„Hören wir auf, als Wissenschaftler einander zu bekriegen!“

Andreas Knie – Mobilität

Der Professor vom WZB begann plakativ: „Wir sind das Problem – das drückt sich besonders in der Mobilität aus“. Und: „Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Verkehr ist fallend und fällt weiter – die Energiewende im Verkehr hat noch nicht stattgefunden.“ Rhetorsich fragte Knie, wie wir die Reduktion schaffen könnten – in den letzten 10 Jahren habe sich aber nichts reduziert, trotz zahlreicher technisch-wissenschaftlicher Handreichungen.

In Deutschland seien 46 Millionen Pkw zugelassen, Tendenz steigend. Berlin habe allein 1,2 Millionen zugelassene Autos, 270 pro 1.000 Einwohner, Tendenz steigend. Auf dem Land – Deutschland hat 62% flaches Land – sei die Zahl viel heftiger: 780 Autos pro 1.000 Einwohner. Siegen hat 1.045 Autos auf 1.000 Einwohner (wenn man nur die objektiv Fahrfähigen rechne: 1 Mensch – 2 Autos). Aber: 94,8 Prozent der Zeit, die ein Auto fahren könnte, stehe es still.

Die Lösung: Carsharing – in großen Städten seien heute schon bis zu 20 Prozent Mitglieder, die legen 5 Prozent ihrer täglichen Wege per Carsharing zurück – aber bezogen auf die Verkehrsmenge mache Sharing nur 1% aus.

Derzeit gebe es in Deutschland 56.000 E-Autos – dafür sei sogar genug Grünstrom da. Aber: „Warum machen wir nicht mehr?“ Knie: „Weil es politisch nicht gewünscht wird.“ Knies sarkastische Umschreibung: „Jede Vision endet spätestens beim Tiefbauamt“; alles sei übertrieben „verregelt“: das private Auto sei das Maß der Dinge, schon in den 20er Jahren habe das begonnen (damals der Slogan: „die Straßenbahn hat das Bürgerrecht verloren, sie muss abgeschafft werden!“); 1968 sei sie in der Tat in Westberlin abgeschafft worden zugunsten von Straßen, deren übertriebener Ausbau schließlich durch sozialen Widerstand verhindert worden sei. Das Auto als Maß der Dinge habe früh begonnen: Die Autobahnen („die letzte große Rache der Reichsbahn, deshalb heißen sie auch Autobahnen„) seien in den 20er Jahren gebaut worden, als es noch kaum Autos gab. Das ging weiter mit der Aufhebung sämtlicher Geschwindigkeitsbeschränkungen am 01.01.1953. Das sei zwar später wieder eingeschränkt worden. Damals seien Autos von der Steuer absetzbar gewesen. Bereits 1936 habe die Reichsgaragenordnung Stellplätze für jede Wohnung vorgesehen. Bis heute gelte  „freie Fahrt für freie Bürger“.

Car-Sharing werde politisch bestraft, das Privatauto belohnt, auch wenn es „dumm rumsteht“. Der Gipfel sei die Erfindung des „ruhenden Verkehrs“ gewesen. Noch heute werde der öffentliche Verkehr rein danach bezahlt, wie viel Zugkilometer er auf die Strecke bringe – dass er inzwischen ein Drittel mehr Personen befördere, spiele keine Rolle.

Knie: „Wir könnten ein erhebliches Maß weiter sein, aber die eiserne Kralle der Strukturierung aus den 40er Jahren beherrscht uns. Dazu muss Wissenschaft eingreifen (Intervening), nicht im Elfenbeinturm bleiben. Ohne genau zu wissen, ob es denn klappt: wir brauchen regulative Funktionsräume, um zu experimentieren.“

Robert Schlögls Aufruf am Ende: „Hören wir endlich  auf, einander als Wissenschaftler zu bekriegen, wir brauchen nicht ebenso viele Meinungen wie es Wissenschaftler gibt!“

->Text und Bilder: Gerhard Hofmann