Eklatante und skandalöse Unterschiede in der Atomhaftung

B90/Die Grünen: Deutliche Missstände

Den Preis für einen atomaren GAU zahlen immer die Opfer. Niemals können Opfer für ihre physischen und psychischen Schäden umfassend entschädigt werden – so eine Pressemitteilung der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen. Das rechtfertige aber keinesfalls die skandalös niedrigen Deckungsvorsorgen in der EU. Angesichts der Atomkatastrophe von Fukushima hat die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen untersuchen lassen, welche Missstände bei der Atomhaftung vorliegen und welcher Handlungsbedarf sich aus überkommenen Annahmen und Ausnahmeregelungen ergibt. Dabei sei auch geprüft worden, welche Diskrepanzen zwischen den einzelnen Ländern mit Atomkraftwerken bestünden – und wie Deutschland tätig werden könne.

Das nun vorliegende Rechtsgutachten komme zu erschreckenden Ergebnissen: Das bestehende internationale Haftungsregime dienet vor allem dem Schutz und der Privilegierung der Betreiber von Atomanlagen und ihrer Zulieferer. Dem Opferschutz diene es – wenn überhaupt – nur zweitrangig.

Franzosen gehen im GAU-Fall fast leer aus

Wörtlich heißt es in der Mitteilung: „Es bestehen eklatante Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten in Europa bei der Atomhaftung – auch wenn sie Mitglieder desselben Haftungsabkommens sind. Während beispielsweise ein deutscher AKW-Betreiber im Falle eines Atomunfalls grundsätzlich mit dem gesamten Unternehmensvermögen haftet, würde der französische AKW-Betreiber EDF mit gerade einmal gut 91 Millionen Euro herangezogen. Aktuellen Kostenschätzungen zufolge läge das Schadensausmaß bei einem katastrophalen Atomunfall beispielsweise in Cattenom oder Fessenheim im dreistelligen Milliardenbereich.

Für die EDF, immerhin der größte Stromkonzern Europas, gilt allerdings nach französischem Recht ein so haarsträubend niedriges Haftungslimit, dass ihn der Schadensersatz nicht mehr kosten würde als einen Griff in die Portokasse. Danach müssen zunächst der französische Staat und dann solidarisch eine Staatengemeinschaft, zu der auch Deutschland gehört, einspringen – allerdings auch nur mit insgesamt rund 240 Millionen Euro.

Die vorgesehenen Mittel für den Schadensersatz lägen somit im Promillebereich des erwarteten Schadens. Das aktuelle Atomhaftungsregime führt letztlich dazu, dass die Opfer einer Atomkatastrophe nur für einen winzigen Bruchteil ihrer Schäden einen Ersatzanspruch gegen Betreiber oder Staat haben werden. Auf dem Rest bleiben die Opfer sitzen – und das, obwohl Wirtschaft und Staaten deutlich mehr leisten könnten.