Schweiz: „Dreckstrom-Abgabe“ gefordert

Pro Solar und WWF fordern „Differenzierte Stromabgabe“

Mehr als die Hälfte des Stroms aus Schweizer Steckdosen ist heute schmutziger Strom aus Kohle-, Atom- oder Gaskraftwerken, und dieser Anteil droht noch zu wachsen. Die Initiative  Pro Solar des schweizerischen Fachverbands für Sonnenenergie, Swissolar, und der WWF Schweiz starteten deshalb eine Petition für eine Dreckstrom-Abgabe. Sie kann Marktverzerrungen mildern und der Umwelt helfen, ohne die Haushalte und Wirtschaft unnötig zu belasten – das zeigt eine neue Studie.

Die Allgemeinheit zahle heute doppelt, so eine Mitteilung des Schweizer WWF: für die Förderung von erneuerbaren Energien und – deutlich mehr – für die ungedeckten Kosten der Stromproduktion mit Gas, Uran und Kohle. Die Folge: ein kranker Strommarkt mit viel zu hoher Umweltbelastung und kostspieligen Marktverzerrungen. Deshalb fordern Pro Solar und WWF Schweiz eine Dreckstrom-Abgabe (DSA) auf Strom aus Uran, Kohle und Gas und lancieren dazu eine Petition an Bundesrat und Parlament. Die Abgabe soll sich nach den von der Allgemeinheit bezahlten externen Kosten der atomaren und fossilen Stromproduktion richten.

Vom Beratungsunternehmen Infras haben die beiden Petenten die Wirksamkeit einer solchen Abgabe untersuchen lassen. Fazit: Die DSA ist machbar und kann die problematischen Marktverzerrungen stark mildern. Sie hilft damit der Wirtschaft, aber auch der Umwelt, weil erneuerbare Energien eine faire Chance bekommen. Die Studie rechnet mit mittelfristig 10 Rappen pro Kilowattstunde Strom aus Kohle, Gas oder Atomkraft. Damit kämen jährlich 1,1 bis 1,8 Milliarden Franken zusammen, mit denen sich andere Steuern oder Abgaben (etwa für die Förderung erneuerbarer Energien) senken liessen. Wer heute schon erneuerbaren Strom bezieht, profitiert also. Ein durchschnittlicher Haushalt mit nicht erneuerbarem Strom müsste pro Monat rund 25 Franken zusätzlich bezahlen, für die heute die Allgemeinheit aufkommt.

Differenzierte Stromabgabe: Ausgestaltung, Folgen  – Die Studie zeigt, dass bei geeigneter Ausgestaltung, eine Abgabe auf Strom aus nicht erneuerbaren Quellen die gewünschte Wirkung erzielen kann. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind verkraftbar. Im Sinne des Verursacherprinzips werden mit der Erhebung einer Abgabe die externen Kosten von fossilem und nuklearem Strom teilweise internalisiert. Der erneuerbare Strom wird konkurrenzfähiger und kann die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) signifikant entlasten. Produktion und Import von Strom aus nicht erneuerbaren Quellen würden aufgrund der Abgabe mit einem Absatzrückgang konfrontiert. Die Stromproduzenten mit bestehenden Wasserkraftwerken würden aufgrund der Abgabe und dem damit einhergehenden höheren Strompreisniveau vorübergehend profitieren. Die nachteiligen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Haushalte können durch Massnahmen wie Rückverteilung der Einnahmen und Ausnahmeregelungen für energieintensive Unternehmen kontrolliert werden.

Verursacherprinzip in den Strommarkt bringen

„Schmutziger Strom ist heute billig, weil andere die Kosten bezahlen“, sagt Thomas Vellacott, CEO des WWF Schweiz. „Mit einer Dreckstrom-Abgabe bringen wir das Verursacherprinzip in den Strommarkt.“ Damit haben die einheimischen erneuerbaren Energien ihre verdiente Position und die Umwelt profitiert, weil in der Schweiz weniger schmutziger Strom konsumiert wird. „Die Schweizerinnen und Schweizer wollen sauberen Strom“, sagt Roger Nordmann, Nationalrat und Präsident von Swissolar. „Sie wollen nicht einfach inländischen Atomstrom durch ausländischen Dreckstrom ersetzen.“ Für WWF und Swissolar ist eine DSA darum ein wichtiges Element der Energiewende und eine zwingende flankierende Massnahme einer vollständigen Öffnung des Strommarkts.
[note:Das Potsdamer IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) hat am 30.04.2014 eine ähnliche Überlegung vorgestellt, nämlich, wie Grenzwerte für Kraftwerke eingeführt werden könnten, damit sie „klare Signale an Kraftwerksinvestoren geben, dass Investitionen in emissionsintensive Erzeugungstechnologien mit der deutschen Klimapolitik nicht vereinbar sind“ – und zwar für neue auf jeden Fall, aber auch für Bestandskraftwerke. Gleichzeitig sollen aber „in der Vergangenheit getätigte Investitionen in Kraftwerke bestmöglich geschützt werden“ – siehe solarify.eu/co2-grenzwerte-ein-iass-vorschlag.]
->Quelle(n): wwf.ch;  und Toni Rütti auf ee-news.ch; Zur Studie