BeMobility – Anlass zum Umdenken

E-Carsharing als Bestandteil multimodaler Angebote
Elektroautos sind mehr als nur Automobile mit anderem Antrieb.

Elektroautos können Teil einer neuen Form von Mobilität werden, wenn die Fahrzeuge mit dem öffentlichen Verkehr vernetzt werden. Um zu erkunden, ob eine solche „multimodale“ Kombination funktioniert und von den Nutzern angenommen wird, wurde das Forschungsvorhaben „BeMobility“ in Berlin entwickelt und im Zeitraum zwischen 2009 und 2011 realisiert.1

Ziel des vom BMVBS im Rahmen der Modellregionen Elektromobilität geförderten Verbundes war die Integration von Elektrofahrzeugen in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Berlins. Die Verbindung von Verkehrsmitteln des Individual- und des öffentlichen Verkehrs (ÖV) sollte helfen, die Defizite der elektrischen Fahrzeuge (Reichweite, Anschaffungskosten) zu kompensieren, um den Mobilitätsbedarf in Ballungsräumen ohne eigenen Pkw erfüllen und einen Beitrag zu einer ökologischen Verkehrswende leisten zu können.

Dazu konnten räumlich, informatorisch und schließlich auch angebotsseitig eine Reihe von Integrationsaspekten untersucht werden. Im Folgenden werden Ergebnisse aus den abschließenden Nutzerbefragungen durch das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) referiert, die insgesamt in drei Wellen erfolgten und damit erstmals Aussagen über einen längeren Nutzungszeitraum ermöglichen. In Ergänzung zu den Befragungen vor sowie nach ersten Nutzungen2 werden hier Ergebnisse aus der letzten Projektphase nach längerer Nutzung vorgestellt. Im Fokus stehen Auswertungen zur Umsetzung der „Mobilitätskarte Berlin elektroMobil“.

Ergebnisse im Überblick

Während der Projektlaufzeit von September 2009 bis September 2011 kamen mehr als 50 Elektrofahrzeuge im Carsharing der DeutschenBahn (e-Flinkster – mein Carsharing) sowie in weiteren Vermietmodellen (z.B.Langzeitmiete) zum Einsatz. Zum Projektendestanden 14 Citroën C-Zero, zwölfToyota Plug-in-Hybrid und sechs Smart ed an 15 E-Flinkster-Stationen in Berlin zur Verfügung. Sie sind mehr als 2853 Mal von 1209 unterschiedlichen Kunden entliehen worden.

E-Carsharing wurde am häufigsten für Freizeitfahrten (32%), private Erledigungen (26%), Dienstfahrten (17%) sowie Einkaufsfahrten (13%) genutzt. Insgesamt konnten 194037 km mit den Elektro- und Hybridautos zurückgelegt werden; durchschnittlich entspricht dies ca. 68 km pro Fahrt. Reine Elektrofahrzeuge wurden im Schnitt weniger als 30 km, Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge über 120 km pro Buchung gefahren. Bei den Nutzern dominierten auch in Berlin die Männer mit mehr als 87%. Ebenso entsprachen Durchschnittsalter (38 Jahre), Bildungs- (68% Hochschulabschluss) und Einkommensniveau (50% > 3000 EUR monatliches Haushaltsnettoeinkommen) den Ergebnissen vergleichbarer Untersuchungen.

Insgesamt bestätigen die Ergebnisse der dritten Befragungswelle die bereits veröffentlichten Angaben: So stehen Fahrspass, Fahrgeräusche und Sicherheit weiterhin sehr hoch im Kurs. Reichweite und Lademöglichkeiten hingegen werden dann kritischer gesehen, wenn sich die Nutzungen häufen. Ingesamt fällt das Gesamturteil sehr positiv aus. Die Kombination von E-Carsharing und öffentlichem Verkehr hat die Chance, Defizite der Elektroautos auszugleichen. Die kombinierte Nutzung befriedigte sowohl alltägliche (75% Zustimmung) als auch nicht alltägliche Mobilitätsbedarfe (64%). Es blieb für über 70% der Befragten jedoch wichtig, gelegentlich auf konventionelle Leihfahrzeuge zurückgreifen zu können. Für einen bequemen Verkehrsträgerwechsel wurden E-Carsharing-Stationen an Bahnhöfen errichtet, darüber hinaus gab es Stationen im Wohn- und Einkaufsumfeld.

