Plastik – nicht nur Müll

Abbaubare Joghurtbecher dürfen sich nicht schon im Kühlschrank auflösen

Eine Lösung des Problems wären Kunststoffe, die entweder biologisch oder durch Wasser, Luft und Licht in einer überschaubaren Zeit abgebaut werden. Genau an solchen Polymeren arbeiten der Mainzer Chemiker und seine Mitarbeiter. Sie erforschen Synthesewege für phosphathaltige Polymere. Diese Kunststoffe lösen sich im Wasser allmählich auf und bringen sich bereits für die eine oder andere Anwendung in Position. Etwa als abbaubare Flammschutzmittel oder als Beschichtung von Mikro- und Nanotransportern, die im menschlichen Körper einmal medizinische Wirkstoffe direkt zum Krankheitsherd bringen sollen. „Unsere Polyphosphorester eignen sich nur für solche relativ speziellen Anwendungen“, sagt Frederik Wurm. „Für kurzlebige Massenprodukte wie Verpackungen sind sie zu teuer.“

Auch wenn die phosphathaltigen Polymeren für die breite Anwendung nicht in Frage kommen, wollten die Mainzer Forscher mit ihrer Erfahrung aus der Forschung an diesen Materialien abbaubare Kunststoffe für Tüten und andere Verpackungen entwickeln. Das war zumindest der Plan, als das PlastX-Projekt startete. „Wir haben aber schnell gemerkt, dass das viel komplizierter ist, als wir dachten“, sagt Frederik Wurm. Das fängt dabei an, dass die Chemiker steuern müssen, wann ein Kunststoff abgebaut wird.

Schließlich soll sich der Joghurtbecher, der im Wasser abgebaut wird, ja nicht schon auflösen, wenn er mit seinem wasserhaltigen Inhalt noch im Kühlschrank steht. „Außerdem müssen wir steuern, an welchen Stellen ein Polymer gespalten wird, damit nicht Produkte entstehen, die für die Umwelt auch schädlich sind.“ So entstehen aus den abbaubaren Kunststoffen, die derzeit erforscht werden oder sogar schon zu Verpackungen verarbeitet werden, Tenside, sobald sie zerfallen. Und die sind in Gewässern genauso unwillkommen wie Kunststoffe, weil sie dort zur Überdüngung führen. Zudem erfüllen viele Kunststoffe, die als abbaubar beworben werden, dieses Versprechen nur in der Kompostieranlage.

Gegen Mikropartikel helfen Filter in Kläranlagen

Die Mainzer Chemiker gehen daher nun anders vor: „Wir analysieren jetzt erst einmal, was wir wollen, welche Alternativen zu gängigen Kunststoffen es bereits gibt und welche davon für die Umwelt unterm Strich am besten ist“, sagt Frederik Wurm. Um Mikropartikel aus den Gewässern fernzuhalten, bleibe wahrscheinlich ohnehin nur die Möglichkeit, Kläranlagen mit Filtern auszustatten, die diese Verunreinigungen aus dem Abwasser entfernen.

Aber auch unabhängig von dem Müll-Problem lässt sich die Ökobilanz von Kunststoffen vielleicht aufbessern. Kunststoffe aus regenerativen Rohstoffen oder gar aus Kohlendioxid, das bei der Verfeuerung von Kohle entsteht, könnten da helfen. Denn sie könnten das Plastik ersetzen, das heute noch fast ausschließlich aus Erdöl erzeugt wird. Solche Materialien könnten vor allem die Klimabilanz des Allzweckmaterials aufbessern und helfen fossile Ressourcen zu sparen. „Das Post-Erdölzeitalter ist leichter zu erreichen, als das Problem des Plastik-Mülls zu lösen“.

Um der Umweltverschmutzung durch Plastikmüll beizukommen, bleibt vielleicht das Recycling, wenn sich Kunststoffe beim Einkauf, aber auch in Telefonen, Computern oder Autos kaum ersetzen lassen und Polymere, die sich nicht von selbst auflösen, nicht in Sicht sind. Tatsächlich macht der grüne Punkt den Verbrauchern in Deutschland schon lange die Hoffnung auf eine Wiederverwertung von Plastik. Aber auch das funktioniert nicht so einfach wie etwa bei einer Glasflasche, aus der im Normalfall auch wieder eine Glasflasche wird.

Dank des Einwegpfands werden aus Plastikflaschen wieder Plastikflaschen

„Eine Verpackung kann man nur zu einer neuen Verpackung recyceln, wenn die Kunststoffe sortenrein getrennt werden“, sagt Frederik Wurm. Will heißen, Polyethylen, Polypropylen, Polyester und wie sie alle heißen dürfen sich nicht mischen. Genau das tun sie aber im Müll, und auch in der gelben Tonne oder im gelben Sack. Dazu kommen noch unterschiedliche Zusätze und Farbstoffe, die es zusätzlich erschweren, das Material wiederzuverwerten. „Es gibt zwar die Möglichkeit Kunststoffe durch Flotation im Luftstrom zu trennen, aber das ist zum einen sehr aufwendig und teuer und führt am Ende auch nicht zu Kunststoffen, die rein genug sind, um daraus wieder hochwertige Produkte herzustellen“, sagt der Chemiker. Einen Fortschritt hat in dieser Hinsicht immerhin das Einwegpfand gebracht. Es hat zwar die Mehrwegquote nicht erhöht, in den Auffangbehältern der Pfandautomaten sammeln sich aber nur Flaschen aus dem gleichen Kunststoff, sodass sie sich wieder zu Plastikflaschen oder aber zum Beispiel zu Fleece-Pullis verarbeiten lassen. Doch aus anderen Verpackungen wird gewöhnlich keine Verpackung mehr, sondern nur noch eine Parkbank.

Und wenn es auf manchen Verpackungen heißt, sie bestünden aus wiederverwertetem Kunststoff, bedeutet das nicht unbedingt, dass das Material aus dem Hausmüll stammt. „Bei diesen Materialien handelt es sich gewöhnlich um Abfälle aus der Industrieproduktion, die schon sortenrein vorliegen“, sagt Frederik Wurm. Auch wenn echtes Recycling bei Kunststoffen schwierig ist, bleibt die beste Option wohl, Kunststoffe zumindest in die Mülltonne zu werfen, in die sie gehören. „Wir entwickeln daher im PlastX-Projekt ein Konzept, um bei Verbrauchern nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt ein Bewusstsein zu fördern, dass Kunststoffe ein Rohstoff sind“, sagt Frederik Wurm. So wollen die Wissenschaftler die Menschen dazu bewegen, Verpackungen und andere Produkte aus Kunststoff nicht einfach wegzuschmeißen, sondern ordentlich zu entsorgen. Derzeit werden sie dann zum Teil verbrannt und erzeugen so in ihrem Nachleben wenigstens Strom. Und selbst wenn sie nur auf einer Müllkippe deponiert werden, landen sie zumindest nicht in den Ozeanen.

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