Atom-Kompromiss begrüßt und verdammt

Unabsehbare Risiken für Staat und Steuerzahler – Verstoß gegen Rechtsstaatsprinzip

Thorben Becker vom Bund für Umwelt und Naturschutz begrüßte die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds. Allerdings habe seine Organisation den Fonds immer als Ergänzung zu einer fortgeltenden Haftung der Atomkraftwerksbetreiber gesehen. Obwohl bislang gesetzlich klar geregelt gewesen sei, dass die Betreiber die Folgekosten der Atomkraftnutzung zu tragen hätten, sollten sie jetzt gegen Zahlung eines Risikoaufschlags entlassen werden. „Damit kommen unabsehbare Risiken auf den Staat und damit die Steuerzahler zu“, warnte Becker.

Technische Fehler bei der Umsetzung sah Gert Brandner (Haver & Mailänder): Die Nachhaftungsregelung lasse jedes herrschende Unternehmen neben dem Kernkraftbetreiber für dessen Verbindlichkeiten haften. Damit würden nicht nur die Energiekonzerne neben dem Betreiber für die Kosten für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung aufzukommen haben, sondern auch deren beherrschende Gesellschafter, „obwohl diese als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nach bisheriger Gesetzeslage für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haften“. Dies sei ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass Anteilsinhaber nicht für Schulden der Gesellschaft in Haftung genommen werden könnten. Die Neuregelung könne zum Beispiel dazu führen, dass das Land Baden-Württemberg für den Energiekonzern EnBW haften müsse. „Die rückwirkende Aufhebung dieses Trennungsprinzips verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und sei verfassungswidrig, warnte Brandner.

„Festpreis hundertprozentiges Politikversagen“

Auch Marc Rutloff (Gleiss Lutz) formulierte verfassungsrechtliche Zweifel und „Bedenken im Lichte des Gleichheitsgebots, da faktisch ein singuläres und punktuelles gesellschaftsrechtliches Sonderregime geschaffen wird, hingegen vergleichbare Risiko- und Gefahrenpotenziale anderer Wirtschaftsbranchen nicht in annähernd vergleichbarer Weise einem Haftungsverbund unterworfen werden, das ein herrschendes Unternehmen einschließt“.

Die Kommission habe nicht verstanden, was der Unterschied zwischen Rücklagen und Rückstellungen sei und wie Rückstellungen in der Bilanz funktionieren würden, kritisierte Professor Heinz Bontrup (Westfälische Hochschule) den Entwurf. Seiner Überzeugung folgend haben die Kraftwerksbetreiber ein Geschäft gemacht: Die Politik habe ihnen einen Festpreis gemacht, „und da hätte ich als Kraftwerksbetreiber auch sofort zugeschlagen“. Dabei sei niemand in der Lage, die Kostenentwicklung abzuschätzen. Es fehle ihm „jedes Verständnis“, wie man da einen Festpreis machen könne. Bontrup bezeichnete den Entwurf als „hundertprozentiges Politikversagen“. (hib/HLE)

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