Yellow Paper von EurActiv: Energiewende

Leseempfehlung: Über den Tellerrand hinaus

Das Internetportal EurActiv.de analysiert in einem eben veröffentlichten Yellow Paper die aktuelle Situation der Energiewende. „Europas Energiewende„, eine umfangreiche Zusammenstellung für alle, die sich für das Thema interessieren, wirft den Blick weit über den deutschen Tellerrand hinaus und bietet eine Fundgrube an Informationen, Fakten und Meinungen. EurActiv.de greift die EU-Debatte auf und lässt Experten und Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sowie die Länderredaktionen des paneuropäischen Netzwerkes EurActiv zu Wort kommen. Damit bietet es einen informativen, gut verständlichen und topaktuellen Rundum-Blick.

Das Yellow Paper steht als PDF online zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Solarify dokumentiert im Folgenden das Vorwort von Herausgeber und Chefredakteur Ewald König. Hier zunächst Ausschnitte aus dem Inhalt:

  • Aus dem EurActiv-Netzwerk: Türkei, Tschechien, Slowakei, Belgien, Frankreich, Serbien, Österreich, Polen
  • Interview mit Gregor Czisch: „Es fehlt der Blick fürs Ganze“
  • Positionen der Wirtschaft
  • Positionen der Politik
  • Positionen der Wissenschaft

The German Energiewende  und der Rest Europas

„Rucksack, Kindergarten – und jetzt die Energiewende: Wieder ein deutsches Wort, das Eingang in andere Spra­chen gefunden hat und als typisch deutsch gilt. Dieses YellowPaper beantwortet nicht alle Fragen, aber viele. Es konzentriert sich auf einige Schwerpunkte: Beiträge aus den Redaktionen des EurActiv-Netzwerks, ein umfassen­des Interview mit einem Experten, diverse Positionen aus Politik und Wirtschaft sowie gut verständliche Analysen von Wissenschaftlern der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

‚Energiewende‘ findet man neuerdings immer öfter auch in angelsächsischen Texten. Das sagt viel aus. Tatsächlich spielt Deutschland offenbar eine Vorreiterrolle in der Energiewende. Sucht dennoch jemand eine englische Entsprechung, würde ‚energy transformation‘ oder auch ‚ener­gy shift‘ passen.  Die deutsche Vorreiterrolle findet in Europa nicht nur Begeisterung. Sie provoziert eine Menge Fra­gen, sowohl im europäischen Binnenmarkt als auch in Deutschland selbst. Wieviel echte Wen­de steckt eigentlich in der Energiewende? Wo ist eine Wende dieser Wende angezeigt?  Wie sich Deutschland als Pionier für die europä­ische Energiewende sieht, so hätte Europa das Potenzial, die Pionierrolle für die globale Energie­wende zu übernehmen. Dafür aber fehlt es noch an vielem – nicht nur an realer Politik, sondern auch an der Vision.

Europa schaut den Deutschen interessiert und skeptisch zu. EU-Energiekommissar Günther Oettinger tourt erfolgreich durch die Vortragssä­le, mokiert sich in anschaulichen Sprachbildern über deutsche Alleingänge und hält sie für eine Petitesse der Weltgeschichte. Sobald die Deut­schen aus der Kernkraft ausgestiegen seien, wür­den die Polen gerade erst voll einsteigen.  Oettinger macht Tempo beim EU-Energie-Bin­nenmarkt und fordert von den Mitgliedsstaa­ten mehr Anstrengungen zur Umsetzung und Durchführung der bestehenden EU-Gesetze für den Energiebinnenmarkt. ‚Wenn es um Gas und Strom geht, interessieren Bürger und Unterneh­men zwei Dinge: eine jederzeit sichere Versor­gung und erschwingliche Preise. Dieses Ziel errei­chen wir am besten mit einem funktionierenden europäischen Energiemarkt.‘

Will man den Europäern erklären, was die deut­sche Energiewende bedeutet, muss man weit ausholen. Der Begriff steht für den Aufbruch in Richtung Erneuerbare Energien und Energieef­fizienz. Wenn bis 2050 die Energieversorgung Deutschlands überwiegend durch Erneuerbare erfolgen soll, müssen die Energieversorgungs­systeme komplett umgebaut werden. Fast 200 Maßnahmen sieht die deutsche Regierung vor. Bis Mitte des Jahrhunderts sollen bis zu 550 Milliarden Euro für die Energiewende investiert werden.

