BDEW: Erdgas hat Perspektive über 2030 hinaus

Kapferer fordert unternehmerische Gestaltungsspielräume für erfolgreiche Energiewende

Der neue Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Stefan Kapferer, hat die Politik dazu aufgerufen, die unternehmerischen Spielräume der Energieversorger nicht „noch weiter“ einzuengen. „Das Ziel, die CO2-Emissionen zu reduzieren, erreichen wir am effizientesten über den Wettbewerb der besten Ideen aus einem funktionierenden Markt heraus. Der Versuch, die Zukunft bis ins Jahr 2050 im Detail am Schreibtisch von Ministerien zu planen, lähmt Innovationen. Technologische wie wirtschaftliche Gewinner und Verlierer werden so durch die Entscheidungen der Politik bestimmt statt durch unternehmerisches Handeln“, sagte Kapferer im Rahmen einer Pressekonferenz zum Auftakt des BDEW-Kongresses 2016, der vom 08. bis 09.06.2016 in Berlin stattfand.

„Manche Landesregierung handelt im offenen Widerspruch zu eigenen Entscheidungen und früheren Absprachen“

Die Unternehmen müssten sich auf immer neue gesetzliche Rahmenbedingungen einstellen. Erforderlich sei jedoch das Gegenteil: „Das Maß an Zuverlässigkeit, das beispielsweise hinsichtlich der Versorgungssicherheit von uns verlangt wird, erwarten wir auch von der Politik.“ Ganz wesentlich sei dieses Vertrauen beim Thema Netzausbau. „Das Bekenntnis zum Netzausbau darf in keiner Sonntagsrede zur Energiewende fehlen. Trotzdem handelt hier manche Landesregierung im offenen Widerspruch zu ihren eigenen Entscheidungen und früheren Absprachen auf Bundesebene. Auch bei den Verteilnetzen fehlt bisher die so entscheidende finanzielle Planungssicherheit samt belastbaren Anreizen, die im letzten Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt wurden. Bis 2032 müssen bis zu 50 Milliarden Euro in die Verteilnetze investiert werden. Dafür brauchen wir stabile Investitionsbedingungen.“

Pro Ausschreibungen

Kapferer betonte, dass die Erneuerbaren Energien der Motor der Energiewende seien. „Wie alle anderen Erzeugungsformen müssen wir ihre Einspeisung aber auf das Gesamtsystem abstimmen und den Ausbau wirtschaftlich effizient fortsetzen. Deshalb begrüßen wir die im Rahmen der EEG-Reform geplante Umstellung auf wettbewerbliche Ausschreibungen zur Bestimmung der Förderhöhe für EEG-Anlagen.“ Die Anstrengungen für mehr Kosteneffizienz sollten jedoch nicht durch großzügige Grenzwerte für Photovoltaik-Dachanlagen ausgebremst werden. „Sonderregeln führen zu Partikularinteressen, Partikularinteressen führen zu weiteren Sonderregeln.“

Wärme: Effizienz wichtiger als Erneuerbare – gegen Verbot von Gasheizungen zugunsten Erneuerbarer Energien ab 2030

Im Wärmesektor könne es wiederum wesentlich kostengünstiger sein, durch Modernisierungen Effizienzpotenziale zu heben, anstatt ausschließlich auf einen Ausbau der Erneuerbaren zu setzen. 50 Prozent aller Wohnungen in Deutschland werden nach BDEW-Angaben mit Gas beheizt. Und auch bei neuen Heizungen entscheidet sich die Hälfte aller Kunden für Erdgas. Dieser Kontext müsse bei allen Zukunftsszenarien bedacht werden. „Markterfolge, Kundensouveränität und klimafreundlicher Fortschritt werden abgewürgt, wenn wie im Vorentwurf des Klimaschutzplans 2050 über ein Verbot von Gasheizungen zugunsten Erneuerbarer Energien ab 2030 nachgedacht wird. Erdgas und Energieeffizienz sollten als Geschäftsmodelle gestärkt und in die möglichen Pläne zur langfristigen Dekarbonisierung integriert werden.“ Angesichts der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sieht Kapferer für Erdgas eine klare Perspektive über 2030 hinaus. „Die Flexibilität konventioneller Gaskraftwerke ist im Zusammenspiel mit der volatilen Einspeisung aus Erneuerbaren Energien unverzichtbar.“

Digitalisierung eröffnet neue Geschäftsfelder für Energiebranche

Mit der fortschreitenden Digitalisierung verbindet Kapferer große Chancen für Energieversorger, neue Geschäftsfelder zu erschließen. „Der digitale Wandel bedeutet neue Geschäftsfelder, aber auch neue Wettbewerber. Gleichzeitig ändern sich die Ansprüche der Kunden. Für die Energieversorger bedeutet dies, dass sie ihr Geschäftsmodell neu ausrichten müssen. Um sie dabei zu unterstützen, hat der BDEW kürzlich die ‚Digitale Agenda der Energiewirtschaft‘ veröffentlicht. Darin geben wir den Unternehmen konkrete Instrumente und Empfehlungen an die Hand, um ihnen die Orientierung und Neuausrichtung zu erleichtern. Die Agenda formuliert darüber hinaus konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik“, so der Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung abschließend.

Am größten Branchentreffen der Energie- und Wasserwirtschaft nahmen 2016 mehr als 1.400 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft teil, unter anderem sprachen Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Vizepräsident der Energieunion, Maros Šef?ovi?, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sowie zahlreiche Vorstände und Geschäftsführer von Stadtwerken sowie Querverbundunternehmen.
[note Alfons Freese im Berliner Tagesspiegel: Der erste Auftritt des neuen Hauptgeschäftsführers war eines FDP-Politikers würdig: Die Politik möge sich doch bitte zurückhalten und den Unternehmen Spielräume lassen. Und der Klimaschutz sei dann am wirksamsten, wenn „aus einem funktionierenden Markt heraus über den Wettbewerb der besten Ideen“ die CO2-Emissionen reduziert würden. So stellt sich das Stefan Kapferer vor, seit ein paar Wochen Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Kapferer hat noch gute Beziehungen ins Wirtschafts- und Energieministerium, was ihm bei seiner jetzigen Lobbyarbeit nutzen wird. Mit dem FDP-Motto „Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht“, dürfte er auf dem regulierten Energiemarkt nicht weit kommen.]

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