Klimalob von der Linken

CO2-freier Zement aus Thüringen (unter anderem)

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) lobte das Unternehmen Dyckerhoff  bei einem Werkbesuch am 03.05.2024 im thüringischen Deuna. Dyckerhoff gehe „wegweisend voran“ und zeige mit seinem Projekt eines CO2-freien Zementwerks den Willen, in der Zementindustrie Maßstäbe zu setzen: „Die Klimaneutralität unserer Industrie ist gerade im Bereich der Zementherstellung entscheidend. Hier werden dringend Lösungen für prozessbedingte Emissionen gebraucht.“

Zementwerk – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Der Zement- und Baustoffhersteller Dyckerhoff plant, in seinem Werk in Deuna 350 Millionen Euro in eine CO2-Abscheideanlage zu investieren. Das bei der Zementherstellung freigesetzte CO2 wird per Carbon Capture and Storage, kurz CCS, für die Weiterverwendung gespeichert. Die Anlage soll 2029 in Betrieb gehen. Baubeginn ist für Ende 2025 geplant.

„Das Problematische am Beton ist der Zement, der hauptsächlich aus Kalk besteht. Der Kalk muss zur Herstellung von Zement auf 1450 Grad erhitzt werden, wobei hohe Mengen an CO2 entstehen. Im Durchschnitt setzt je eine Tonne Zement etwa 600 Kilogramm CO2 frei. Damit macht die Zementproduktion acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Dieser Anteil ist dreimal so hoch wie der CO2-Ausstoß des globalen Flugverkehrs. Die durch die Betonproduktion entstehenden Schäden machen sich aktuell noch nicht im Preis bemerkbar: Ein Liter Beton kostet weniger als ein Liter Mineralwasser. Wäre die Zementindustrie ein eigenes Land, dann wäre sie der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen auf der Welt nach China und den USA.“ (ZDF-Professor Harald Lesch in einem Beton-Feature)
Andere sagen: „Die Zementindustrie ist der zweitgrößte industrielle CO2-Emittent und macht weniger als 0,5 % des in den aggregierten Branchenportfolios investierten Portfoliowertes aus. Zement ist das weltweit am meisten verwendete Baumaterial. Jährlich werden rund 4 Milliarden Tonnen Zement hergestellt, womit der Sektor rund 8 % zu globalen CO2-Emissionen beiträgt. Aufgrund von Bevölkerungswachstum und Urbanisierung wird die Nachfrage nach Zement voraussichtlich weiter steigen. Bis 2030 muss die CO2-Intensität dieses Sektors um 16 % sinken, um die Anforderungen der Ziele des Übereinkommens von Paris zu erfüllen. Zwischen 2014 und 2018 ist die CO2-Intensität der globalen Produktion jedoch gestiegen. Um eine umfassende Dekarbonisierung herbeizuführen, kann die Zementindustrie zum einen auf bewährte Strategien zurückgreifen, die auch in anderen Sektoren verwendet werden, wie z.B. die Energieeffizienz der Zementwerke zu verbessern, fossile Brennstoffe durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen sowie CO2 zu erfassen und zu speichern.

Das neue Dyckerhoff-Zementwerk am Thüringer Standort soll eines der ersten Werke in Deutschland werden, das Netto-Emissionsfreien Zement („Net-Zero-Zement“) produzieren und verkaufen kann. Gemäß derzeitigem Planungsstand könnte die CO2-Abscheidung im Jahr 2029 in Betrieb gehen. Ramelow besichtigte vor Ort das für den Bau der CO2-Abscheideanlage vorgesehene Areal sowie den auf dem Werksgelände bereits vorhandenen Bahnanschluss. Die Firma setzt sich daher auch für den lokalen Ausbau von Anlagen ein.

„Es freut mich, dass Deuna auch hier wegweisend vorangeht. Die Klimaneutralität unserer Industrie ist gerade im Bereich Zementherstellung alles andere als banal, da eine deutliche CO2-Reduzierung nicht durch alternative Energien oder Antriebsstoffe allein erreicht werden kann. Lösungen für prozessbedingte Emissionen werden hier gebraucht. Die geplante Anlage zeigt die Ambition und den Willen, in der Zementindustrie dafür weiter Maßstäbe zu setzen“, so Ramelow in Deuna.

