MPG-Forscher finden 3D-Beleg für Existenz von Skyrmion-Röhren

Einsatz in spintronischen Speichergeräten möglich

Zum ersten Mal ist es einem internationalen Forscherteam aus Deutschland (vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme), Großbritannien und Frankreich gelungen, die bislang unbekannte Struktur von magnetischen Skyrmion-Röhren – 100 Nanometer kleine Wirbelstrukturen, die in magnetischem Material vorkommen – dreidimensional sichtbar zu machen. Dieses (bereits am 07.04.2020 in Nature Communications publizierte) Wissen ermöglicht es, die Bildung und Vernichtung von Skyrmionen besser zu verstehen und die magnetischen Strukturen in sogenannten spintronischen Speichergeräten einzusetzen. Am 24.04.2020 erschien in Science eine Untersuchung  der Uni Stuttgart über die Dynamik von Skyrmionen aus Licht auf ultraglatten Goldplättchen.

Bessy II Speicherring – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Bislang hat man aus dem 2D-Abbild auf die dritte Dimension geschlossen und vermutete daher lange, dass diese kleinen Strukturen ausschließlich kugelförmig sind. Die Wissenschaftler wollten wissen, welche Form ein Skyrmion wirklich hat. „Was wir gefunden haben, ist kein kugelförmiges Skyrmion, wie man es bisher angenommen hatte. Tatsächlich haben wir eine Skyrmion-Röhre entdeckt. Das konnte vor uns noch nie jemand experimentell nachweisen“, erklärt Joachim Gräfe, Leiter der Forschungs­gruppe Nanomagnonik und Magnetisierungsdynamik am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart.

„Wir haben erstmals im Realraum Skyrmion-Röhren mit magnetischer Röntgenbildgebung beobachtet und konnten mit vergleichender mikromagnetischer Simulation ihre Struktur bestätigen.“ Gräfes Gruppe war Teil eines internationalen Forschungsprojekts, an dem auch Wissenschaftler der Durham University, den Universities of Southampton, Exeter, Warwick und Cambridge, des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie sowie der Synchrotron-Strahlungsquellen BESSY II in Deutschland (Bild re.), SOLEIL in Frankreich und der Diamond Light Source in Großbritannien beteiligt waren. Am 07.04.2020 veröffentlichte das Team seine Ergebnisse in der Publikation „Real-space imaging of confined magnetic skyrmion tubes“ im renommierten Fachjournal Nature Communications.

Die Forscher verwendeten 120 Nanometer dünne Eisen-Germanium-Lamellen, in denen sie die 3D-Strukturen der Röhren sichtbar machten. Sie wählten Eisen-Germanium (FeGe), da dies ein Kristall ist, dessen Atome bereits spiralförmig angeordnet sind. „Diese natürliche Drehung im Kristall erleichtert die Bildung von Skyrmionen, die ebenfalls gedrehte Wirbel sind“, erklärt Gräfe.

Unter anderem half das hochpräzise Instrument MAXYMUS („MAgnetic X-raY Micro- and UHV Spectroscope“), das Verborgene sichtbar zu machen. MAXYMUS ist ein hochauflösendes Röntgenmikroskop, das am BESSY II, einer 80 Meter breiten Synchrotronstrahlungsquelle am Helmholtz-Zentrum Berlin, angesiedelt ist. Dank MAXYMUS konnten Gräfe und sein Team bereits mehrere bahnbrechende Entdeckungen machen. So wie diesmal: Das Röntgenmikroskop bildete die nur 70 Nanometer kleinen Röhren ab. Das entspricht einem Hundertstel des Durchmessers eines menschlichen Haares.

„Während Skyrmionen üblicherweise als zweidimensionale Objekte dargestellt werden, ist es in Wirklichkeit so, dass magnetische Skyrmionen längliche, röhrenartige Objekte sein können, die sich durch das sie umgebende Material ziehen. Die Untersuchung dieses röhrenförmigen Aufbaus – wir nennen das den „skyrmion tube state“ – ist von entscheidender Bedeutung, um die Skyrmion-Bildung und -Vernichtung besser zu verstehen und sie damit besser anwenden zu können“, so Gräfe.

Skyrmionen gelten als topo­logisch geschützt, d. h. sie sind in ihrer Form unveränderbar und stellen daher stabile Datenspeicher dar. „Jetzt da wir ihre Struktur kennen, wollten wir wissen: Wie lässt sich diese Stabilität überwinden?“, so Gräfe weiter. Das sei notwendig, um Skyrmionen, die Daten in spintronischen Geräten speichern, erzeugen und vernichten zu können. Die Röhrenstruktur bietet hier den nötigen Ansatzpunkt: Wird die Röhre so weit verengt, dass sie nur noch einen Punkt dünn ist, bricht das Skyrmion auseinander.  An diesem sogenannten Bloch-Punkt sind alle Richtungen gleichwertig, hier kann sich die Röhre auftrennen und auseinanderschnappen. Diese Erkenntnis öffnet die Tür für weitere Untersuchungen dieser bisher unerforschten Skyrmion-Spin-Textur.

