Divestment wird Bewegung

Kapital-Rückzug aus den Fossilen nimmt Fahrt auf

Immer mehr Fonds und Institutionen ziehen ihr Geld aus klimaschädlichen, fossilen Energieträgern ab. Aber noch immer wird etwa doppelt so viel in Erdöl und Gas investiert, wie in die Erneuerbaren Energien. Die Initiatoren einer weltweiten Divestment-Kampagne wollen das jetzt ändern – schreibt Joschua Katz auf energiezukunft.eu.

Vom 05. bis 13.05.2017 fanden im Rahmen der Divestment-Kampagne „Fossil Free Europe“ der Klimaschutz-Organisation 350.org täglich auf der ganzen Welt verschiedene Aktionen rund um das Thema Divestment statt. Seit Jahrzehnten behindern Kohle-, Öl- und Gaskonzerne Klimaschutzbemühungen und werden dabei durch staatliche Investitionen unterstützt. Ähnlich wie viele andere Umweltorganisationen fordert 350.org daher zum Divestment in entsprechende Unternehmen auf.

Der Begriff Divestment bedeutet das Gegenteil von Investment, Geld soll abgezogen statt investiert werden. Der politische Einfluss und die wirtschaftliche Relevanz der Kohle-, Öl- und Gasindustrie soll geschwächt werden. Wenn immer mehr Investoren und Industrielenker einsehen, dass die im Boden ruhenden fossilen Ressourcen rapide an Wert verlieren, dass eine Investitionsblase droht, wird die fossile Energiebranche Einfluss und Rückhalt in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik verlieren.

Dampf, Rauch und CO2 im Berliner Norden – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

5,45 Billionen US-Dollar abgezogen

Im Rahmen der voranschreitenden Divestment-Bewegung haben inzwischen über 700 Institutionen etwa 5,45 (4,68 Billionen Euro) Billionen US-Dollar sowie mehr als 58.000 Privatpersonen rund 5,2 Milliarden US-Dollar aus Kohle-, Öl- und Gaswerten abgezogen. Neben Regierungen, Versicherungsfonds und Bildungseinrichtungen sind vor allem kirchliche und wohltätige Organisationen die Spitzenreiter der Divestment-Bewegung.

Dabei führen die USA, Großbritannien und Australien das „Fossil Free“-Länderranking an. Mehr als ein Drittel aller gelisteten Organisationen sind in den Vereinigten Staaten ansässig. Auffällig wenig Bewegung ist dagegen in Deutschland zu erkennen. Von der langen Liste stammen gerade einmal elf Divestment-Verpflichtungen aus der Bundesrepublik. Trotzdem finden sich auch hierzulande vorbildliche Divestment-Pläne.

Versicherer orientieren sich neu

So kündigte im November 2015 der deutsche Allianz-Konzern (einer der größten Versicherer der Welt) an, er werde seine Kohle-Investitionen künftig deutlich einschränken (siehe: solarify.eu/divestment-allianz-dekarbonisiert). Bergbau- und Energieunternehmen sollten demnach leer ausgehen, wenn sie mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes oder ihrer Energieerzeugung aus Kohle genieren. Das dadurch frei werdende Investitionsvolumen von etwa vier Milliarden Euro sollte in die Windenergie-Branche gesteckt werden.

Vor kurzem gab nun auch der weltweit agierende Versicherungskonzern Axa bekannt, dass all jenen Unternehmen keine Versicherungen mehr angeboten werden, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit Kohle generieren. Da der Bau von Kohlekraftwerken jedoch nur mit umfangreichen Versicherungspolicen durchgeführt werden kann, ist auch dieser Schritt ein wichtiger Meilenstein für die Divestment-Bewegung.

Norwegens große Divestment-Pläne

Neben großen Versicherungen gibt es aber auch ganze Volkswirtschaften, die sich allmählich von dem Geschäft mit der Kohle lossagen wollen. Mit seinen Divestment-Plänen gilt Norwegen dabei als ein Vorbild für zahlreiche andere Länder. Bereits 2015 entschied das norwegische Parlament, dass der staatliche Pensionsfonds – immerhin der größte Staatsfonds der Welt – Anlagen im Wert von umgerechnet rund 7,7 Milliarden Euro aus insgesamt 122 Kohleunternehmen verkaufen sollte. Man wollte nicht mehr in Unternehmen investieren, die mehr als 30 Prozent ihrer Stromproduktion oder Einkünfte mit Kohle erzeugen.

Berlin schließt sich Divestment-Bewegung an

Weltweit haben sich aktuell bereits über 70 Städte dazu entschieden, ihre Investments in Unternehmen der fossilen Branchen zu beenden.  Neben Oslo, Kopenhagen, Paris, Melbourne oder Stockholm hatten sich auch zwei weitere deutsche Städte zum Divestment verpflichtet. Münster entschied schon im November 2015 seinen Ausstieg aus fossilen Investments, Stuttgart im Juli 2016. Beispiel Berlin: Ende Juni 2016 beschloss das Abgeordnetenhaus fast einstimmig, alle öffentlichen Gelder aus fossilen Unternehmen abzuziehen und damit Investitionen auszuschließen, die dem Ziel der Klimaneutralität widersprechen. Betroffen waren davon auch Anteile an RWE, E.ON und Total.

Investitionen in fossile Energien immer noch auf hohem Niveau

Weil Investitionen in die fossile Erdöl- und Gasförderung noch immer mehr als doppelt so hoch sind wie die Investitionen in Erneuerbare Energien – so ein Bericht der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) – fordert AEE-Geschäftsführer Philipp Vohrer: „Das Umlenken von Geldströmen von fossilen in die Erneuerbare Energien muss rasch an Fahrt gewinnen, wenn wir die globalen Klimaschutzziele erreichen wollen“. 2016 seien die Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen gar auf knapp 242 Milliarden US-Dollar gesunken. Bereits 2015 hatten dagegen die Investitionen in die Erschließung von Öl- und Gasvorkommen mehr als 500 Milliarden Euro erreicht.

Dennoch hat die Divestment-Bewegung bereits eine ausreichende Größe und Bekanntheit erreicht“, stellt Joshua Katz fest, „damit sie auf politischer Ebene nicht mehr übersehen werden kann“. Trotzdem investierten viele Konzerne, Versicherungen und Fonds ungeachtet von ethischen und ökologischen Aspekten weiter in fossile Energien.

->Quellen: energiezukunft.eu/divestment-bewegung-nimmt-weltweit-fahrt-auf