Die Entfernung zu Haltestellen des ÖV wurde – im Gegensatz zur Entfernung zu der nächsten Carsharing-Station– überwiegend als akzeptabel eingeschätzt. So wurde der Ausbau von E-Carsharing-Stationen an ÖV-Knoten (71%) und im direkten Wohnumfeld (66%) gefordert. Auch aufgrund der geringen Stellplatzdichte erreichten nur 16% der Nutzer die Stationen zu Fuß. Dies stellte eine Hürde für eine routinisierte Carsharing-Nutzung dar, die von ca. 20% der Befragten praktiziert wurde. Nutzer hatten die Möglichkeiten, über eine entsprechende „App“ Informationen zu Carsharing-Stationen, Fahrzeugen, Ladestellen, Parkgelegenheiten und ÖV-Haltestellen zu erhalten. Diese Applikation konnte vom DAI-Labor der TU Berlin, HaCon, Bosch und dem InnoZ gemeinsam entwickelt werden. Die Buchung von E-Autos erfolgte über Verknüpfung mit der Buchungsseite von Flinkster sowie den Angeboten des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB).

Preissystem wird zu 50 Prozent akzeptiert

Obwohl im Carsharing die höheren Kosten der Elektromobilität variabilisiert werden können, entsteht für den Betrieb ein wesentlich höherer Aufwand. Elektrofahrzeuge sind deshalb bei Flinkster eine Fahrzeugklasse höher eingestuft als die konventionellen Vergleichsautos. Das Preissystem ist von den Kunden mit über 50% als attraktiv beurteilt worden, 45% halten es sogar für kostengünstig im Vergleich zu Kaufautos. Demgegenüber steht jedoch eine geringe Bereitschaft, für E-Carsharing mehr zu bezahlen – maximal 10% pro Buchungen gegenüber konventionellen Fahrzeugen wird allgemein akzeptiert. Mobilitätskarte Gemeinsam mit den Berliner Verkehrsbetrieben, der S-Bahn Berlin, dem VBB sowie der DB Fuhrpark konnte mit der „Mobilitätskarte Berlin elektroMobil“ ein integriertes Angebot entwickelt und getestet werden.
Die Karte richtete sich an Neukunden von Flinkster sowie Personen ohne ÖPNV-Abo. Für 78 EUR pro Monat umfasste sie die Nutzung des ÖPNV im Tarifbereich ABC, 50 EUR monatliches Zeitguthaben für Elektrofahrzeuge bei Flinkster, 30 Freiminuten pro Fahrt für Call a Bike, das StadtRAD Berlin und freies Parken an öffentlichen Ladestellen sowie in Parkhäusern von Contipark.

Drei Viertel Männer – drei Viertel wollen weitermachen

Zwischen Juni und Juli 2011 wurden insgesamt 135 Karten an Testnutzer verkauft. Davon waren 73% männlich, weniger als in den anderen Projektbefragungen. Durchschnittsalter, Bildungsstand, Erwerbsquote und Einkommen entsprechen weitgehend den bisherigen Kundengruppen des E-Carsharing- Angebots. Im Gegensatz zum Berliner Durchschnitt (58%, Infas/DLR 2010) konnten lediglich 38% der Befragten jederzeit über ein Auto verfügen, fast 50% zumindest gelegentlich. Nur 13% der Kartennutzer hatten keinen Autozugriff, wesentlich weniger als im Berliner Durchschnitt (26%). Zwei Drittel waren ÖPNV-Zeitkarteninhaber, 34% Gelegenheitskunden.