„Das Projekt war eine echte interdisziplinäre Teamleistung. Wir hatten Experten aus verschiedensten Feldern – von der Kristallpräparation über die Modellbildung bis hin zur Röntgenmikroskopie“, so Max Birch von der Durham University, der als Erstautor federführend für die Publikation verantwortlich war. „Die Möglichkeit, unterschiedliche Röntgeninstrumente und -techniken zusammenführen, war entscheidend für den Erfolg unseres Projekts.“ Insgesamt waren 23 Autoren aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien an der Forschungsarbeit beteiligt. „Dank der internationalen Kollaboration ist es uns gelungen, diese Röhren nachzuweisen – ein Meilenstein im Forschungsfeld Spintronik,“ schließt Gräfe.

Nano-Wirbelstürme im Film – Forschende vermessen erstmals die Dynamik von Skyrmionen aus Licht auf ultraglatten Goldplättchen

Am 23.04.2020 veröffentlichte die Universität Stuttgart (Fakultät 8 -Mathematik und Physik) eine Medienmitteilung, die sich ebenfalls um Skyrmionen drehte. „Im Zentrum eines Wirbels bestehen sehr hohe Drehgeschwindigkeiten, die bei großen Tornados gewaltige Zerstörungskräfte entfalten können. Ähnliche Effekte werden für Licht vorhergesagt, das auf einer atomar glatten Goldoberfläche entlangläuft und dabei Drehimpulse und Wirbel ausbilden kann. Forschenden der Universitäten Stuttgart und Duisburg-Essen sowie der University of Melbourne (Australien) ist es jetzt erstmals gelungen, diese nach ihrem Entdecker Tony Skyrme „Skyrmionen“ genannten Wirbel-Muster auf der Nanometerskala zu filmen. Über die bahnbrechende Arbeit berichtete das Fachmagazin Science am 24.04.2020. Der Physiker Tony Skyrme hat sich in den 1960er-Jahren in einem Forschungsfeld, das man Topologie nennt, ausführlich mit solchen Wirbeln beschäftigt. Nach ihrem Entdecker werden die Muster „Skyrmionen“ genannt.

Bei Licht, das auf atomar glatten Goldoberflächen entlanglaufen kann, gibt es eine Art Drehimpuls, und es können sich Wirbel, sogenannte Vortices ausbilden. Allerdings sind die Wirbel in diesem Fall nur wenige Hundert Nanometer groß, und das Auge dieser Nanotornados hat nur eine Größe von wenigen Nanometern. Daher konnte bisher noch niemand die genaue Ausrichtung dieser Wirbel messen. Ebenso war es unmöglich, die Wirbeldynamik anzuschauen, denn die Zeit, die das Licht benötigt, um einmal um einen solchen Wirbel herumzulaufen, beträgt nur wenige Femtosekunden (Billionstel Millisekunden).

Die Messung der Vektordynamik, also der dreidimensionalen Ausrichtung der Plasmonen-Lichtfelder und ihres zeitlichen Verhaltens, gelang in einem speziell dafür entwickelten Experiment der weltweit führenden Gruppe um Prof. Frank Meyer zu Heringdorf an der Universität Duisburg-Essen. Die Doktoranden Pascal Dreher und David Janoschka schossen dafür Laserpulse von nur 13 Femtosekunden Pulsdauer bei 800 nm auf die Goldplättchen mit den Nanostrukturen aus Stuttgart. Durch den Photoeffekt, für den Einstein seinen Nobelpreis bekommen hatte, werden Elektronen aus der Goldprobe geschleudert, die dann in einem Elektronenmikroskop vermessen werden. Durch eine geschickte Kombination von mehreren Laserpulsen mit verschiedenen Lichtpolarisationen und mehrfache Wiederholung des Experiments kann man nun durch Projektion die verschiedenen Vektorkomponenten der Lichtfelder bestimmen.

Indem man zwei Laserpulse nacheinander auf die Probe schickt, kann man die Nanotornados aus Licht sowohl anwerfen und dann durch die ultrakurzen Laserpulse abtasten, so dass man innerhalb einer Nacht einen ganzen Nanofilm dieser Lichtwirbelstürme aufnehmen kann.ionen

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