Mit Energieszenarien gut beraten

Positionen aus Kooperationsprojekten

Energieszenarien haben großen Einfluss auf politische Entscheidungen. Umso wichtiger ist es, dass die Ergebnisse nachvollziehbar und überprüfbar sind. Viele beauftragte Institute legen ihre Rechenmodelle jedoch nicht offen, weil sie zu ihrem Betriebskapital gehören. Auch wird nicht immer deutlich, ob Vorgaben der Auftraggeber die Ergebnisse beeinflussen. Die Stellungnahme des Akademienprojekts Energiesysteme der Zukunft (ESYS) „Mit Energieszenarien gut beraten“ liefert Vorschläge für mehr Transparenz.

Die Stellungnahme beschreibt Anforderungen und Handlungsoptionen zur Verbesserung der wissenschaftlichen Politikberatung auf Grundlage von Energieszenarien. In diesem Kontext kann sie als Ausgangspunkt für die Entwicklung und Einführung verbindlicher Standards dienen. Sie richtet sich sowohl an diejenigen, die Szenarien in Auftrag geben, als auch an Wissenschaftler, die Szenariostudien erstellen. Darüber hinaus soll die Stellungnahme eine Hilfestellung sein für alle, die Energieszenarien lesen und sich kritisch damit auseinandersetzen, etwa Fachjournalisten, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und politische Entscheider.

Anforderungen an Energieszenarien

In Energieszenariostudien werden in der Regel mehrere Szenarien modelliert und ausgewertet, um möglichst viele Einflussgrößen zu berücksichtigen. Um politische Entscheidungen sinnvoll unterstützen zu können, sollten Szenarien drei grundlegende Anforderungen erfüllen: wissenschaftliche Validität, Transparenz und Ergebnisoffenheit. Nur dann können sie einen legitimen Beitrag zur demokratischen Meinungsbildung leisten.

Valide ist eine Szenariostudie, wenn sie wissenschaftlich akzeptierte sowie aktuelle Methoden, Modelle und Daten verwendet. Transparenz setzt voraus, dass eine Studie vollständig veröffentlicht wird. Das methodische Vorgehen und die Ergebnisse müssen dabei so dokumentiert werden, dass sie für die Zielgruppe der Studie verständlich und nachvollziehbar sind. Die Dokumentation sollte so erfolgen, dass unabhängige Wissenschaftler – mindestens im Rahmen einer Begutachtung – die Ergebnisse der Studie nachrechnen können. Ergebnisoffenheit bedeutet, dass Einflussnahmen seitens des Auftraggebers und anderer Akteure auf die Studie sowie deren Konsequenzen für die Ergebnisse und Schlussfolgerungen offengelegt werden.

Verantwortliche Akteure und Wege zur Umsetzung

In der Regel formuliert ein Auftraggeber – etwa ein Ministerium, ein Verband oder ein Unternehmen – eine energiepolitische Fragestellung, die ein wissenschaftliches Institut oder Beratungsunternehmen im Rahmen einer Szenariostudie beantwortet. Durch die Konzeption der Ausschreibungen, die Auswahl der Auftragnehmer und die Auftragsdetails definieren die Auftraggeber die Rahmenbedingungen der Beratungspraxis. Die Wahl der Methodik sowie die konkrete Umsetzung liegen dagegen vor allem in den Händen des Auftragnehmers.

Beide Seiten sind somit gemeinsam dafür verantwortlich, die formulierten Anforderungen umzusetzen. Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Beratungspraxis ist die Einführung verbindlicher Qualitätsstandards für Energieszenarien, die etwa formaler Bestandteil zukünftiger Ausschreibungen staatlicher Auftraggeber sein könnten.

Als indirekter Adressat muss auch die Öffentlichkeit, vertreten etwa durch politische Parteien, zivilgesellschaftliche Organisationen und Medien, einbezogen werden. Damit diese Akteursgruppen ihren Aufgaben im gesellschaftlichen Willensbildungsprozess nachkommen können, ist eine offene Diskussion über die Inhalte von Szenariostudien erforderlich.

Kurzgefasste Inhalte: Wissenschaftliche Validität

Validität setzt voraus, dass eine wissenschaftliche Qualitätskontrolle möglich ist. Bislang findet diese in der Politikberatung mit Energieszenarien jedoch nur ansatzweise statt – so ist es beispielsweise noch unüblich, Studien durch externe Wissenschaftler begutachten zu lassen. Hier gilt es, geeignete Mechanismen einzuführen. Gerade staatliche Auftraggeber haben es in der Hand, durch ihre Vorgaben die Beratungspraxis über die von ihnen in Auftrag gegebenen Studien hinaus zu prägen.

Um hier zu einheitlichen Standards zu kommen, sollten sich die wichtigsten Auftraggeber untereinander und mit der Wissenschaft – vertreten etwa durch wissenschaftliche Dachorganisationen – abstimmen. Wichtige Optionen für die Qualitätskontrolle und die Verbesserung der wissenschaftlichen Validität und sind:

  • Peer-Review (Begutachtung) von Teilen einer Studie in Fachzeitschriften
  • Eigenständige Begutachtung von Studien durch externe Wissenschaftler • Begleitung der Studie durch einen studienspezifischen Beirat (Advisory Board)
  • Einrichten eines festen Gremiums für die Begutachtung unterschiedlicher Studien und die Auswertung der verschiedenen Ergebnisse
  • Weiterentwicklung von Methoden zur systematischen Analyse von Unsicherheiten und gezielte Integration dieser Methoden in Beratungsprojekte; dies können beispielsweise Modellvergleichsrechnungen sein, bei denen Szenarien auf Basis gleicher Annahmen mit unterschiedlichen Modellen berechnet werden

Transparenz

Transparenz ist eine Schlüsselanforderung an Energieszenarien, denn sie ist notwendige Voraussetzung für wissenschaftliche Validität und Ergebnisoffenheit. Folgende Handlungsoptionen bestehen:

  • Entwicklung und Implementierung von Formaten und verbindlichen Leitlinien für die adressatengerechte Darstellung und Kommunikation von Energieszenarien, etwa im Hinblick auf die Vermittlung von Unsicherheiten einer Studie
  • Formate und Leitlinien für mehr Transparenz von Modellen und Daten; so können beispielsweise Open-Source-Modelle genutzt werden, deren Quelltext frei verfügbar ist
  • Erstellung und Pflege eines Satzes von Referenzdaten und -annahmen für das deutsche Energiesystem, um den Vergleich von Studien zu erleichtern Ergebnisoffenheit Ergebnisoffenheit kann gewährleistet werden, indem Auftragnehmer und Auftraggeber sie einfordern, aktiv fördern und Folgendes berücksichtigen:
  • Transparente Beschreibung und nachvollziehbare Begründung aller Festlegungen, die eine ergebnisoffene Analyse einschränken könnten, zum Beispiel der Szenerioannahmen oder des verwendeten Rechenmodells
  • Offenlegung der Rolle der beteiligten Akteure, insbesondere des Auftraggebers, bei diesen Prozessen

Leopoldina/acatech/Akademienunion (Hrsg.): Mit Energieszenarien gut beraten. Anforderungen an wissenschaftliche Politikberatung (Schriftenreihe zur wissenschaftsbasierten Politikberatung), 2015. ISBN: 978-3-8047-3507-1

->Quellen:

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