Viel zu viel schmutziger Strom

Kaum zu glauben: Exporte verzehnfacht

KKW Niederaußem (RWE) – Foto © Franziska Vogt, Agentur Zukunft

Deutschland produziert Strom im Überfluss: In den vergangenen fünf Jahren haben sich deshalb die deutschen Stromexportüberschüsse fast verzehnfacht und lagen 2016 bei rund 54 Milliarden Kilowattstunden – so viel wie die Stromerzeugung der fünf größten deutschen Atomkraftwerke 2016. Das geht aus einem Gutachten des Berliner Beratungsunternehmens ERA (Energy Research Architecture)  für die Grünen-Bundestagsfraktion hervor.

Die Kohlekraft läuft und läuft

Die ERA-Analyse zeigt anhand von acht Beispielphasen, dass die starre Fahrweise konventioneller Kraftwerke zu den Überschüssen führt. Vor allem Braunkohle- und Atomkraftwerke passen ihre Stromerzeugung viel zu wenig an die Erneuerbaren Energien und den tatsächlichen Verbrauch an. Steinkohlekraftwerke werden zwar variabler betrieben, ihre Leistungsreduzierung reicht aber nicht aus, um bei hoher Windenergie- und PV-Einspeisung eine ausgeglichene Angebot-Nachfrage-Situation im Strommarkt zu erreichen. Und so entstanden im letzten Jahr häufig Situationen, in denen Überschussstrom schnell ins Ausland exportiert wurde.

Sauberer Strom wird abgeschaltet – Erneuerbare denunziert

Von den Kraftwerksbetreibern würden die Stromüberschüsse häufig der schwankenden Wind- und Solarenergie angelastet, so die Studie. Doch die Realität sehe anders aus. „Die Braunkohlekraftwerke laufen auf Hochtouren, auch wenn ihr Strom gar nicht gebraucht wird. Sie schädigen das Klima, gefährden die Versorgungssicherheit und verursachen unnötige Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn, weil der Kohlestrom die Netze verstopft, werden Windräder abgeschaltet. Die fällige Entschädigung müssen die Stromkunden bezahlen.“

[note Leitungsausbau dient mehrheitlich der Vorbereitung von mehr Kohlestromeinspeisung – lautete schon 2013 die These des Wiesbadener Wirtschaftsprofessor Lorenz Jarass: Kohlekraftwerke sollen auch bei Starkwind weiter einspeisen können – und es solle mehr exportiert werden. Bundesnetzagentur und Netzbetreiber arbeiten nach dem Prinzip des „marktgetriebenen Kraftwerkseinsatzes“. Grundfrage sei dabei: Welche Kraftwerke haben die geringsten Grenzkosten (variable Kosten)? Wenn dafür neue Leitungen gebraucht würden, gingen die Kosten nicht in die Planung ein; diese zahlten die Verbraucher. Auf Betreiben der Netzbetreiber wurde festgeschrieben, dass der Ausbau wirtschaftlich zumutbar sein muss. Das stehe im Gegensatz zum gesetzlichen Gebot der Netz-Einspeisungsmöglichkeit jeder einzelnen Kilowattstunde Erneuerbarer Energie – und somit auch „zum gesunden Menschenverstand“. (Siehe: solarify.eu/netzausbauplan-ubertrieben-akzeptanz-der-energiewende-bedroht)]

Grüne: Kohleausstieg jetzt: Sofort!

ERA-Studie Stromexport – Titel

Daher erklären die Grünen: „Am Kohleausstieg führt kein Weg vorbei. Nicht nur aufgrund unserer klimapolitischen Verpflichtungen, sondern auch wegen des bevorstehenden Desasters am Strommarkt, wenn wir so weitermachen wie bisher. Es mangelt weder an Erneuerbaren Energien noch an der Entwicklung von Speichern und Netzen, sondern an der Bereitschaft, aus der Kohle auszusteigen. Das ist der Grund, warum wir bei der Energiewende nicht vorankommen.

Deutschland könnte auch jetzt schon deutlich mehr Klimaschutz machen, wenn die Bundesregierung handeln würde. Für die stabile Stromversorgung ist schon jetzt viel mehr Kohlestrom verzichtbar, als die Regierung zugeben möchte. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass in der neuen Legislaturperiode die 20 schmutzigsten Kohlemeiler als erstes abgeschaltet werden. Wenn wir unsere Klimaziele von Paris einhalten wollen, müssen wir bis 2030 komplett raus aus der Kohle. Strom haben wir trotzdem mehr als genug.“

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