lässt (positive Bewertung, keine aktive unterstützende Handlung) und nur eine relativ geringe Zahl aktiven Widerstand zeigt. Gleichzeitig handelt es sich bei den opponierenden Gruppen oftmals um hoch motivierte und aktive Personen, die als laute Minderheit („vocal minority“) die schweigende Mehrheit der Befürworter sprichwörtlich  übertönen. Demzufolge ist eine weitere zentrale Frage der Beteiligungs-Forschung, wie das große Potenzial der bisher schweigenden Mehrheit aktiviert werden kann – Bürgerenergie kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
  3. Erhöhung gesellschaftlichen Engagements im Energiesektor
    Grundsätzlich können drei Gruppen von engagierten Bürgern unterschieden werden: Projektrealisierer, „Prosumer“ und „einfache“ Mitglieder bzw. Teilhaber in Bürgerenergieprojekten. Grundsätzlich sind die interviewten Experten der Meinung, dass es sich bei den Beteiligten der Bürgerenergie (insbesondere den Projektrealisierern) meist um engagierte Menschen handelt. Durch Bürgerenergieprojekte wird diesem Engagement-Potenzial eine Plattform zum Ausbau geboten. Für die beiden anderen Personengruppen spielt dieser Effekt jedoch eine weitaus größere Rolle, denn erst durch ihre Teilnahme an Bürgerenergieprojekten haben sie Interesse an (Energie-)Politik entwickelt.
  4. Mitbestimmung und Transparenz
    Transparenz und Mitbestimmung kommen vor allem bei der Realisierung von Projekten durch Bürgergruppen zum Tragen. Um ferner über Projekte entscheiden zu können, bedarf es der Transparenz. Hier sind vor allem die Entscheidungsgremien in Bürgergruppen gefragt, die den restlichen Mitgliedern Projekte zur Realisierung vorschlagen. Damit werden Mitbestimmung und Transparenz im Wesentlichen von den „Führungsorganen“ gelebt und weitergegeben, dies jedoch inklusiv. Diese Transparenz gilt als bedeutender Faktor für die Glaubwürdigkeit von Bürgerenergie. Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass es insbesondere die prinzipielle Möglichkeit zur Beteiligung ist, die den Menschen das Gefühl gibt, Dinge kontrollieren oder zumindest beeinflussen zu können und die somit grundsätzlich zur Legitimierung dieser Form der Energieerzeugung beiträgt.
  5. Identitätsbildung
    Ein schon bestehender Beleg für die Identitätsschöpfung durch Bürgerenergie kann u.a. in den bereits existierenden Bioenergiedörfern gesehen werden, wo Bürgerenergie durch die Namensgebung fester Bestandteil der regionalen Identität ist. Besonders betont wird die „emotionale Identifikation“, womit eine emotionale Bindung an Projekt und Ort gemeint ist. Diese steigert die Verhaltensbereitschaft zur Partizipation, was vor allem bei Bürgerprojekten, bei denen Eigentumsrechte übertragen werden, wichtig ist.
  6. Realisierung bestimmter Anlagen nur durch Bürgerenergie
    Viele EE-Anlagen wären ohne engagierte Bürger nicht gebaut worden. Denn bei allen EE lässt sich zeigen, dass das Engagement einzelner (oder mehrerer) Bürger eine wesentliche Triebfeder für den Bau von Anlagen war, und dies vor allem, weil die Anlagenrealisierung mit hohen Transaktionskosten verbunden ist. Professionelle Investoren und Projektierer scheuen Investitionen in kleine Projekte oft wegen dieser Kosten.
  7. Erhöhung der Akteursvielfalt
    2012 wurden vor allem in den Segmenten Bioenergie und Photovoltaik jeweils 40,1 % bzw. 29,5 % der Netto-Investitionen getätigt. Dieser breite Besitzlässt sich in mehrfacher Hinsicht als „Demokratisierung des Kapitaleinsatzes“ bezeichnen. Denn die Investitionen sehr vieler Bürger in eigene Anlagen oder in Gemeinschaftsanlagen vor Ort führten sowohl zu einer breiteren Streuung von Kapital als auch von dessen Erträgen in der Energiewirtschaft.
  8. Aufbau und Professionalisierung eines neuen „Wirtschaftszweigs“
    Die Bereitschaft, Arbeit und Zeit zu investieren, spielte lange Jahre eine tragende Rolle bei der Technologieentwicklung der EE und ist auch heute noch bedeutend im Bereich der Normentwicklung, der Prozessinnovationen oder der erneuerbaren Wärmeerzeugung. Daher sind gerade hier Bürgerenergieprojekte oder auch eingetragene Vereine samt ihrer ehrenamtlicher Mitglieder bis heute wichtige Treiber technologischer Entwicklungen, die erst zur Marktreife oder zur Marktdurchdringung gebracht werden müssen.
  9. Regionale Wertschöpfung
    Besonders bei den kapitalintensiven Techniken wie Wind und PV entfällt auf die Kapitaleinkommen ein hoher Anteil an der Wertschöpfung. Dies weist darauf hin, dass dem Wohnort der Eigen-und Fremdkapitalgeber hohe Bedeutung für die regionale Wertschöpfung zukommt. Bei der regionalen Wertschöpfung spielen besonders die regional induzierten Arbeitnehmerentgelte eine bedeutende Rolle, aber auch die erzielten Gewinne der Betreiber und die vor Ort anfallenden Steuereinnahmen. Für viele Regionen und Gemeinden sind daher die Einnahmen aus Investition und Betrieb erneuerbarer Energieanlagen eine wichtige Einnahmequelle.
  10. Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen
    Insgesamt kann Bürgerenergie im engeren und im weiteren Sinn ein Gesamteffekt von 65.000 bis 104.000 bzw. 71.000 bis 114.000 Vollzeitäquivalenten zugeordnet werden. Bürgerenergie ist damit auch ein wichtiger Beschäftigungsfaktor. Das gilt ortsunabhängig, weswegen Bürgerenergie gerade in ländlichen oder strukturschwachen Regionen hilfreich sein kann.

->Quellen und weitere Materialien: