Grüne gegen Billigflüge und Verbrenner – Scheuer pro Schiene

Wiedergeburt des TEE

Wenn der grüne Höhenflug bis zur Wahl anhält, hat Annalena Baerbock im Herbst tatsächlich eine realistische Chance, ins Kanzleramt einzuziehen. Auf längere Sicht ist sie für die Abschaffung von Kurzstreckenflügen, sagte sie zu Bild am Sonntag am 16.05.2021. Auch Billig-Flüge etwa nach Mallorca müssten aufhören, am besten durch Besteuerung, wenn man es mit der Klimapolitik ernst meine. Wie zufälliges Entegenkommen wirkte da Verkehrsminister Andreas Scheuers Konzept TEE 2.0 (TransEuropExpress) grenzüberschreitender Hochgeschwindigkeits- und Nachtzüge – für das er breite Unterstützung bei seinen Kollegen gefunden hat.

Abflug von Palma de Mallorca: Strände von El Arenal – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Grünen-Chefin nannte es nicht fair, wenn mit Steuergeld Kerosin subventioniert werde, während Fernfahrten mit der Bahn gerade zu Stoßzeiten teuer seien. „Wer als Familie mit dem Zug reist, sollte doch weniger zahlen als für die Kurzstrecke im Flugzeug“, sagte sie. „Und ja, Kurzstreckenflüge sollte es perspektivisch nicht mehr geben.“ Natürlich könne jeder „Urlaub machen, wo er will. Aber eine klimagerechte Besteuerung von Flügen würde solche Dumpingpreise stoppen.“

Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte zuvor angekündigt, mit einer preislichen Untergrenze für Flüge (die sei in der Umsetzung, die Möglichkeiten dafür innerhalb des europäischen Rechts würden ausgelotet) gegen Billigflüge vorzugehen. „Kein Flug darf billiger sein als die Flughafengebühren und alle anderen Gebühren, die dafür anfallen“, hatte er dem Sender ProSieben gesagt. Weitergehende Regelungen seien zwar rechtlich schwierig. Aber es werde „sicherlich keinen geben wird, der unter 50, 60 Euro sein wird“, so Scholz. Das sei immer noch ziemlich günstig, gemessen an dem, was Flugreisen früher gekostet hätten.

Verbrennerverbot ab 2030

Weiter plädieren die Grünen nach wie vor für ein Ende des Verbrennungsmotors ab 2030. Gleichzeitig betonte Baerbock im Interview mit Bild am Sonntag, dass Autofahren allerdings weiter bezahlbar bleiben müsse. „Das heißt, Menschen, die jetzt kein Geld für ein neues E-Auto haben, werden wir unterstützen“, sagte Baerbock.

In seiner Rede beim Bundesparteitag der Liberalen betonte FDP-Generalsekretär Volker Wissing dagegen, ein Verbot der Verbrenner ergebe keinen Sinn, wo sie doch mit synthetischen Kraftstoffen klimaneutral betrieben werden könnten.

Industrie wütend

Automobil- und Maschinenbauverbände äußerten sich wütend über die Klimapolitik der Bundesregierung. „Es hilft dem Weltklima nichts, wenn wir die innovative Industrie in Deutschland zerstören und die Produktion in Regionen abwandert, in denen für das gleiche Ergebnis wesentlich mehr Kohlendioxid ausgestoßen wird“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller, der FAZ. Sie sei sehr irritiert über „die Hast der Bundesregierung und die fehlende Folgenabschätzung mit ihrem Klimapaket“, kritisierte Ex-Kanzleramtsministerin Müller.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft nannte die Analysen von Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock „unzutreffend“ und forderte statt höherer Steuern eine EU-weite Regelung zur Verhinderung von Dumpingpreisen. Auch Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) reagierte mit Ablehnung. „Es ist klar, dass der Flugverkehr seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss. Ein Verbot von Kurzstreckenflügen und massive Preiserhöhungen im Flugverkehr sind aber der falsche Ansatz“, sagte Lange dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Wichtig sei, dass die Flugreise auch weiterhin für jeden finanzierbar bleibe. „Deshalb verbieten sich unverhältnismäßige Preiserhöhungen. Es wäre unsozial, wenn der Flug in den Urlaub ein Privileg für Wohlhabende würde. Das ist mit der CDU/CSU nicht zu machen“, erklärte der Verkehrspolitiker.

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, warnte, Klimaschutz dürfe nicht auf Kosten der Urlaubsplanung einkommensschwacher Familien gehen: „Ich finde, Reisen und Fliegen müssen auch in Zukunft für jeden Geldbeutel möglich sein und nicht zum Luxus von einigen wenigen werden. Klimaschutz und CO2-Reduktion müssen intelligent und durch neue Technologien erfolgen. Wer glaubt, Verbote und unverhältnismäßige Preiserhöhungen sind das richtige Mittel, ist auf dem Holzweg“.

