Auf dem Weg zur klimaneutralen Gesellschaft

Nordisch-deutsche Gewerkschaftskooperation für den Gerechten Strukturwandel

Ein neues Projekt unter dem Titel „Auf dem Weg zur klimaneutralen Gesellschaft – Eine nordisch-deutsche Gewerkschaftskooperation für den gerechten Strukturwandel“ soll eine Kooperation zwischen dem Nordischen Gewerkschaftsrat (NFS), der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) starten. Insgesamt sind sechs Länderberichte über den Weg zu einem gerechten Strukturwandel von den teilnehmenden Ländern (Dänemark, Finnland, Deutschland, Island, Norwegen und Schweden) ausgearbeitet worden.

Nordische Gewerkschaftskooperation – die sechs Länder – © FES

Im Projekt sind 13 nationale Gewerkschaftsverbände innerhalb des NFS aus fünf nordischen Ländern vertreten: Dänemark (FH, Akademikerne), Finnland (SAK, STTK), Island (ASÍ, BSRB, BHM), Norwegen (LO-N, Unio, YS) und Schweden (LO-S, TCO, Saco).

Jeder der sechs Länderberichte enthält eine Analyse der Klimapolitik des jeweiligen Landes, der ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen, sowie eine Auswertung der betreffenden nationalen Instrumente und liefert europäische Standpunkte. Die wichtigsten Ergebnisse der Länderberichte werden in einer Synthese zusammengefasst. Diese enthält politische Empfehlungen, die den Wandel in eine klimaneutrale Gesellschaft und eine gerechte und nachhaltige Volkswirtschaft unterstützen sollen. Die Berichte und ihre Ergebnisse werden präsentiert und anhand einer Reihe von Ereignissen auf nationaler Ebene und im Hinblick auf die nordische und europäische Kooperation und auf internationaler Ebene erörtert.

Der Strukturwandel für eine klimaneutrale Zukunft ist eine der dringendsten ökologischen, sozial- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Dieses Projekt hat zum Ziel, die Strategien und Anforderungen für den Wandel zu einer klimaneutralen Gesellschaft aus der Sicht der Gewerkschaften herauszuarbeiten. Die teilnehmenden Gewerkschaften verbindet die Vision, dass dieses Ziel nur dann erreicht werden kann, wenn die sozialen Kosten dieses Wandels gesellschaftlich entschärft werden.

Das heißt, dass die Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels auf das Ziel, gute Arbeits- und Lebensbedingungen sicherzustellen, abgestimmt sein müssen. Die teilnehmenden Gewerkschaften haben daher nicht nur den Wandel zu einer Zukunft ohne fossile Brennstoffe ihrer jeweiligen Länder analysiert, sondern auch gemeinsame politische Empfehlungen auf nationaler und europäischer Ebene formuliert. Diese wurden im November und Dezember 2020 von dem jeweiligen Vorstand von DGB und NFS verabschiedet.

Die daraus folgenden Diskussionen und Debatten haben die Zusammenarbeit und den Dialog zwischen der nordischen und der deutschen Gewerkschaftsbewegung über die gemeinsamen Herausforderungen und Lösungen gestärkt.

DGB-Chef Reiner Hoffmann: Gerechter Strukturwandel ist alternativlos

Gute Arbeit, Mitbestimmung und Tarifverträge sind kein Selbstzweck. Diese Instrumente werden es sein, die Klimaneutralität möglich machen werden. Sie sind Werkzeuge für eine nachhaltige Zukunft. Denn diese Instrumente stehen für Innovation in den Betrieben, Akzeptanz der Gesellschaft und Engagement der Beschäftigten. Warum sollte ein Unternehmen eine Transformation unterstützen, die das Geschäftsmodell infrage stellt? Warum sollte ein Beschäftigter einen Prozess begrüßen, der ihn den Job kosten wird? Und warum sollte die Gesellschaft eine Entwicklung begrüßen, die zahlreiche Heimatregionen perspektivlos zurücklässt? Man kann es der unsichtbaren Hand des Marktes überlassen, diese Transformation gegen jeden Widerstand durchzudrücken. Man kann die Transformation aber auch mit den sichtbaren Händen von Millionen von Beschäftigten gestalten. Zufriedene und gut ausgebildete Beschäftigte sind Europas Wohlstandsgarantie für die Zukunft

Acht Nordisch-Deutsche Forderungen

1. Gerechter Strukturwandel: Umsetzung des Pariser Klimaabkommens

Die Richtlinien für einen gerechten Strukturwandel der ILO und die Prinzipien des Pariser Klimaabkommens basieren auf der Agenda für menschenwürdige Arbeit (Decent Work Agenda) der ILO. Sie müssen in die EU-Rechtsrahmen und die nationalen Klimaschutzgesetze integriert werden.

