Sprit aus Stiel und Stängel

Maßgeschneiderte Bio-Kraftstoffe

Wenn für die Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation die Biopolymere aus der Biomasse erst einmal gespalten und dann quasi nach Belieben zu neuen Molekülen zusammengesetzt werden – dann lässt sich vielleicht auch ein anderes Problem angehen, für das der Verkehr neben seiner schlechten CO2-Bilanz immer wieder in die Kritik gerät: die Belastung vor allem der Innenstädte mit Schadstoffen, hauptsächlich mit Feinstaub und Stickoxiden. Denn das BtL-Verfahren lässt sich möglicherweise so gestalten, dass schadstoffärmerer Sprit entsteht.

Diesen Grundgedanken verfolgen Forschende an einem Exzellenzcluster der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) namens The Fuel Science Center, an dem die Max-Planck-Institute für Kohlenforschung und für Chemische Energiekonversion sowie das Forschungszentrum Jülich beteiligt sind. Dabei haben es die Wissenschaftler vor allem auf die Ruß-NOx-Schere abgesehen, die bei allen Kraftstoffen aus reinen Kohlenwasserstoffen, ob fossil oder erneuerbar, ein Problem darstellt. Sie bezeichnet einen Zielkonflikt bei der Verbrennung: Je weniger Sauerstoff dabei vorhanden ist, desto mehr Ruß in Form von gesundheitsschädlichem Feinstaub entsteht. Je mehr Sauerstoff jedoch im Spiel ist, desto mehr Stickoxide, kurz NOx, stößt der Motor aus. „Man hat also vermehrt entweder den einen oder den anderen Schadstoff im Abgas“, erklärt Leitner.

Die Wissenschaftler des Fuel Science Center haben die molekulare Zusammensetzung der alternativen Kraftstoffe daher so verändert, dass sowohl der Ruß- als auch der NOx-Ausstoß niedrig gehalten werden. „Wir haben die Kraftstoffe quasi auf die Emissionsminderung hin maßgeschneidert“, sagt Leitner. Dabei arbeiten die Forscher nicht nur mit biobasierten, sondern auch mit synthetischen strombasierten Kraftstoffen. Dieser Treibstoff, auch E-Fuel genannt, wird aus Kohlendioxid und Wasserstoff hergestellt, der per Elektrolyse mit Strom aus Windrädern, Fotovoltaik-Anlagen oder Wasserkraftwerken produziert wurde. Abstriche beim Wirkungsgrad des Motors müssen Autofahrer bei solchen Kraftstoffen nicht machen. „Hier kann man über die molekulare Zusammensetzung sogar Vorteile zum Beispiel bei der Klopffestigkeit und damit der Motorleistung erreichen“, so Leitner.

Das Exzellenzcluster setzt laut Leitner jedoch nicht nur bei den Kraftstoffen, sondern auch bei den Motoren an. „Die Kollegen aus den Ingenieurwissenschaften entwickeln die klassischen Otto- und Diesel-Motoren so weiter, dass sie die Vorteile der optimierten Kraftstoffe bestmöglich nutzen können, mit Blick auf die Emissionen wie auf ihre Performance“. So arbeiten die Forscher unter anderem an Motoren, die mit unterschiedlichen Kraftstoffen aus zwei Tanks gespeist werden – einer enthält einen Kraftstoff, der besonders schnell zündet und damit die Verbrennung optimal in Gang setzt; der andere liefert den Sprit für den eigentlichen Betrieb. Von der Serienreife sind solche Motorenkonzepte allerdings noch weit entfernt. „Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Automobilindustrie derzeit sehr stark auf andere Pferde setzt“, so Leitner.

„Der Markt muss den Einsatz von Kraftstoffen aus regenerativen Quellen belohnen“

Gut möglich, dass sich dies ändert, wenn die Politik Rahmenbedingungen schafft, die innovative Motorenkonzepte dieser Art für die Autobranche attraktiver machen. Das gilt genauso für den Einsatz von Kraftstoffen regenerativen Ursprungs. „Sie werden sich nur dann durchsetzen, wenn der Markt ihren Einsatz belohnt. Und das verlangt, dass die Politik die Weichen neu stellt“, erklärt Schüth .

Zwar gibt es mit dem Bundesimmissionsschutzgesetz bereits heute einen Hebel, Ökosprit an die Zapfsäulen zu bringen. Es zwingt die Kraftstoffindustrie, die CO2-Emissionen ihrer Produkte kontinuierlich zu reduzieren. Um dem gerecht zu werden, mischen die Unternehmen dem Benzin und Diesel jedoch vor allem Biokraftstoffe der ersten Generation bei. Die sind deutlich billiger als solche aus Cellulose. Das liegt vor allem daran, dass die Branche Kraftstoffe aus Früchten, Samen wie Raps oder Zuckerrohr längst in industriellem Maßstab herstellt, was die Kosten trotz der teuren Ausgangsstoffe niedrig hält.

Um Biotreibstoffe der zweiten Generation in den Markt zu bringen, muss die Nachfrage stimuliert werden, so dass es sich für die Industrie lohnt, entsprechende Produktionskapazitäten aufzubauen. Denn desto mehr hergestellt wird, desto stärker sinken die Kosten. Immerhin hat die EU mit der Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) festgelegt, dass der Anteil „fortschrittlicher Biokraftstoffe im Verkehrssektor“ – gemeint sind alle Kraftstoffe aus biologischen Abfall- und Reststoffen – bis 2025 mindestens ein Prozent und bis 2030 mindestens 3,5 Prozent betragen soll. Den Anteil von Biokraftstoffen der ersten Generation hat die EU wegen möglicher Landnutzungskonflikte auf sieben Prozent begrenzt. Da Biokraftstoffe der zweiten Generation doppelt angerechnet werden dürfen, liegt das Ziel für diese real allerdings nur maximal halb so hoch.

Schüth und auch Forscherkollege Leitner bevorzugen allerdings statt einer Quote ein anderes Instrument: die CO2-Bepreisung. „Eine CO2-Abgabe auf fossile Kraftstoffe in angemessener Höhe kann dazu beitragen, dass diese ihren Kostenvorteil gegenüber klimafreundlicheren Alternativen verlieren“, sagt Schüth. Leitner weist darauf hin, dass dies aber nur dann gilt, wenn die Beimischung von biobasierten oder auch synthetischen strombasierten Kraftstoffen als emissionsmindernd anerkannt wird: „Nach den aktuellen EU-Regularien ist das derzeit noch nicht der Fall. Hier besteht bei der bevorstehenden Novellierung dringender Handlungsbedarf, damit in der Bilanz nicht allein der CO2-Ausstoß am Motor betrachtet wird, sondern auch die Bindung des CO2 bei der Produktion. Biokraftstoffe und E-Fuels verwerten ja zunächst CO2, um damit erneuerbare Energie nutzbar zu machen. Sie packen sozusagen Sonne in den Tank.“

Auf den Punkt gebracht:

  • Biokraftstoffe aus Pflanzenabfällen wie etwa Stroh stehen nicht in Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln, sind aber noch zu teuer.
  • Biotreibstoffe werden in Pilotanlagen bereits im Biomass-to-Liquids-Verfahren oder enzymatisch erzeugt und könnten etwa ein Zehntel des weltweiten Energiebedarfs für die Mobilität decken.
  • Max-Planck-Forscher versuchen, die Nutzung von Lignocellulose rentabler zu machen, unter anderem indem sie daraus neben Treibstoffen auch eher hochpreisige Grundstoffen für die chemische Industrie gewinnen.
  • Über die molekulare Zusammensetzung lassen sich sowohl die Ruß- als auch die Stickoxidemissionen von Biotreibstoffen reduzieren. Bei fossilen Treibstoffen lässt sich der Ausstoß des einen Schadstoffs nur auf Kosten erhöhter Emissionen des jeweils anderen senken.

->Quelle: mpg.de/14588809/biokraftstoffe