Scheuer: Hochgeschwindigkeits- und Nachtzugverbindungen sollen mit dem Flugzeug konkurrieren

Mit der Bahn umweltfreundlich durch Deutschland und Europa – das bedeute eine Möglichkeit, Billigflügen Konkurrenz zu machen. Genau das leiste das Konzept TEE 2.0 – so eine Medienmitteilung aus dem BMVI. „Und genau dafür haben wir am 17.05.2021 breite Unterstützung aus ganz Europa erhalten.“ Scheuer und zahlreiche europäische Kollegen hätten einen Letter of Intent zu dem von Deutschland vorgeschlagenen Konzept TransEuropExpress (TEE) 2.0 unterzeichnet. Die EU-Staaten unterstützen das Konzept – als Grundlage für einen vernetzten Europatakt. Darin sagen die Staaten Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Verbindungen, eines Taktfahrplans und einer digitalen Buchungsplattform zu und bitten die EU-Kommission, ein Förderprogramm für grenzüberschreitend einsetzbare Züge vorzuschlagen. Gegenstand der Erklärung seien weiter zahlreiche mögliche TEE-Strecken, die in naher Zukunft, bzw. schrittweise bis Ende der zwanziger Jahre umgesetzt werden könnten.

Alles schon mal dagewesen: Der TEE war als Trans-Europ-Express eine Zuggattung im internationalen Schienenpersonenfernverkehr, die von 1957 bis 1988 zwischen den Staaten der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), Österreich und der Schweiz verkehrte. Die Züge waren reservierungspflichtig und führten ausschließlich die erste Wagenklasse, darüber hinaus war ein Zuschlag erforderlich. Internationalen Geschäftsreisenden stand ferner ein sogenanntes Zugsekretariat zur Verfügung. Abgelöst wurde der Trans Europ Express durch den EuroCity (nach de.wikipedia.org/Trans-Europ-Express).

Der deutsche Vorschlag sehe vor:

        • Ein TEE 2.0 verbindet mindestens drei Staaten oder zwei Staaten über mindestens 600 Kilometer.
        • Ein TEE 2.0 erreicht mindestens 160 km/h auf einem wesentlichen Teil der Strecke oder eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 km/h auf der Gesamtstrecke.
        • Ein TEE 2.0 bietet erhöhten Komfort, v.a. freies WLAN, Gastronomie sowie ggf. Schlaf- und Liegewagen oder andere Komfortangebote bei Nachtzügen gegenüber üblichen Reisezügen.

Bereits am 13.12.2020 hatte Minister Scheuer mit der neu elektrifizierten Verbindung München – Zürich die erste Strecke eröffnet, die alle Anforderungen an eine Linie des TEE 2.0 erfüllt. Mit der am 9.12.2020 unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft vereinbarten Kooperation der vier Eisenbahnunternehmen aus Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz würden neue Nachtzugverbindungen und damit weitere Angebote des Konzepts TEE 2.0 realisiert:

        • Ab Dezember 2021: Wien-München-Paris + Zürich-Amsterdam
        • Ab Dezember 2023: Wien/Berlin-Brüssel/Paris
        • Ab Dezember 2024: Zürich-Barcelona

Für den Europatakt werden nationale Taktfahrpläne aufeinander abgestimmt – für bessere Anschlüsse und eine effizientere Nutzung der Infrastruktur. Die Staaten arbeiten hierzu bereits eng zusammen. Die europäischen Infrastrukturbetreiber unterstützen durch die Initiative EuroLink.

In 5 Stunden von Berlin über Dresden und Prag nach Wien

Auf dem Schienengipfel unterzeichneten Deutschland, Tschechien und Österreich zudem eine Gemeinsame Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) zum Ausbau der internationalen Verbindung Berlin-Dresden-Prag-Wien (Via Vindobona). Die Erklärung enthält die Ausbauplanungen in den Ländern. Nach Abschluss aller Arbeiten sollen sich die Fahrtzeiten erheblich verkürzen:

Berlin – Prag: bis zu 2 h 30 min
Prag – Wien: bis zu 2 h 30 min
Berlin-Wien: bis zu 5 h; Expressverbindungen 4 h

Auf deutscher Seite setzt die DB Netz AG die notwendigen Maßnahmen um. Zu den konkreten Ausbauschritten gehören:

        • Weiterer Ausbau der Strecke Berlin – Dresden, einschließlich „Dresdner Bahn“ auf Berliner Stadtgebiet.
        • Aus- und Neubaustrecke Dresden – Grenze DE/CZ – Prag. Die DB plant dazu gemeinsam mit dem tschechischen Eisenbahn-Unternehmen einen Erzgebirgstunnel.

Scheuer: „Die Erklärung ist der Grundstein für eine leistungsstarke grenzüberschreitende europäische Achse. Brandenburger Tor, Frauenkirche, Karlsbrücke und Stephansdom – sie rücken über die Schiene ganz dicht aneinander. Bereits unter deutscher Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 hatte das BMVI wichtige Impulse für den europäischen Bahnverkehr gesetzt, das Konzept TransEuropExpress (TEE) 2.0 vorgestellt und konkrete neue Nachtzugverbindungen mit den Verkehrsunternehmen verabredet.“

->Quelle und weiterführende Informationen