Negative Strompreise sind Preisschild für Inflexibilität des Stromsystems

Sechs-Stunden-Regelung erschwert Direktvermarktung

Minus 41 EUR/MWh betrug der durchschnittliche Strompreis während insgesamt 97 Stunden mit negativen Strompreisen zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 – mit der Folge, dass die Stromverbraucher rund 90 Millionen Euro mehr für die Förderung der Erneuerbaren Energien zahlen mussten. Die Bundesregierung hat deshalb in den EEG-Entwurf eine Bestimmung aufgenommen, wonach neue Erneuerbare-Energien-Anlagen dann keine Vergütung mehr erhalten, wenn der Strompreis sechs Stunden lang im Minus ist.

§ 24 EEG Verringerung der Förderung bei negativen Preisen
(1) Wenn der Wert der Stundenkontrakte für die Preiszone Deutschland/Österreich am Spotmarkt der Strombörse EPEX Spot SE in Paris an mindestens sechs aufeinanderfolgenden Stunden negativ ist, verringert sich der anzulegende Wert nach § 23 Absatz 1 Satz 2 für den gesamten Zeitraum, in denen die Stundenkontrakte ohne Unterbrechung negativ sind, auf null.

Der Analyst Energy Brainpool hat untersucht, wie oft eine solche Regelung seit 2008 zum Tragen gekommen wäre: Gerade einmal an zehn Tagen. Dennoch macht der Passus die genaue Berechnung der Erlöse für Betreiber und Direktvermarkter deutlich schwierig.

Auch in den ersten Monaten des Jahres 2014 gab es negative Strompreise, verstärkt auch tagsüber.  Die Erneuerbaren Energien machen allerdings an diesen Zeitpunkten nie mehr als 65 % der Stromerzeugung aus. Agora Energiewende beauftragte Energy Brainpool, um in diesem Zusammenhang die Frage zu klären, welche anderen Faktoren die negativen Preise erklären können.

Inflexibilität der Braunkohle- und Kernkraftwerke sowie KWK-Anlagen verantwortlich

Die Ursache für die negativen Strompreise liegt vor allem in der Inflexibilität der Braunkohle- und Kernkraftwerke sowie des wärmeorientierten Betriebs von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Diese Anlagen haben trotz des negativen Preissignals von der Börse Strom produziert. Dieser hat gemeinsam mit dem Strom aus den Erneuerbaren Energien zu einem Stromüberschuss geführt. Falls die konventionellen Anlagen weiterhin so inflexibel bleiben, werden im Jahr 2022 voraussichtlich an rund 1.000 Stunden im Jahr negative Strompreisen zu verzeichnen sein, mit entsprechend höheren Belastungen der Stromkunden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie von Energy Brainpool im Auftrag von Agora Energiewende. Einen Stromüberschuss durch Erneuerbaren Energien hat es hingegen bislang noch nie gegeben. Selbst in Spitzenstunden wurden nie mehr als 65 Prozent des Strombedarfs in Deutschland aus Windkraft, Photovoltaik, Biomasse und Wasserkraft gedeckt.

Dass konventionelle Kraftwerke mit einer Leistung von 20 bis 25 Gigawatt bei sehr niedrigen oder sogar negativen Strompreisen nicht vom Netz genommen werden – obwohl die Anlagen in diesen Zeiten Verluste erwirtschaften – hat im Wesentlichen drei Ursachen, wie die Studie zeigt.

Ergebnisse im Überblick

  • Negative Strompreise sind per se nichts Schlechtes, sie belasten aber die EEG -Umlage erheblich. Denn auch in Stunden negativer Strompreise wird der Strom aus Erneuerbaren Energien am Spotmarkt vermarktet. Zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 hat dies das EEG-Konto mit knapp 90 Mio. Euro belastet.
  • Negative Strompreise haben ihre Ursache in der mangelnden Flexibilität des konventionellen Kraftwerksparks. In Zeiten hoher Wind- und Solarstromproduktion haben Kernkraftwerke, Braunkohlekraftwerke und KWK-Anlagen ihre Erzeugung nur teilweise reduziert, sodass es – obwohl die Erneuerbaren Energien in den Spitzenstunden nie mehr als 65 % des Stroms produziert haben – zu Stromüberschüssen kam.
  • Ohne eine deutliche Flexibilisierung von Kraftwerken und Großverbrauchern werden die Stunden mit negativen Strompreisen drastisch zunehmen. Wenn auch weiterhin etwa 20–25 GW konventionelle Kraftwerke rund um die Uhr Strom produzieren, wird die Zahl negativer Strompreise von 64 Stunden im Jahr 2013 auf über 1.000 Stunden bis 2022 steigen.

Höchste Zeit für ein Flexibilitätsgesetz

„Die Studie zeigt, dass es höchste Zeit für ein Flexibilitätsgesetz ist“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Damit können Barrieren, die einem flexibleren Kraftwerksbetrieb auch regulatorisch entgegenstehen, abgebaut werden. So sollten etwa Erneuerbare Energien Systemdienstleistungen übernehmen können oder Stromverbraucher ihren Stromverbrauch in Zeiten mit hoher Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien verlagern. Ohne ein flexibleres Stromsystem drohen an immer mehr Tagen negative Strompreise. Für die Stromverbraucher könnte das über die steigende EEG-Umlage zu zusätzlichen Belastungen führen.“
->Quelle(n): newsletter.pv-magazine.com; energybrainpool.com; die Studie