Heiße Explosionen auf kühler Sonne

Bisher unerreichte räumliche Auflösung

Die gewaltigen Fotosphären-Explosionen sind zwar im sichtbaren Licht nicht erkennbar, hinterlassen ihre Spuren jedoch in der ultravioletten Strahlung, welche die Sonne ins All sendet. Genauer als jedes andere Observatorium zuvor zerlegt IRIS die ultraviolette Strahlung in ihre einzelnen Wellenlängen. Dazu kommt eine bisher unerreichte räumliche Auflösung: Das Weltraumteleskop, das im Juli vergangenen Jahres zum ersten Mal seinen Blick auf die Sonne richtete, macht Strukturen mit einer Größe von nur 250 Kilometern sichtbar und kann die Strahlung, die solche kleine Gebiete emittieren, getrennt untersuchen.

„Zu unserer großen Überraschung fanden wir in den aktiven Gebieten begrenzte Regionen, deren Strahlung für kurze Zeit in entscheidenden Einzelheiten gravierend von der ihrer Umgebung abweicht“, sagt Hardi Peter. So entdeckten die Forscher dort charakteristische Wellenlängen, welche bestimmte hoch ionisierte Atome im Sonnenplasma – etwa dreifach ionisiertes Silicium – in den Weltraum senden.

Heiße Plasmaströme – Explosionen nach Kurzschluss

„Allein die Existenz dieser Wellenlängen im Spektrum deutet auf extrem hohe Temperaturen hin“, so Peter. Denn nur unter diesen Bedingungen kann Silicium gleich drei seiner Elektronen verlieren. Doch in welcher Schicht der Sonne war es zu diesen Temperaturen gekommen? Tatsächlich in der kühlen Fotosphäre? Oder – deutlich unspektakulärer – weiter außen in der ohnehin heißeren Atmosphäre des Tagesgestirns?

Die spektralen Daten von IRIS erwiesen sich als so detailreich, dass die Wissenschaftler ihnen weitere entscheidende Hinweise entnehmen konnten. So etwa haben sie auf die Dichte des Sonnenplasmas am Entstehungsort der Strahlung geschlossen und nachgewiesen, dass die Strahlung auf ihrem Weg durch die weiter außen liegenden Sonnenschichten einfach ionisierten Eisenionen begegnet war. Diese treten jedoch nur in kühleren Regionen auf. „Insgesamt ergab sich ein stimmiges Bild: Die auffällige Strahlung muss ihren Ursprung in der kühlen äußeren Fotosphäre haben“, so Peter.

Die Forscher gehen davon aus, dass die starken Magnetfelder in der Fotosphäre die notwendige Energie für die Hitzeausbrüche bereitstellen. Im Bereich der Sonnenflecken treten die magnetischen Feldlinien bogenförmig aus der Oberfläche der Sonne hervor; heißes Plasma durchströmt die Bögen. Tritt innerhalb dieser Ströme eine Art Kurzschluss auf, kommt es zu den Explosionen.

Grundlegend verändertes Bild vom äußeren Aufbau der Sonne

„Die neuen Ergebnisse haben unser Bild vom äußeren Aufbau der Sonne grundlegend verändert“, sagt der Max-Planck-Wissenschaftler. „Statt einer stabilen Temperaturschichtung gibt es offenbar auch in der Fotosphäre dynamische Prozesse, die für kurze Zeit alles auf den Kopf stellen.“

Bereits im Jahr 1917 hatte der amerikanische Physiker Ferdinand Ellermann in der Fotosphäre Gebiete mit erhöhten Temperaturen entdeckt. Diese unterschieden sich jedoch nur um wenige tausend Grad von ihrer Umgebung und stellen somit eine eher kleinere Temperaturschwankung dar. Ob es sich bei den neu entdeckten Explosionen um dasselbe Phänomen handelt, ist derzeit noch unklar.

Auch eine weitere Veröffentlichung im Fachmagazin Science, zu der Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung beigetragen haben, zeichnet ein neues Bild der Vorgänge auf der Sonne. Unter der Leitung des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in den USA entdeckten die Experten ? ebenfalls in IRIS-Daten ?, dass der Sonnenwind, ein kontinuierlicher solarer Teilchenstrom, die Oberfläche des Sterns nicht gleichmäßig verlässt, sondern stellenweise in hochenergetischen lokalisierten Strömen. BK / HOR