Gericht: Klimaschutz vor Wirtschaftsinteressen

„Schwerwiegende Konsequenzen“ bis hin zur EU

Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbände bejubelten den Spruch: Erstmals habe ein Gericht Umweltschutzanliegen den Vorrang vor noch so gewichtigen wirtschaftlichen Argumenten eingeräumt. Man sieht darin sogar eine Signalwirkung nicht nur für andere zur Entscheidung anstehende umstrittene österreichische Projekte sondern darüber hinaus auch für die EU. Dem pflichtet Universitätsprofessor Bernhard Raschauer bei, der von durchaus „schwerwiegenden Konsequenzen“ spricht, der allerdings auch einräumt, dass noch reale Einspruchsmöglichkeiten bestünden.

Sorge um den Wirtschaftsstandort

Genau diese wollen die Befürworter – eine breite Front macht gegen die richterliche Entscheidung mobil – nun prüfen. Die Stadt Wien, das Bundesland Niederösterreich, die Wirtschaft- und Arbeiterkammer, die Industriellenvereinigung und der Betriebsrat des Flughafens stellen sich  hinter die Aussage von Vorstandsdirektor Günter Ofner: „Wir werden jedes mögliche Rechtsmittel ergreifen. Nicht wegen uns, es geht nicht um den Flughafen. Wir können auch mit geringeren Kapazitäten leben. Aber es geht um Österreich. Es geht um den Standort in der Mitte Europas, um tausende Arbeitsplätze, die jetzt unter Umständen nicht geschaffen werden können. Es geht um die Zukunft und wirtschaftlichen Chancen künftiger Generationen. Diese dürfen nicht durch unserer Meinung nach falsche Entscheidungen heute torpediert werden.“

Neuauflage von Wien-Bratislava

Herbert Vytiska weist abschließend auf einen Ausweg hin: „Trotzdem wird man wohl auch an Alternativen denken. Und eine solche war schon vor 12 Jahren recht weit gediehen, wollte man doch im Zuge eines Privatisierungsverfahrens den Flughafen in Bratislava, der keine 50 Kilometer von Wien entfernt ist, aber ein Schattendasein führt, erwerben und ausbauen. Damit hätte sich der Bau einer dritten Piste in Schwechat erübrigt. Die Anbindung der beiden Flughäfen wäre durch eine Bahnschnellverbindung hergestellt worden, deren Trasse weitgehend bereits besteht. Abgebrochen wurden die Verhandlungen allerdings aufgrund von Unstimmigkeiten innerhalb der slowakischen Regierung. Ein neuer Anlauf könnte durchaus möglich werden, zumal der Flughafen in der slowakischen Hauptstadt vor allem durch die Nahe Konkurrenz mit einem übergroßen Angebot derzeit nicht wirtschaftlich geführt werden kann. Hinzu kommt aus raumplanerischer Sicht, dass der Großraum Wien und Bratislava immer mehr zusammen wachsen. Daher hätte nach Ansicht von Experten sehr wohl auch ein gemeinsamer Flughafen Sinn.“

Solarify meint: Österreich vorn! Der mutige Richterspruch erinnert an des Ergebnis der Volksabstimmung am 5. November 1978 über das geplante und bereits im Bau befindliche Atomkraftwerk Zwentendorf. Damals war in einer umstrittenen Volksabstimmung mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50,47% (trotz der Rücktrittsdrohung des damaligen Bundeskanzlers Kreisky) das Ende der größten Investitionsruine Österreichs besiegelt worden, die aber danach zum innenpolitischen Symbol und Markstein der Wirtschaftsgeschichte wurde. Bis die sogenannte stille Liquidierung beschlossen wurde (März 1985), kostete das AKW noch insgesamt eine Milliarde Euro, allein 43,6 Mio. Euro für die Instandhaltung. Der Volksentscheid führte bereits einen Monat später zum österreichischen Atomsperrgesetz, nach dem in Österreich keine Kernkraftwerke ohne Volksabstimmung gebaut werden dürfen. Dieses Gesetz wurde 1999 durch das Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich verschärft – spätestens seit  Tschernobyl (1986) war die Anti-Atom-Politik gesellschaftlicher und parteipolitischer Konsens geworden. Seit 2009, 31 Jahre nach der Volksabstimmung, erzeugt die Elektrizitäts-Versorgung Niederösterreich (EVN) auf dem AKW-Gelände nun doch Strom – Solarstrom.
Vielleicht – hoffentlich – finden die Wiener Richter Nachahmer!

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