Die Handlungsfelder:

  • Die zukünftige Energieversorgung soll vor allem durch Erneuerbare Energie erfolgen
  • Schlüsselfrage Energieeffizienz
  • Ausstieg aus der Kernenergie: Ab spätestens Ende 2022 soll Deutschland auf Atomstrom gänzlich verzichten.
  • Fossile Kraftwerke, Abschied vom fossilen Zeit­alter
  • Leistungsfähige Netzinfrastruktur für Strom, Integration erneuerbarer Energien: Das Netz­ausbaubeschleunigungsgesetz ermöglicht, Pla­nungsverfahren für Höchstspannungsleitungen über Landesgrenzen hinweg von zehn auf vier Jahre zu verkürzen.
  • Energiespeicher sollen zum ‚Parken‘ von Ener­gie zwecks Versorgungssicherheit entwickelt werden. Der Bund steckt 200 Millionen Euro in die Forschung.
  • Energetische Gebäudesanierung, energieeffizi­entes Bauen: Bis 2050 sollen fast 90 Prozent der Wohnfläche in Deutschland energetisch saniert werden
  • Mobilität: Bis 2020 sollen in Deutschland eine Million Elektrofahrzeuge fahren, bis 2030 sogar sechs Millionen.
  • Energieforschung für Innovationen, neue Tech­nologien
  • Energieversorgung im europäischen und inter­nationalen Kontext
  • Akzeptanz, ideologische Grenzen
  • Transparenz und Information, mediale Kontro­versen

Diese Handlungsfelder zeigen, welche Dimensi­onen die Energiewende hat, abgesehen von der rein technischen und der umweltpolitischen Di­mension. Gefährdet sie Arbeitsplätze, weil we­gen der hohen Kosten die De-Industrialsierung Deutschlands droht? Oder hilft sie, Jobs zu si­chern? Schafft sie neue Stellen? Gelingt es, die industriellen Wertschöpfungsketten in Deutsch­land zu halten? Können Grundstoffindustrien künftig noch mit Strompreisnachlässen rechnen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben?

Wie sehr werden künftig eine Energie-Außenpo­litik und eine Energie-Diplomatie gefordert sein? Welche Rolle nehmen die Landkreise und die Kommunen ein? Arbeiten Bund und Länder aus­reichend an einem Energiekonzept zusammen? Wird Energiewende als nationale, geschweige denn europäische Anstrengung empfunden?

Wie weit gehen die Maßnahmen zu Lasten der Umwelt, wenn der Bau von Stromleitungen und Kraftwerken beschleunigt wird? Wie weit verän­dern Infrastruktureingriffe in den Untergrund (Stauseen, Bergbau, Geothermie, Gasspeicher) die tektonischen Verhältnisse? Drohen mehr Erd­beben?

Wenn die Energiewende schon eine Jahrhun­dertaufgabe darstellt, wird sich die nächste Bunderegierung zur Schaffung eines Energiemi­nisteriums aufraffen, um die häufigen Konflikte zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium zu vermeiden?

Jedenfalls beklagen nicht nur die Energiehändler schwere Verfehlungen der derzeitigen deutschen Regierungspolitik. Anstatt Regulierungsdefizite, die durch Subventionen bedingt sind, mit Markt­mechanismen zu neutralisieren, setzt der Staat auf neue Regulierung, um das Defizit zu besei­tigen. Diese Entwicklung hat inzwischen alle Teile der Wertschöpfungskette erfasst. Damit geht eine kontinuierliche Abschaffung des so oft gepriesenen liquiden Energiemarktes in Raten einher.

Wie in allen bisherigen YellowPapers von EurAc­tiv.de kommen viele Seiten zu Wort. Der unab­hängige und anerkannte Energieberater Gregor Czisch gab uns ein ausführliches und grundle­gendes Interview; dann lassen wir zahlreiche Stakeholder aus der Wirtschaft zu Wort kom­men, die keinesfalls immer einer Meinung sind, gefolgt von den Positionen der politischen Partei­en. Im letzten Kapitel durften wir Analysen von SWP-Wissenschaftlern übernehmen, die äußerst lesenswert sind.“ EWALD KÖNIG
->Quelle:  www.euractiv.de