Gute Arbeit heißt damit, dass bei der Entwicklung der Klimapolitik die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Rechte am Arbeitsplatz, die soziale Absicherung und der soziale Dialog berücksichtigt werden müssen. Dies wird auch in dem Slogan für den European Green Deal deutlich: „Leaving no one behind”.

Politiker und politische Entscheidungsträger müssen deshalb einen ganzheitlichen Ansatz wählen, der die Beschäftigten in den Mittelpunkt der Klimapolitik und des Strukturwandels rückt. Jegliche Klimaschutzpolitik muss deshalb mit der Agenda für menschenwürdige Arbeit der ILO im Einklang stehen.

Wenn es um die Umsetzung der Klimaziele geht, müssen diese nicht nur mit der Energie- und Klimapolitik gekoppelt sein. Spezifische Maßnahmen in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Arbeitsmarkt und Gleichstellung sowie sektorspezifische Maßnahmen sind ebenfalls erforderlich, um die Rahmenbedingungen für den bevorstehenden Strukturwandel zu schaffen.

2. Gewerkschaften als zentrale Akteure in den Strukturwandel einbeziehen

Wo auch immer Strukturwandel stattfindet, es sind immer Beschäftigte betroffen. Gewerkschaften müssen daher in die Vorbereitung, Überwachung und Aktualisierung der nationalen, sektorenspezifischen und regionalen Energie- und Klimaschutzpläne und -politiken einbezogen werden. Dies trifft auch auf die notwendigen Investitionen zur Unterstützung des Struktur- und Klimawandels zu, sowie auf die Auswirkungen der Klimapolitik auf Beschäftigung und deren Bedarf an neuen Qualifikationen.

Die Beteiligung der Gewerkschaften muss deshalb von den Staaten selbst und auch von der EU, der UNFCC, der ILO und von regionalen Kooperationen wie dem Nordischen Ministerrat gefördert werden.

3. Mit Aus- und Weiterbildung zu einer besseren Arbeitswelt

Bildung, Berufsausbildung und lebenslanges Lernen sind für die Bewältigung des Strukturwandels von hoher Relevanz. Neue Kenntnisse, Kompetenzen und Qualifikationen – egal, ob diese von Arbeitgebern oder öffentlichen Einrichtungen angeboten werden – sind zentral. Sie bereiten die Beschäftigten auf neue Aufgaben und Arbeitsplätze vor und schaffen einen innovativen und nachhaltigen Arbeitsbereich. Klimapolitik muss mit Beschäftigungs- und Umschulungsanalysen verbunden sein, sowie mit speziellen Maßnahmen für eine erfolgreiche Steuerung des Strukturwandels.

Der Wechsel zu „grünen“ Arbeitsplätzen in neuen Sektoren als auch in etablierten Wirtschaftszweigen ist von zentraler Bedeutung. Wichtig ist dabei insbesondere, dass diese grünen Arbeitsplätze auch gute Arbeitsplätze sind. Eine gute Arbeit ist produktiv, bietet ein angemessenes Einkommen, eine soziale Absicherung und die Freiheit, die eigene Meinung frei äußern zu können, und sich zu organisieren. Zudem sichert sie Chancengleichheit und faire Behandlung für alle.

Beschäftigte sind diejenigen, die in ihrem Arbeitsumfeld Risiken erkennen und erleben. Dieses Wissen wird durch Gewerkschaften gesammelt. Es ist wichtig, dass dieses Wissen bei der Ausarbeitung neuer Gesetze berücksichtigt wird, um alle Arbeitsplätze sicherer zu machen. Wir wissen, dass die Transformation Millionen neuer Arbeitsplätze in ganz Europa schaffen wird. Wir wissen aber auch, dass diese neuen Arbeitsplätze neue Risiken für Beschäftigte bedeuten werden. Aus diesem Grund müssen neue Arbeitsplätze gut und sicher sein. Maßnahmen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz müssen ein Teil der zukünftigen Gesetzgebung sein.

4. Unsicherheit des Strukturwandels durch soziale Absicherung verringern

Soziale Absicherung, die ihrem Namen gerecht wird, ist von entscheidender Bedeutung, um Beschäftigte und deren Familien beim Wechsel von einem Arbeitsplatz zum nächsten zu schützen. Einkommens- und Arbeitsplatzsicherheit erleichtern die Transformation für die Menschen. Denn Strukturwandel ist mit Unsicherheit verbunden, die nur durch eine gute soziale Absicherung verringert werden kann. Gute Arbeit für jeden muss deshalb ein europäisches und nationales Leitprinzip sein.