Der Zugang zu verschiedenen Verkehrsträgern mit einem Zugangsmedium war ebenso wie der Preis sehr attraktiv. Vor allem die Nutzung des ÖV und das Zeitguthaben für E-Carsharing waren die Hauptgründe für ihren Kauf. Die Mobilitätskarte führte zu einer moderaten Änderung des Mobilitätsverhaltens. Die Häufigkeit der Nutzung eines Pkw (nicht nur des eigenen) blieb in etwa konstant bei gleichzeitiger Zunahme der monatlichen Carsharing-Nutzung um 30% sowie Erhöhung der täglichen ÖPNV-Nutzung von 70 auf 79%. Dies deutet darauf hin, dass eine Verschiebung vom privaten Pkw hin zum ÖPNV und zum Carsharing stattfand. Zur Veränderung ihres Mobilitätsverhaltens befragt gaben 36% der Nutzer an, seltener den Privat-Pkw zu nutzen und 50% äußerten, häufiger auf ECarsharing zurückzugreifen. Zusatzleistungen wie Parken und Laden wurden kaum in Anspruch genommen. Die Karte hat sich sowohl für alltägliche als auch für nicht-alltägliche Wege bewährt.

Rund drei Viertel der Nutzer möchten nach Ablauf der Testphase den ÖV mit Zeitkarte sowie das E-Carsharing weiter nutzen. Überzeugen konnten Flexibilität und Unabhängigkeit sowie unkomplizierte Verfügbarkeit der Fahrzeuge. Trotz zurückhaltender Nutzung der Leihfahrzeuge stellt allein die Nutzungsmöglichkeit einen Mehrwert dar.

Resümee und Ausblick

Das Elektroauto kann im Rahmen multimodaler Verknüpfung trotz Reichweitenbegrenzung bereits heute sinnvoll eingesetzt werden. Multimodale Angebote führen dabei auch zu einer Steigerung der ÖPNV- und (E-)Carsharing-Nutzung zulasten privater Pkw-Fahrten. Entsprechende Angebotsformen dürften damit die Kundenbindung im ÖV erhöhen und auch die Attraktivität steigern. Dieser „Proof of Concept“ ist durch das Vorhaben „BeMobility“ geschafft worden. Dennoch bleibt noch viel zu tun. Alle Elemente der Elektromobilität – ob Fahrzeuge oder Ladeinfrastruktur müssen in Sachen Qualität und Verfügbarkeit noch deutlich verbessert und kostengünstiger werden.
Im Folgeprojekt „Berlin elektroMobil 2.0“ sind die Erweiterung des Nutzerkreises (v. a. Besitzer von Privat-Pkw) und die Weiterentwicklung multimodaler Angebote ein wesentliches Ziel. Darüber hinaus ist die Integration von Elektroautos in das Energienetz geplant, um so einen Ansatz für ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell zu finden. Die Speicherpotenziale der Autobatterien sollen für die regenerative Stromversorgung mobilisiert werden. Modellrechnungen sehen dabei Einnahmen von bis zu 1000 EUR pro Elektroauto und Jahr dabei vor.3 Grundlagen dazu wurden bereits von den Partnern DB Energie, GASAG, NBB, Reiner Lemoine Institut, Solon, Schneider Electric, RWE und Vattenfall im abgeschlossenen Projekt gelegt, auf die im Folgeprojekt aufgebaut werden soll.
1 Über das Forschungsprojekt BeMobility wurde bereits zweimal in IV berichtet: „Multimodales Mobilitätsmanagement“ (1/2011, S. 53-57); „Intelligent vernetzen“ (5/2011, S. 16-19).
2 Vgl. IV 5/2011.
3 Nach Modellrechnungen des VDE.
Autoren: Andreas Knie, Steffi Kramer, Christian Scherf, Frank Wolter
Aus: Internationales Verkehrswesen 1/2012 (nur für Abonnenten) ->Quelle: www.now-gmbh.de