Klima – Wandel im Gipfeljahr 2015

„Low-Carbon-Laboratorien“

Dirk Messner, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU): „Wir brauchen eine globale Ordnungspolitik, Monitoringsprozesse, einen Ordnungsrahmen – sonst liegt die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs der Pariser Klimakonferenz bei unter 10%.“ Aber wir könnten ein noch so gutes Abkommen hinkriegen – wir würden es nicht in Gang setzen können, wenn nicht alle mitmachten, alle Bürger. Dabei seien lokale und regionale Aktivitäten nicht zu unterschätzen; denn „je mehr lokale, nationale Dynamiken entstehen und erfolgreich sind, wie die deutsche Energiewende, desto be3sser – wenn das gelingt, dann steigen die Bedignungen für weltweite Aktivitäten, für anspruchsvolle Klimapolitik.“ Messner nennt das „lokale Weltbürgergesellschaft“.

Wenn wir „2080 Richtung Null gehen“ wollten, müssten das alle mitmachen – stattdessen delegierten wir aber Verantwortung nach Paris – „die sollen das lösen! Dafür haben wir die schließlich gewählt.“ Aber viele Politiker wollten ihren Bürger „das“ nicht zumuten – sie hätten Angst, nicht wieder gewählt zu werden, evtl. ihre Wirtschaft zu ruinieren. „Wir brauchen eine neue Verantwortungsgesellschaft!“ so Messner.

Die Klimaforschung sei unglaublich erfolgreich gewesen – so dass inzwischen kein Zweifel mehr daran bestehe, dass der Klimawandel menschengemacht sei. Aber nur wenige glaubten heute, dass eine klimafreundliche Politik und Gesellschaft wirklich möglich ist. Was wir bräuchten seien „Low-Carbon-Laboratorien“, in denen das vorangebracht, durchgespielt werden könne. Messner sprach von einer „weniger technologisch-ordnungspolitischen, sondern normativ-moralischen Herausforerung im Sinne Kants und seiner ‚Veränderung der Denkungsart des Menschen'“.

Klaus Schmid von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) plädierte dafür, die Verlierer von Atomausstieg und Energiewende mitzunehmen, womit er die Energiekonzerne meinte. Schmid will einen neuen Gesellschaftsvertrag und verlangte, mehr Nachhaltigkeits-Prinzipien ins Grundgesetz aufzunehmen. „Wir müssen das verrechtlichen.“ Es reiche nicht aus, „Großkonflikte“ lediglich zu beshreiben. Man müsse sie auch aufnehmen. Dabei werde man am ehesten Erfolg haben, wenn man sich auf die Verfassung berufen könne.

Ursula Sladek von den Elektrizitätswerken Schönau kreidete es der Politik als Versagen an, dass sich KWK-Kraftwerke „heute nicht mehr rentieren“ – wo diese doch „die Partner der Energiewende“ seien. Denn sie erzeugten im Vergleich nur ein Drittel der Emissionen, selbst wenn sie fossil betrieben würden.

Prof. Dr. Peter Hennickes Vortrag „Wider die Idee des Burden Sharing: Klimaschutzpolitik als Gewinn für Friedenssicherung und nachhaltiges Wirtschaften. Ein Ausblick“ bildete den Abschluss. Der Ex-Präsident des Wuppertal Instituts, der bereits vor 30 Jahren das Wort „Energiewende“ in dem Buch „Die Energiewende ist möglich“ publik machte, will nicht „Burdon-„, sondern „Benefit Sharing“ hören: „Globaler Klimaschutz bedeutet: ‚benefit sharing‘ statt ‚burden sharing‘!“ Alle sollen von den Vorteilen des Gemeinschaftswerks „Kampf gegen den Klimawandel“ profitieren. Die Zwei-Grad-Grenze einhalten bedeute eine „marginale, völlig vernachlässigenswerte Einbuße des Weltsozialprodukts“. Verlierer und Gewinner müssen dabei so ins Boot, dass wirklich ein Gemeinschaftswerk entsteht. Anschließend an Messner forderte Hennicke, „nationale, reginale und kommunale Beispiele zu popularisieren und hoch zu skalieren.

Dabei gehe es keineswegs ausschießlich um den Klimawandel – die Luftverschutzung mit ihren krankmachenden Folgen alleine sei ein Treiber auch ohne Klimawandel, und schließlich auch die Friedenssicherung.

Hennickes Thesen

  • Keine Renaissance der Kohle – noch in diesem Jahrzehnt wird es gelingen, dass Erneuerbare Energien Öl und Kohle überflügeln
  • Deutsche HH und KMUs haben weltweit PV und Wind vorfinanziert
  • Carbon Bubble und nuclear bankrupty gefährlicher als Peak Oil – trotz Shale Gas (= 3-4 % mit auslaufender Tendenz, Bankrottwelle droht in USA)
  • Once-in-a-generation-opportunity – Junckers Geld wäre ideal angelegt im Bereich der Gebäudesanierung
  • 400 Mrd. Subventionen und Internalisierung externer Kosten könnten Energiewende finanzieren
  • Geschichte der fossilen Energieträger ist eine Minutengeschichte im historischen Kontext
  • In 50-70 Jahren Ausstieg aus Fossil und Atom möglich
  • Effizienzrevolution ist schiere Notwendigkeit – ein öffentlicher Euro indiziert im günstigen Fall das 20fache
  • Polyzentrische Energiespaar-Governance mit einem Kümmerer nötig – ebenso Bundesagentur für Energie-Effizienz

Folgt: Hartmut Graßls Leben