Schwergewichtiger Kandidat für Dunkle Materie

Ein Teilchen auf 10.000 km³

„Nach gängigen Erwartungen besteht Dunkle Materie aus einem Elementarteilchen, das sich bisher nicht nachweisen ließ, weil es sich im Universum fast nur durch seine Schwerkraft bemerkbar macht“, sagt Nicolai. Aus dem zusammen mit Meissner ausgearbeiteten Modell resultiert ein neuer Kandidat für solch ein Dunkle-Materie-Teilchen, das jedoch völlig andere Eigenschaften aufweist als alle bisher diskutierten Kandidaten, etwa Axionen oder WIMPs. Letztere sollten nämlich nur sehr schwach mit bekannter Materie wechselwirken. Dies gilt auch für die sehr leichten Gravitinos, die Wissenschaftler in Verbindung mit Niederenergie-Supersymmetrie in der Vergangenheit immer wieder ins Spiel gebracht haben. Der Ansatz von Nicolai und Meissner weicht davon aber völlig ab, denn er weist der Supersymmetrie nicht mehr eine primäre Rolle zu. „Insbesondere sagt unser Modell die Existenz von superschweren Gravitinos vorher, die außerdem im Gegensatz zu den handelsüblichen Kandidaten stark und elektromagnetisch  mit gewöhnlicher Materie wechselwirken“, sagt Nicolai.

Ihre große Masse bedingt, dass diese Teilchen nur stark verdünnt im Weltall auftreten können, denn ihr Gesamtbeitrag zur Masse im Universum darf nicht mehr als 25,8 Prozent betragen. Laut dem Max-Planck-Forscher bräuchte man in unserer Galaxie deshalb lediglich ein Teilchen auf 10.000 km³, um die Dunkle Materie zu erklären, wenn die Masse der Gravitinos, wie von Nicolai und Meissner postuliert, im Bereich der Planck-Masse liegen würde, also bei etwa einem Hundertmillionstel Kilogramm (10-8 kg). Zum Vergleich: Protonen und Neutronen, die Bausteine des Atomkerns, sind etwa zehn Trillionen Mal leichter (10-27 kg). Im intergalaktischen Raum wäre die Dichte noch sehr viel niedriger.

„Wesentlich für die Stabilität der schweren Gravitinos ist unter anderem ihre besondere Ladung“, sagt Nicolai. „Es gibt nämlich ganz einfach keinen entsprechenden geladenen Endzustand im Standardmodell, in welchen diese Gravitinos zerfallen könnten – andernfalls wären sie schon kurz nach dem Urknall verschwunden.“

Ihre starke Wechselwirkung mit bekannter Materie könnte helfen, solche Dunkle Materie-Teilchen trotz ihrer extremen Seltenheit aufzuspüren. Eine Möglichkeit dazu könnten Flugzeitmessungen tief im Untergrund bieten, da sich diese Teilchen sehr viel langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen – im Gegensatz zu gewöhnlichen, aus der kosmischen Strahlung herrührenden Elementarteilchen. Dennoch würden sie wegen ihrer großen Masse die Erde mühelos durchdringen.

Diese Tatsache führte die Forscher auf die Idee, unseren Planeten selbst als „Paläo-Detektor“ zu verwenden: Die Erde fliegt seit etwa 4,5 Milliarden Jahren durchs All, und in dieser Zeit müssten sie schon viele solcher massiven Gravitinos durchdrungen haben. Dabei sollten die Partikel lange, gerade Ionisationsspuren im Gestein hinterlassen haben, die allerdings von Spuren unterschieden werden müssten, die von bekannten Elementarteilchen herrühren könnten. „Es ist bekannt, dass ionisierende Strahlung zu Gitterdefekten in Kristallstrukturen führt. Vielleicht gelingt es, in Kristallen, die über Jahrmillionen stabil bleiben, Relikte solcher Ionisationsspuren nachzuweisen“, sagt Nicolai. Diese Methode könnte dank ihrer langen „Belichtungszeit“ selbst dann zum Ziel führen, wenn die dunkle Materie entgegen allgemeiner Erwartung nicht absolut homogen in der Galaxie verteilt ist, sondern lokalen Dichtefluktuationen unterliegt – was auch erklären könnte, warum die Suche nach konventionellen Dunkle-Materie-Kandidaten bisher erfolglos geblieben ist.

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