Keine Plastiktütenabgabe – DUH kritisert

Kniefall vor den Handelskonzernen: Umweltministerin Barbara Hendricks verweigert Abgabe oder Mindestpreis für Plastiktüten

Zwei Wochen nach dem Pariser Klimagipfel kapituliert das Umweltministerium (BMUB) vor den Interessen des Handels – so die Deutsche Umwelthilfe. Denn obwohl die EU-Kommission von den Mitgliedsländern verlange, die Unmengen Plastiktüten entscheidend zu verringern, setze das BMUB auf das bisher ausnahmslos gescheiterte Instrument der „freiwilligen Selbstverpflichtung“. Die  forderte daher die Bundestagsabgeordneten auf, wegen der Angst des Umweltministeriums vor den Handelskonzernen eine bundesweite Plastiktütenabgabe von 22 Cent über das Parlament zu initiieren.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) verhindere erfolgreich eine gesetzliche Regelung zur Festlegung eines Mindestpreises für Plastiktüten. Stattdessen soll der Handel freiwillig einen nicht näher festgelegten Preis für Plastiktüten verlangen. BMUB und HDE wollen noch vor Weihnachten diese Vereinbarung verabschieden. Das Problem: Der Handel kann für die Plastiktüten Geld verlangen, muss sich aber nicht daran halten. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert, dass diese geplante Vereinbarung die Menge an verbrauchten Plastiktüten in Deutschland nicht senken wird.

„Ausgerechnet mit dem bisher in der Umweltpolitik ausnahmslos gescheiterten Instrument der ‘freiwilligen Selbstverpflichtung‘ will nun das BMUB die Plastiktütenflut stoppen. Der vom Handelsverband Deutschland für Ende Dezember angekündigte Vorschlag ist nicht mehr als eine Nebelkerze. Er sieht weder vor, eine konkrete Höhe des Preises für Plastiktüten festzulegen, noch soll es Sanktionsmaßnahmen geben, falls sich Händler nicht an die Selbstverpflichtung halten. Andere EU-Staaten wie Irland haben mit einer klaren gesetzlichen Regelung den Plastiktütenverbrauch fast auf null reduziert. Die deutsche Bundesumweltministerin lässt sich die Regelung einmal mehr von der Wirtschaft diktieren. Wir fordern nun die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dazu auf, eine entsprechende Initiative zur korrekten Umsetzung von EU-Recht zu ergreifen“, sagt der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

In Deutschland werden pro Jahr mehr als sechs Milliarden Plastiktüten verbraucht. Die DUH fordert seit langem eine einheitliche gesetzliche Abgabe auf Einweg-Plastiktüten in Höhe von 22 Cent pro Stück. Nach Einschätzung von Resch will der deutsche Einzelhandel noch immer nicht auf Plastiktüten als besonders günstiges Marketinginstrument verzichten. Er verweist auf die in Irland erfolgreich eingeführte Abgabe in Höhe von 22 Cent. Sie konnte den Plastiktütenverbrauch in Irland von 328 pro Kopf und Jahr auf nur noch 16 Stück senken.

SZ-Autorin Vivien Timmler hat vor kurzem das Recyceln von Plastiktüten in Frage gestellt: „Durchaus wohltuend wäre es für die Umwelt, für das eigene Gewissen ebenso. Recyceln funktioniert allerdings nur in der Theorie.“ Viele glauben, dass die Tüten im gelben Sack recycelt werden – doch nur ca. sieben Prozent landen dort (und so mancher gelbe Sack landet seinerseits auf einer wilden Müllkippe im Naturschutzgebiet – siehe Foto). Viele benutzen Plastikbehälter aller Art nämlich als Müllbeutel und halten das für gut  – ein Irrtum, sagt Thomas Fischer, Leiter der DUH-Abteilung Kreislaufwirtschaft: „Tüten im Hausmüll werden sie einfach nur verbrannt.“ Viele werden aber weder recycelt noch verbrannt. Schätzungsweise 61 Millionen landen früher oder später in Gewässern und werden zu „kleinen Giftbomben“, wie Fischer sagt. An ihnen verenden Tiere, die im und am Wasser leben.

„Wenn die Händler in Deutschland selbst festlegen dürfen, wie viel eine Plastiktüte kostet, darf man daran zweifeln, ob die festgelegte Höhe auch eine Lenkungswirkung haben wird. Die Verpflichtung gilt zudem nur für die Mitglieder des Handelsverbandes Deutschland. Dreißig Prozent der deutschen Handelsunternehmen gehören diesem Verband jedoch gar nicht an“, erklärt Fischer.

Die DUH betont, dass bereits ein sehr geringer Preis für Plastiktüten dazu führen könne, dass Unternehmen an ihnen Geld verdienen und sich deren Angebot erst recht lohnt. Bei einer gesetzlichen Abgabe verbleibt das Geld jedoch beim Staat und die Plastiktüte wird unattraktiv. Mit den Einnahmen einer Plastiktütenabgabe könnten Projekte zur Vermeidung von Abfall finanziert werden.

Eine Richtlinie der Europäischen Union vom April 2015 verpflichtet die Bundesregierung, den Verbrauch von Plastiktüten deutlich zu reduzieren. Ab 2020 soll der Verbrauch auf 90 Plastiktüten und ab 2026 auf 40 Stück pro Einwohner gesenkt werden. Derzeit werden in Deutschland pro Kopf und Jahr 76 Plastiktüten verbraucht. In anderen europäischen Ländern sind es deutlich weniger: In Luxemburg 20 und in Dänemark sowie Finnland nur vier Tüten pro Kopf und Jahr.

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