Nach zwei erfolgreich abgeschlossenen Machbarkeitsstudien hat die Detailplanung der Anlage bereits begonnen. Gemäß derzeitigem Planungsstand könnte die CO2-Abscheidung im Jahr 2029 in Betrieb gehen. Die gesamte Investition steht unter dem Vorbehalt lokaler behördlicher Genehmigungen sowie der Zustimmung des Dyckerhoff-Aufsichtsrates. Ramelow besichtigte das für den Bau der CO2-Abscheideanlage vorgesehene Areal sowie den auf dem Werksgelände bereits vorhandenen – sehr leistungsfähigen – Gleisanschluss. Dieser ermöglicht den Transport des Net-Zero-Zements und stellt gleichzeitig die logistischen Rahmenbedingungen für den Abtransport des abgeschiedenen Kohlendioxids sicher. Die Anlage ist dafür ausgelegt, die CO2-Emissionen des Werks Deuna um rund 620.000 Tonnen pro Jahr zu mindern. Das bedeutet eine Senkung der CO2-Emissionen des Landes Thüringen aus Industrie, Gewerbe und Energieumwandlung um mehr als 20 %.

Die Dekarbonisierung der Zementindustrie ist eine besonders komplexe Aufgabe auf dem Weg zur Klimaneutralität, da die durch das Brennen des Kalksteins anfallenden Prozessemissionen unvermeidbar sind. Ziel des Investitionsprojekts in Deuna ist die Abscheidung dieser CO2-Emissionen, um „Net-Zero-Zement“ für den Bau der Zukunft herzustellen.

Auch Heidelberg Materials und Holcim kündigten CO2-freie Zementproduktion an

Neben Dyckerhoff haben Heidelberg Materials und Holcim ähnliche Projekte angekündigt. Erst Ende April startete der Holcim-Konzern den Bau für die Umstellung auf eine CO2-freie Zementherstellung in seinem Werk im schleswig-holsteinischen Lägerdorf. Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck sowie der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther haben am 02.05.2024 mit Holcim-Deutschlandchef Thorsten Hahn den Spatenstich für das Innovationsprojekt „Carbon2Business“ in Lägerdorf gesetzt. Bis 2028 wird dort mit neuer Technologie zur Abscheidung von CO2 im großindustriellen Maßstab ein Zementwerk entstehen, in dem das Klimagas nahezu vollständig aus der Abluft entfernt werden kann. Anschließend wird das CO2 für die Nutzung als Rohstoff in der Industrie aufbereitet.

Dazu baut Holcim Deutschland im Werk Lägerdorf unter anderem eine neue, mit reinem Sauerstoff betriebene Ofenlinie für das Brennen des Zementklinkers sowie eine Aufbereitungsanlage für CO2. Mit dieser Technologie bringen Holcim sowie die Projektpartner thyssenkrupp Polysius und Linde Engineering die CO2-Abscheidung im Industriemaßstab voran und leisten einen Beitrag zum Aufbau einer CO2-Ökonomie in Deutschland.

Heidelberg Materials will in seinem Werk im nordrhein-westfälischen Geseke ab 2029 ebenfalls CO2-freien Zement herstellen. Im norwegischen Brevik ist Heidelberg Materials schon einen Schritt weiter: Dort errichtete das Unternehmen die weltweit erste Anlage zur CO2-Abscheidung und -Speicherung im industriellen Maßstab in einem Zementwerk. Die Anlage soll noch 2024 in Betrieb gehen. Norwegen ist einer der Vorreiter beim CCS-Verfahren, der Aufbau einer kompletten Infrastruktur geht dort in hohem Tempo voran. Heidelberg Materials, der Vorreiter auf dem Weg zur CO2-Neutralität in seiner Branche, hat die CO2-Abscheidung auf Basis der sogenannten Aminwäsche-Technologie bereits zwischen 2012 und 2016 im erweiterten Labormaßstab in Brevik erfolgreich getestet. Linde bringt in das Joint Venture seine Expertise in zukunftsweisenden, gasebasierten Umwelttechnologien ein, die es Kunden in aller Welt erlauben, ihre Produktivität zu steigern und gleichzeitig ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern.

