35 Jahre Tschernobyl – 10 Jahre Fukushima

Kernsätze des Berichts der Ethik-Kommission „Sichere Energieversorgung“ vom 30.05.2011:

Die Ethik-Kommission sieht den schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie als eine außerordentliche Herausforderung für alle Beteiligten und zugleich als Quelle von neuen Chancen für das Mitwirken der Bürger bei dezentralen Entscheidungen.
Die Ethik-Kommission ist der festen Überzeugung, dass der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie innerhalb eines Jahrzehntes abgeschlossen werden kann. Dieses Ziel und die notwendigen Maßnahmen sollte sich die Gesellschaft verbindlich vornehmen. Nur auf der Basis einer eindeutigen zeitlichen Zielsetzung können die notwendigen Planungs- und Investitionsentscheidungen getroffen werden. Für Politik und Gesellschaft ist es eine große Herausforderung, das Gemeinschaftswerk „Energiezukunft Deutschlands“, das mit schwierigen Entscheidungen und Belastungen, aber auch mit besonderen Chancen verbunden ist, innerhalb eines Jahrzehnts zu realisieren.
Der Ausstieg ist nötig und wird empfohlen, um Risiken, die von der Kernkraft in Deutschland ausgehen, in Zukunft auszuschließen. Er ist möglich, weil es risikoärmere Alternativen gibt. Der Ausstieg soll so gestaltet werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und des Wirtschaftsstandortes nicht gefährdet wird. Durch Wissenschaft und Forschung, technologische Entwicklungen sowie die unternehmerische Initiative zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle einer nachhaltigen Wirtschaft verfügt Deutschland über Alternativen: Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser, Geothermie, Biomasse, die effizientere Nutzung und gesteigerte Produktivität von Energie sowie klimagerecht eingesetzte fossile Energieträger. Auch veränderte Lebensstile der Menschen helfen Energie einzusparen, wenn diese die Natur respektieren und als Grundlage der Schöpfung erhalten. Der „Ausstieg“ bedeutet zunächst, Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen. Der Ethik-Kommission ist aber bewusst, dass die Atomkraftwerke nach diesem Zeitpunkt noch auf lange Zeit intensive Arbeiten von der Sicherung bis hin zum Rückbau erfordern.
Deutschland muss den Weg des Ausstiegs mit dem Mut zum Neuen, Zuversicht in die eigenen Stärken und einem verbindlichen Prozess der Überprüfung und Steuerung gehen. Mit Blick auf die lokale Ebene, in vielen Unternehmen, bei Initiativen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen sieht die Ethik-Kommission Deutschland in der ganzen Breite der Gesellschaft längst auf dem Weg in eine Zukunft, die die Nutzung der Kernenergie verzichtbar macht. Dies gilt es zu unterstützen. Die deutsche Wirtschaft erzielt ihre Stärke aus ihrer Kreativität und ihrer Fähigkeit, Produkte auf höchstem Qualitätsniveau herzustellen. Ein zunehmend größerer Teil der Unternehmen richtet seine Geschäftsfelder auf das nachhaltige Wirtschaften aus. Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie gibt ihr viele weitere Chancen. Die Wissenschaft in Deutschland ist in einer hervorragenden Position, aus der auch weiterhin mit wesentlichen innovativen und leistungsstarken Lösungen für die Energiewende zu rechnen ist.
Die Endlagerung von Atommüll muss bei höchsten Sicherheitsanforderungen rückholbar erfolgen, denn für zukünftige Generationen muss die Option sichergestellt bleiben, Gefahren und Umfang des Atommülls zu vermindern, wenn entsprechende Technologien verfügbar sein werden.
Die Sicherheit der Atomkraftanlagen und der Aufbau einer zukünftigen Energieversorgung sind ein Thema mit hoher Bedeutung für die europäische und internationale Politik und Zusammenarbeit. Die Ethik-Kommission empfiehlt der Bundesregierung europäische und internationale Vorstöße, um die Sicherheitsaspekte der nuklearen Energieversorgung global aufzugreifen und um die Fortentwicklung und Justierung der Arbeit der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) voranzutreiben.