Klimaschutz hat Verfassungsrang

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“ – auf den Artikel 20a Grundgesetz bezog sich das Karlsruher Urteil vom 29.04.2021. Der Klimaschutz hat seitdem Verfassungsrang, mit Folgen – wer den menschengemachten Klimawandel leugnet, bezweifelt oder verharmlost, gerät in Konflikt mit dem Grundgesetz. Gleichzeitig hat Karlsruhe eine beliebte Taktik  vom Tisch gewischt: Wenn wir Klimagrenzen überschreiten, erhöhen wir sie mal eben und verschieben sie weiter in die Zukunft. Damit ist jetzt Schluss. Denn: Die Grundrechte schützen die Beschwerdeführenden „vor einer umfassenden Freiheits-Gefährdung durch Verlagerung der  Treibhausgasminderungslast in die Zukunft“. Vielmehr seien Grundrechte dadurch verletzt, dass die bis 2030 zugelassenen Emissionsmengen die danach „verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren und dadurch praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet ist“.  Das Bundesverfassungsgericht hat die Regierung abgewatscht – und deren Unionsvertreter bedanken sich ergebenst dafür. Altmaier (CDU) etwa nannte das Urteil „epochal“ für den Klimaschutz und die „Rechte der jungen Menschen“. Prompt twitterten Fridays for Future lapidar: „Es ist dein Gesetz, Peter.“ Erich Kästner hat das vor 89 Jahren sarkastisch kommentiert: „Was auch immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.“ Aber der Zweck heiligt die Mittel: Damit das (neben Corona) wichtigste (und für die Union gefährliche) Thema aus dem Wahlkampf herausgehalten wird, sollen auch die Grünen in die durch Karlsruhe erzwungene klare Definition des „Rest“-CO2-Budgets einbezogen werden. Und so sieht unser Budget aus: Wollen wir die Atmosphäre um maximal 2 Grad erwärmen, haben wir noch 24 Jahre Zeit, wollen wir die 1,5-Grad-Grenze nicht überschreiten, nur noch 6 Jahre und 8 Monate. Im September 2019 veröffentlichten drei Berliner Autoren unter dem Titel „Vollständige Dekarbonisierung, budgetorientiert.“ einen radikalen Vorschlag, der auf vollständige Defossilisierung in relativ wenigen Jahren abzielt. Demnach soll CO2 budgetiert, mit einem hohen Preis versehen und das dabei entstehende Kapital direkt an alle Bürger (zurück)verteilt werden. Ihre Idee gewinnt durch den Karlsruher Spruch an Gewicht und Dringlichkeit.