DIW: Sozialverträglichen Kohleausstieg planen – ab sofort

Vorhandene ostdeutsche Braunkohletagebaue reichen bis zum Ausstieg aus – Handlungsbedarf bei langfristiger Finanzierung und Strukturwandel in der Region

Will Deutschland seinen Klimaschutzverpflichtungen gerecht werden, muss es sich Schritt für Schritt von der Braunkohleverstromung, der CO2-intensivsten Art der Stromproduktion, verabschieden. Der Ausstieg aus der Braunkohle muss frühzeitig eingeleitet und sorgfältig geplant sein. Eine Studie von Energieexperten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, dass die Braunkohlemengen in den bereits genehmigten ost- und mitteldeutschen Tagebauen ausreichen, um eine Stromerzeugung zu ermöglichen im Einklang mit Deutschlands Klimazielen bis zum Jahr 2030, das teilt die DIW-Presseabteilung am 09.02.2017 mit.

Kohlekraftwerk - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Kohlekraftwerk – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Simulationen der DIW-Energieökonomen zeigen: Werden die deutschen Klimaschutzziele eingehalten, braucht es keine Braunkohletagebauerweiterungen – Höhe und Insolvenzsicherheit der Rückstellungen für Rekultivierung unsicher – Braunkohleausstieg sollte frühzeitig und sozialverträglich geplant werden.

„Die Aufgabe der Politik, und insbesondere des Landes Brandenburg, ist es, frühzeitig, also am besten schon jetzt, einen Plan für einen sozialverträglichen Kohleausstieg zu erarbeiten“, so DIW-Energieökonomin Claudia Kemfert. „Dort sollte unter anderem festgeschrieben werden, dass man wirklich keine neuen Tagebauerweiterungen erschließt.“

Handlungsbedarf bei Rückstellungen

Ferner haben sich die DIW-Forscher mit den von den Betreiberunternehmen gebildeten Rückstellungen befasst. Diese sollen die Rekultivierung der Tagebaue, also die Wiederherstellung der natürlichen Lebensräume, finanzieren. Die genauen Kosten dieser künftigen Rekultivierung seien noch unsicher, heißt es. Simulationen zeigten, dass die derzeitigen Rückstellungen für die Lausitz (1,5 Milliarden Euro) unter optimistischen Annahmen ausreichen könnten. Unter weniger optimistischen Annahmen, beispielsweise im Fall von Preissteigerungen aufgrund regulatorischer Anforderungen, seien die zurückgestellten Mittel aber zu knapp.

Hinzu komme, dass der 2016 erfolgte Betreiberwechsel für die Lausitzer Braunkohle, die nun im Eigentum der tschechischen Firma EPH sowie eines Investors mit Sitz auf Jersey sei, Fragen der Insolvenzfestigkeit der Rückstellungen aufwerfe. EPH betreibe zahlreiche Braunkohle- und Gaskraftwerke in Europa und sei anfällig für Berichtigungen auf diese Vermögenswerte, die seine Finanzkraft schwächen könnten. Zudem sei in Anbetracht der verschachtelten Firmenstruktur unsicher, ob eine Konzernhaftung für die Rekultivierung tatsächlich durchgesetzt werden könne.

„Es ist wichtig, dass unabhängig ermittelt wird, wie hoch die Rückstellungen sein müssten“, so Kemfert. „Um sicherzustellen, dass das Geld zu Verfügung steht, wenn es benötigt wird, sind mehrere Optionen denkbar, von einer regelmäßigen Überprüfung der Rückstellungen über ein Nachhaftungsgesetz bis hin zu einer Fondslösung.“ Dies sei auch ein wichtiges Thema für die einzusetzende Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung“ der Bundesregierung.

Strukturwandel in der ostdeutschen Braunkohle sollte möglichst frühzeitig gestaltet werden

Ein anderes DIW-Autorenteam hat die Auswirkungen des zwischen den Jahren 1998 und 2010 erfolgten Stellenabbaus in der ostdeutschen Braunkohle auf die hin Beschäftigten untersucht.

Demnach bräuchten Braunkohlebeschäftigte im Schnitt länger als Beschäftigte aus anderen Branchen, um eine neue Anstellung zu finden. Und wenn sie einen neuen Job fänden, sei dieser im Durchschnitt schlechter bezahlt als die vorige Tätigkeit in der Braunkohle. Die Einkommenseinbußen seien am stärksten für diejenigen, die zwischenzeitlich arbeitslos würden.

„Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass die Sorgen der Beschäftigten berechtigt sind und ernst genommen werden müssen“, so Studienautor Luke Haywood. „Hier sind Betreiber und Politik in der Pflicht, den Abbau frühzeitig einzuleiten und planbar zu gestalten, damit die Beschäftigten die Chance bekommen, sich umzuorientieren.“

DIW Wochenbericht 6+7/2017 | PDF, 0.51 MB

Interview mit Claudia Kemfert: „Man muss sich in Deutschland Schritt für Schritt von der Braunkohle verabschieden“ (Print | PDF, 95.99 KB und Podcast) | MP3, 4.06 MB

->Quelle:  DIW Berlin