5. In die Zukunft der Wirtschaft und der Menschen investieren

Klimaneutralität erfordert massive Investitionen. Diese werden sich auszahlen und helfen, den Planeten, die Wirtschaft und die Menschen zu schützen. Viele grüne Technologien haben Exportpotential. Sie werden das Wachstum ankurbeln und gute, grüne Arbeitsplätze schaffen.

Wenn private Investitionen zu kurz greifen, muss der Staat die Transformation durch Investitionen in die Zukunft der Wirtschaft und der Menschen proaktiv gestalten. Investitionen haben daher nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine soziale Dimension (z. B. soziale Absicherung, Umschulung).

Dies gilt auch auf europäischer Ebene. Finanzierungsinstrumente – wie Mechanismen, Fonds, etc. – müssen den Fokus auf Beschäftigte legen, die direkt und indirekt von der sozial-ökologischen Transformation betroffen sind. Die Finanzierungsinstrumente sollten sich auf die soziale Absicherung fokussieren und die Beschäftigung, Aus- und Weiterbildung sowie Mitbestimmung der Beschäftigten bei der Transformation fördern.

Gewerkschaften sollten in allen Phasen dieser Projekte vertreten sein. Bestehende Maßnahmen sollten unter dem Gesichtspunkt eines gerechten Strukturwandels bewertet werden. Europäische Vorschriften müssen im Einklang mit den Investitionen in den gerechten Strukturwandel auf nationaler Ebene sein.

6. Gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen schaffen, um grüne Investitionen zu fördern

Anreize für den technologischen Wandel müssen langfristig angelegt sein und klare Regeln für den Stand der Technik in den verschiedenen Sektoren vorgeben, damit Arbeitgeber und Unternehmen Investitionen in Technologien sowie Fortbildungen und Umschulungen ihrer Beschäftigten tätigen.

Gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen müssen geschaffen werden, um Carbon Leakage zu verhindern. Sonst sehen wir mit der Verlagerung der Industrie ins Ausland auch eine Verlagerung der CO2-Emissionen.

7. Wissen schaffen für Innovation und einen gerechten Strukturwandel

Einige wichtige Themen werden auf dem Weg zur Klimaneutralität auftreten, die für alle Nationalstaaten und die EU eine Herausforderung darstellen. Weiterer Forschungsbedarf besteht bei Technologien, die zur Bewältigung der bevorstehenden Herausforderungen mit Blick auf das Klimaziel beitragen können.

Forschung und Entwicklung neuer Technologien, die unseren Gesellschaften helfen, die Klimaziele in einer gesellschaftlich akzeptablen Weise zu erreichen, müssen daher intensiviert werden.

Echter Wandel wird durch die Beschäftigten vor Ort vollzogen. Es braucht deshalb weitere Forschungsarbeiten, die Klimapolitik und ihre Folgen für die Sektoren, Regionen und die Arbeitsmärkte im Allgemeinen und insbesondere für die Beschäftigten untersuchen.

Wissenschaftliche Untersuchungen muss es auch dazu geben, wie sich die sozial-ökologische Transformation indirekt auf die Gleichstellung der Geschlechter auswirkt. Dies wird Wissen über die Prozesse eines gerechten Strukturwandels schaffen.

8. Stärker werden durch Zusammenarbeit

Eine Zusammenarbeit zwischen den nordischen Ländern und Deutschland beim gerechten Strukturwandel würde allen Ländern helfen, auf dem Weg ihre Klimaziele zu erreichen. Diese Länder stehen vor gemeinsamen Herausforderungen bei der Klimaneutralität. Sie haben oftmals dieselben Ansätze für CO2-freie Innovationen und die technische Entwicklung von Energiequellen.

Sie alle verfügen dafür über die richtigen Voraussetzungen aufgrund ihrer Sozialstaatsmodelle, ihrer technischen Expertise und ihrem Ziel, die Treibhausgasemissionen zu verringern. Außerdem zeichnet diese Länder ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad, starke Gewerkschaften und die Tradition des sozialen Dialogs.

Sie sollten sich zum Ziel setzen, Spitzenreiter beim gerechten Strukturwandel zu werden und auf die oben genannten Empfehlungen in Europa, auf nationaler und auf internationaler Ebene zu drängen.

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