Deswegen stehen die Zementhersteller vor großen Umwälzungen. Bei der Herstellung des Baustoffs lassen sich CO2-Emmissionen nicht komplett vermeiden, da sie beim Brennen von Kalkstein entstehen. Darum bleibt nur die Möglichkeit der Wiederverwendung von CO2 nach erfolgter Abscheidung und Speicherung. Ähnlich verhält es sich bei der Kalkindustrie und bei der Abfallverbrennung. Das unterscheidet die drei Branchen von anderen Industriebranchen, die auf komplett CO2-freie Verfahren umstellen können, indem sie Strom aus erneuerbaren Quellen oder klimaneutralen Wasserstoff einsetzen.

Bundesregierung sieht Handlungsbedarf, arbeitet aber noch an einer Lösung

Die Bundesregierung hat erkannt, dass sie für die Branchen mit unvermeidbaren CO2-Emissionen einen Rechtsrahmen schaffen muss, der die Anwendung des CCS-Verfahrens ermöglicht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte Ende Februar die Eckpunkte für eine Carbon-Management-Strategie (CMS) sowie einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) vorgelegt. Doch die Umsetzung lässt auf sich warten. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es, aktuell befänden sich die CMS-Eckpunkte sowie der Gesetzentwurf zur Änderung des KSpG in der Ressortabstimmung. In Regierungskreisen heißt es, das Kabinett wolle sich noch im Mai damit befassen.

Bei den Grünen ist das Thema CCS nicht sonderlich beliebt

Danach entscheiden die Bundestagsfraktionen. Hier könnte Widerstand aus den eigenen Reihen Habecks kommen. Bei den Grünen ist das Thema CCS nicht sonderlich beliebt. Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, hält den „Einsatz an fossilen Gaskraftwerken, aber auch in der Stahlproduktion, nicht für zielführend. Über einen Ausschluss solcher Prozesse werden wir sprechen müssen.“

CO2 aus Deuna soll zunächst per Zug abtransportiert werden

Dyckerhoff will bei seinem Projekt in Deuna das CO2 außerhalb Deutschlands speichern. Geplant ist, das verflüssigte CO2 mit Güterzügen abzutransportieren. „Wir können das CO2 per Kesselwagen abtransportieren und müssen nicht warten, bis das Werk an ein CO2-Pipelinenetz angebunden ist“, erklärte Dyckerhoff-Geschäftsführer Klein. Die deutsche Zementbranche hat kürzlich Vorschläge für ein CO2-Pipelinenetz vorgestellt und drängt darauf, möglichst schnell mit der Umsetzung zu beginnen. Doch es dürften noch Jahre vergehen, ehe das Netz fertiggestellt ist. „Perspektivisch ist die Anbindung an ein CO2-Pipelinenetz sinnvoll. Bis dahin können wir auf die Bahnlogistik zurückgreifen“, sagte Klein.

Über Dyckerhoff: Dyckerhoff ist ein internationaler Hersteller von Zement und Transportbeton, gehört zu Buzzi, einer italienischen Gesellschaft mit Unternehmungen in 14 Ländern und weltweit rund 9.500 Mitarbeitern. In Deutschland betreibt Dyckrhoff sieben Zementwerke und ca. 110 Transportbetonwerke. Weitere Produktionsstandorte befinden sich in Luxemburg, den Niederlanden sowie in verschiedenen Osteuropäischen Ländern. Die Hauptverwaltung von Dyckerhoff befindet sich seit der Unternehmensgründung vor 160 Jahren in Wiesbaden.

Der CO2-Einspareffekt durch die neue Anlage ist beträchtlich: Nach Angaben des Unternehmens werden die CO2-Emissionen des Zementwerks Deuna jährlich um rund 620.000 Tonnen reduziert. Damit verringern sich die CO2-Emissionen des Landes Thüringen in den Sektoren Industrie, Gewerbe und Energie um mehr als 20 Prozent.

>Quellen und weitere Informationen: