Ausbaubedarf in Stromverteilernetzen steigt

Bericht über Zustand und Ausbau 2020

Neue geplante Leitungen für insgesamt gut 16 Milliarden Euro haben die 60 befragten Verteilnetzbetreiber der Bundesnetzagentur für die nächsten 10 Jahre bereits gemeldet. Die Behörde hat am 05.03.2021 den Bericht über Zustand und Ausbau der Stromverteilernetze 2020 veröffentlicht. „Der Abtransport der dezentralen Windenergie bleibt die zentrale Herausforderung der Hochspannungsnetze“, sagte Peter Franke, Vizepräsident der Bundesnetzagentur. „Auf den unteren Spannungsebenen geht es insbesondere darum, Wärmepumpen und Ladepunkte für E-Fahrzeuge zu integrieren.“

10-Jahres-Netzausbau

Bericht der BNetzA über Zustand und Ausbau der Verteilnetze 2020 – Titel © BNetzA

Die Bundesnetzagentur führt jährlich eine Abfrage über den Netzzustand und den geplanten Netzausbau der Stromverteilernetzbetreiber für die nächsten zehn Jahre durch. Für diesen Zeitraum haben die 60 befragten Netzbetreiber einen Ausbaubedarf in Höhe von 16,05 Mrd. Euro an die Bundesnetzagentur gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Ausbaubedarf um 17 Prozent gestiegen.

Digitalisierung

Die Verteilernetzbetreiber stehen zukünftig vor Investitionen in digitale Lösungen. Damit würden die Betreiber mehr über die Netzauslastung erfahren. Zudem können digitale Lösungen die Steuerbarkeit der Netze verbessern. Auch darüber hinaus ist die Digitalisierung von zunehmender Bedeutung für die Verteilernetze. Die Bundesnetzagentur hat daher einen neuen Schwerpunkt zum Stand der Digitalisierung bei den Verteilernetzbetreibern in den Bericht aufgenommen.

Im Wortlaut: Zusammenfassung des 44seitigen Berichts

Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende ist auch der Ausbau und Zustand der Stromverteilernetze von hoher Bedeutung. Die Bundesnetzagentur beobachtet die Entwicklungen in diesem Bereich insbesondere auf Grundlage von § 14 Abs. 1a und 1b EnWG und stellt der Öffentlichkeit eine Zusammenfassung der Ergebnisse mit vorliegendem Bericht zur Verfügung. Konkret sind die Betreiber eines Hochspannungsnetzes mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt nach § 14 Abs. 1b EnWG zu Angaben hinsichtlich aller in den nächsten fünf Jahren konkret geplanten sowie der für weitere fünf Jahre vorgesehenen Maßnahmen in der 110-Kilovolt-Ebene zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau ihres Netzes verpflichtet. Daneben haben Betreiber von Energieversorgungsnetzen der Bundesnetzagentur gemäß § 14 Abs. 1a EnWG auf Verlangen innerhalb von zwei Monaten einen Netzzustands- und Netzausbauplanungsbericht zu erstellen und ihr diesen vorzulegen. Die Abfrage 2020 nach § 14 Abs. 1a und Abs. 1b EnWG wurde dabei an 59 Hochspannungsnetzbetreiber (110-kV) gerichtet. Zudem wurde die Abfrage nach § 14 Abs. 1a EnWG um einen Verteilernetzbetreiber erweitert, der besonders von Einspeisemanagementmaßnahmen betroffen ist.

Die vorgelegten Zahlen zeigen, dass der geplante 10-Jahres-Netzausbau im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent gestiegen ist. Damit steigt der Netzausbaubedarf der Verteilernetze weiter an, jedoch weniger stark als der Anstieg zwischen den Berichten 2018 und 2019 (+23 Prozent). Insgesamt haben die befragten Verteilernetzbetreiber für den Zeitraum 2020 bis 2030 3.252 Maßnahmen mit einem Ausbaubedarf in Höhe von 16,05 Mrd. Euro gemeldet. Ein Drittel der Anzahl der Ausbaumaßnahmen betreffen die Hochspannungsebene und entsprechen einem gemeldeten 10-Jahres-Ausbaubedarf in Höhe von 7,81 Mrd. Euro, dies entspricht somit fast der Hälfte der 10-Jahres-Netzausbaukosten. Da der Planungszeithorizont von der Hochspannung bis hin zur Niederspannung abnimmt, wird für die unteren Netzebenen allerdings in der Regel kein derart langfristiger Netzausbauplan erstellt. Netzausbaumaßnahmen werden auf diesen Netzebenen kurzfristig umgesetzt.

Die hier genannten Zahlen sind Prognosen der Netzbetreiber und daher nicht mit der tatsächlichen, aktuellen Investitionstätigkeit zu verwechseln. Insbesondere die unteren Spannungsebenen unterliegen wie beschrieben einem kürzeren Planungshorizont, so dass eine Vielzahl von kurzfristigen Netzausbaumaßnahmen nicht durch die Abfrage langfristiger Netzausbauprojekte erfasst werden kann.

Die tatsächliche Investitionstätigkeit wird durch die Anträge zum Kapitalkostenaufschlag deutlich, in denen Verteilernetzbetreiber die getätigten Investitionen seit dem Basisjahr und die in den nächsten zwei Jahre geplanten Investitionen unmittelbar in die Erlösobergrenze einstellen und refinanzieren können. Zum Stichtag 30. Juni 2020 haben 169 Unternehmen einen Antrag auf Genehmigung eines Kapitalkostenaufschlags für das Jahr 2020 eingereicht. Die Zahlen zum Kapitalkostenaufschlag gehen somit über die für diesen Bericht nach §14 Abs. 1a und 1b EnWG abgefragten Verteilernetzbetreiber hinaus.

Die Anschaffungs- und Herstellungskosten, die über den Kapitalkostenaufschlag genehmigt wurden, machen gleichwohl deutlich, dass die Netzbetreiber bereit sind zu investieren. Die Entwicklung der IST-Kosten in den Jahren 2017 bis 2019 ist gestiegen. Im Jahr 2017 betrugen die tatsächlich getätigten Investitionen rund 2,6 Mrd. Euro. Im Jahr 2019 waren es 3,6 Mrd. Euro. Auch ein Ausblick auf die geltend gemachten Kosten für die Jahre 2020 (4,1 Mrd. Euro Plan-Kosten) sowie 2021 (4,1 Mrd. Euro Plan-Kosten) lässt erwarten, dass die Netzbetreiber weiterhin investieren werden.

Von den nach § 14 Abs. 1a und 1b EnWG gemeldeten 16,05 Mrd. Euro entfallen lediglich 8,8 Prozent auf bereits bestehende einspeise- und/oder verbrauchsbedingte Netzengpässe. Der gemeldete Netzausbau ist folglich im Wesentlichen nicht durch bereits bestehende Netzengpässe getrieben, sondern basiert auf vorausschauenden Planungen der Netzbetreiber, die potentielle zukünftige Netzengpässe berücksichtigen. Bei den bestehenden Engpässen handelt es sich zum größten Teil um erzeugungsbedingte Engpässe. Auch die von den Netzbetreibern erwarteten Änderungen der Leistungen sind stärker erzeugungsseitig als lastseitig getrieben. Mit der Möglichkeit der Spitzenkappung, die derzeit nur in geringem Maße genutzt wird, und dem Einspeisemanagement bzw. zukünftig dem Redispatch 2.0, stehen zum Umgang mit erzeugungsbedingten Engpässen wirksame Instrumente zur Verfügung. Besonderes Augenmerk liegt daher derzeit auf der Frage, wie sich mögliche Lastanstiege insbesondere durch eine fortschreitende E-Mobilitätsdurchdringung auf die Verteilernetze auswirken. Die befragten Verteilernetzbetreiber erwarten in diesem Zusammenhang, dass sich der Anstieg von Elektromobilität, Wärmepumpen und anderen steuerbaren Verbrauchseinrichtungen größtenteils durch eine Lastzunahme in der Mittel- und Niederspannung widerspiegeln wird. In diesem Jahr geben 29 der befragten Netzbetreiber an, ihre Netzkapazität aufgrund von Zubau von Ladeinfrastruktur erhöhen zu müssen. Im Vorjahr waren es noch 23 Netzbetreiber, die einen Ausbaubedarf aufgrund wachsender Ladeinfrastruktur angaben. Ein Blick auf die planerisch angenommen Gleichzeitigkeiten zeigt, dass sich die durchschnittliche, angenommene Anschlussleistung für Wohneinheiten mit einer steuerbaren Verbrauchseinrichtung mit 6,97 kW sehr deutlich von den Annahmen bei einem Einfamilienhaus (4,36 kW) oder einer Wohneinheit in einem Mehrfamilienhaus (2,32 kW) unterscheidet. Dies unterstreicht angesichts des erwarteten starken Zuwachses die Notwendigkeit, hier für das Netz effiziente Steuerungsmechanismen zu etablieren, die zuverlässig eine andere Planungsgrundlage zulassen. Nur so kann der notwendige Netzausbau auf ein effizientes Maß begrenzt und der zeitnahe Anschluss von Ladeeinrichtungen gewährleistet werden.

Eine Voraussetzung für einen effizienten Steuerungsmechanismus ist offenkundig, die Auslastungen im eigenen Netz möglichst genau zu kennen und zu prognostizieren. Die Antworten zeigen, dass heute bereits 90 Prozent der befragten Verteilernetzbetreiber Daten (überwiegend Schaltzustände) von der Hochspannungsnetzebene bis mindestens zu Mittelspannungsnetzebene zentral erfassen. Die Fähigkeit der Verteilernetzbetreiber, Betriebsmittel aus der Ferne zu steuern, hat sich im Zeitverlauf erhöht. Gaben im Jahr 2017 86 Prozent der befragten Netzbetreiber an, Betriebsmittel bis zur Mittelspannungsebene zentral steuern zu können, so sind es in der aktuellen Befragung bereits 90 Prozent der Netzbetreiber. Die Anzahl der Netzbetreiber, die Daten aus der Niederspannung erfassen ist dagegen gleichbleibend gering.

Die Digitalisierung ist aber auch in anderen, die Verteilernetze betreffenden Themen, von hoher Bedeutung. Für den vorliegenden Berichtszeitraum wurde daher ein neuer Bereich mit Fragen über die digitale Netzplanung, Predictive Maintenance sowie das Vorhandensein digitaler Schnittstellen aufgenommen, um hier eine erste Bestandsaufnahme machen zu können. Es zeigt sich, dass sowohl für die Hochspannung, als auch für die Mittel- und Niederspannung, jeweils ca. 90 Prozent der befragten Verteilernetzbetreiber angaben, dass ihnen ihre Netze vollständig in digitaler Form vorliegen. Für die Netzplanung verwenden die Netzbetreiber unterschiedliche Datenquellen, in der Regel werden die Daten nicht nur aus einer, sondern aus mehreren Quellen bezogen. Die meisten der befragten Netzbetreiber beziehen Daten aus Zeitreihen von Messpunkten und/oder Schleppzeigern in Netzbetriebsmitteln. Zeitreihen konkret aus intelligenten Messsystemen spielen in der Netzausbauplanung derzeit noch keine große Rolle.

Im Rahmen der Abfrage wurden die Verteilernetzbetreiber danach gefragt, ob sie ergänzend zu der routinemäßigen oder zeitbasierten vorbeugenden Instandhaltung eine vorausschauende Instandhaltung mittels Predictive Maintenance durchführen. Predictive Maintenance ist eine Instandhaltungsstrategie, die auf der Auswertung und Nutzung digital erfasster, historischer Betriebsmitteldaten basiert. Hierdurch soll eine bedarfsgerechte Wartung der erfassten Betriebsmittel mit dem Ziel der Reduktion von Instandhaltungskosten sowie von Ausfallzeiten erfolgen. Die Mehrheit der Netzbetreiber nutzt das Konzept noch nicht, es hat sich aber z.B. in der Mittelspannung schon bei mehr als 40% der Netzbetreiber etabliert.

Viele der befragten Netzbetreiber bieten ihren Netzkunden bereits digitale Schnittstellen in Form von Onlineportalen oder Apps an. Die digitale Schnittstelle kann z.B. von den Netzkunden für Netzanschlussfragen oder Leitungsauskünfte genutzt werden. Es wurde bei der Befragung nach den vier Kundensegmenten Energieverbraucher, Einspeiser, Bauunternehmen und Installateure unterschieden. In jedem der Segmente werden bereits von mindestens ca. 60% der Netzbetreiber für Kunden digitale Schnittstellen bereitgestellt, insbesondere für den Kontakt mit Bauunternehmen ist der digitale Austausch über Schnittstellen bereits mit ca. 80% relativ weitreichend möglich. Hier zeigt die Bestandsaufnahme bereits ein vergleichsweise positives Bild.

Insgesamt zeigen die Berichte auf Grundlage von § 14 Abs. 1a und 1b EnWG, dass die befragten Verteilernetzbetreiber im Rahmen der Energiewende einen noch weiter zunehmenden Netzausbau planen, der auch aus Sicht der Bundesnetzagentur grundsätzlich erforderlich ist. Im Bereich Digitalisierung zeigt die Bestandsaufnahme, dass diese in einigen Bereichen wie z.B. der Verfügbarkeit digitaler Netzpläne schon relativ weit fortgeschritten ist, in anderen Bereichen wie z.B. der Beobachtbarkeit im Bereich der Niederspannung sicherlich noch weiter ausgebaut werden kann und wird.

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